„Gnadenpfennig“ Ernsts des Frommen seit heute wieder in Gotha

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Am heutigen Freitag konnte Stiftungsdirektor Dr. Martin Eberle mit großer Freude einen verloren geglaubten Schatz aus den Friedensteinischen Sammlungen in Empfang nehmen. Mary Kate Cleary, Manager of Historic Claims and Research beim Art Loss Register in London, übergab der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha als dem rechtmäßigen Eigentümer einen kostbaren „Gnadenpfennig“ Ernsts des Frommen von Sachsen-Gotha, der aus den reichen Sammlungen auf Schloss Friedenstein in der Zeit der Wirren nach dem Zweiten Weltkrieg entwendet worden war.

Es handelt sich um ein goldenes Medaillenkleinod mit annähernd vollplastischen Porträtbüsten Herzog Ernsts I. von Sachsen-Gotha und seiner Gemahlin Elisabeth Sophie (Vorderseite und Rückseite) in emaillierter Fassung. Es wurde vom Gothaer Goldschmied Wendel Elias Freund um 1652 im Auftrag Ernsts des Frommen angefertigt. Gnadenpfennige wurden vor dem Aufkommen der Verdienstorden von Fürsten an verdiente Menschen oder als ein Zeichen ihrer Gunst verliehen.

Auf welche Weise der Gothaer Gnadenpfennig das Schloss verließ, weiß man nicht. Erst 1949 tritt er bei einer Versteigerung einer New Yorker Galerie wieder in Erscheinung. In den folgenden 20 Jahren wechselte er mehrfach den Besitzer und ging durch Auktionen in New York und in der Schweiz. Zuletzt befand er sich im Besitz eines Privatsammlers und wurde im Frühjahr 2011 von der Londoner Kunsthandlung S. J. Philips Ltd. dem Museum of Fine Arts in Boston zum Kauf angeboten. Provenienzforschungen dortiger Museumsmitarbeiter führten im April 2011 auch zur Kontaktaufnahme mit der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha.

Die Bostoner Kunsthistoriker vermuteten, dass der Gnadenpfennig möglicherweise bereits im 19. Jahrhundert vom Herzoglichen Museum in Gotha „offiziell“ verkauft worden war und dann in eine französische Sammlung gelangt ist. Dies konnte von der Stiftung Schloss Friedenstein jedoch anhand historischer Inventare eindeutig widerlegt werden. Nachdem das Museum of Fine Arts Boston auch das Art Loss Register in London mit entsprechenden Recherchen beauftragt hatte, wurde die ehemalige Gothaer Sammlungszugehörigkeit des kostbaren Kleinods nochmals bestätigt. Im August 2011 traf das Art Loss Register mit der Londoner Kunsthandlung S.J. Phillips eine Vereinbarung, dass diese auf ihren Besitzanspruch verzichtet und der Gnadenpfennig nach Gotha zurückgegeben werden kann.

Bei der Rückgabe des Gnadenpfennigs im Rahmen eines Pressetermins wurden die im Thüringischen Staatsarchiv Gotha verwahrten historischen Kammerrechnungen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts präsentiert, in denen der Ankauf des Schmuckstücks dokumentiert ist. Ein historisches Inventar der Sammlungen des Schlosses gab einen weiteren Hinweis auf die eindeutige Zugehörigkeit des Stückes.

Dr. Martin Eberle wies einmal mehr auf die herben Verluste hin, die die Gothaer Sammlungen nach 1945 aus unterschiedlichen Gründen zu beklagen hatten. Mit der zeitweiligen völligen Verlagerung der Kunstsammlungen in die Sowjetunion (ein erheblicher Teil wurde 1958 zurückerstattet) und durch die deutsche Teilung ging der internationale Ruf der Sammlungen in Gotha verloren, der nun nach und nach neu erkämpft wird. Wichtige Schritte auf diesem Weg sind die Neupräsentation der erlesenen Sammlungen im Herzoglichen Museum Gotha ab 2013 sowie die Publikation der Sammlungen über das Internet und in Bestandskatalogen. Anfang 2011 erschien der Katalog zum Böttger-Steinzeug („Das Rote Gold“). Noch für 2011 sind Bände zum Meissener Porzellan und zu den Niederländer-Gemälden in Vorbereitung. Mit diesen Bänden werden die Werke vor der internationalen wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt. Sie erwecken das nachhaltige Interesse der Forscher und Ausstellungsmacher.

Zur Dokumentation der Verluste sind andererseits Verlustkataloge unentbehrlich. Das Erscheinen des Kataloges zu den verlorenen Schätzen des Kunsthandwerks 1997 hat schon vielen Stücken von Rang eine Rückkehr nach Gotha geebnet. Mit dieser Form der Dokumentation werden Kunsthändler sensibilisiert. Sie wenden sich direkt nach Gotha, sobald ein eindeutig aus Gotha stammendes Kleinod bei ihnen eingeliefert wird. An den noch 2011 erscheinenden Verlustkatalog der Gemälde knüpfen sich ähnliche Hoffnungen.

Im Namen des Londoner Art Loss Registers brachte Mary Kate Cleary ihre Freude darüber zum Ausdruck, dass sie den Gnadenpfenning der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha wieder zurückgeben konnte und führte weiter aus: „Die hervorragende Recherchearbeit der Provenienzforscherin Victoria Reed (Museum of Fine Arts, Boston) führte zur Identifikation des Werkes, aber der vorbildliche Wille zur Kooperation und die Sorgfalt des Londoner Kunst- und Schmuck-Händlers S. J. Phillips machte diese erfreuliche Rückkehr eines außergewöhnlichen Kleinods möglich. Wir hoffen, auch weiterhin vermisste Gothaer Schätze zu finden, und loben die Mitarbeiter des Schlosses Friedenstein Gotha für ihr anhaltendes Engagement, diese bedeutende Sammlung wieder zu vervollständigen.“

Dr. Martin Eberle freute sich ganz besonders, dass er nach der Rückkehr zweier venezianischer Majolikaschälchen im Mai Mary Kate Cleary bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr in Gotha begrüßen konnte: „Wir sind dem Art Loss Register von Herzen dankbar für seine erfolgreichen Bemühungen, die zu Gothas neuem Glanz entscheidend beitragen. Dieses Kleinod, das Ernst der Fromme wahrscheinlich selbst in Händen hielt, gehört in sein Schloss in Gotha. Nicht zuletzt danken wir auch der Londoner Kunsthandlung S. J. Phillips für ihr Verständnis und ihre Großzügigkeit.“

Das Schlossmuseum Gotha wird den Gnadenpfennig in Kürze der interessierten Öffentlichkeit im Rahmen einer kleinen Sonderpräsentation vorstellen.