Mediävist der Universität Jena an interakademischem Großprojekt zu vorreformatorischer Bibelübersetzung beteiligt

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„Im Anfang war das Wort“ – jedoch nicht das Lutherische. Die ersten Zeilen des Prologs im Johannesevangelium gehören wohl zu den bekanntesten Wendungen aus der Bibel, die der Reformator Martin Luther einst vom Griechischen ins Deutsche übersetzte. Wenngleich Luthers Werk das bekannteste seiner Art ist, war der Theologieprofessor nicht der erste, der Gottes Wort in die deutsche Sprache übertrug.

Bereits im 14. Jahrhundert schuf ein namentlich unbekannter Autor, der aufgrund des sprachlichen Befundes der „österreichische Bibelübersetzer“ genannt wird, eine umfangreiche und dazu noch kommentierte Version. Das Besondere: Der Übersetzer war nicht etwa wie Luther Theologe, sondern ein Laie, der das Bibelwort mit seinen Übersetzungen einer größeren Zahl von dem Latein nicht mächtigen Laien zugänglich machen wollte.

Trotz der sehr aufwendigen und zum Teil reich bebilderten Handschriften ist der Autor bisher nur einer Reihe von Spezialisten bekannt. Das soll sich nun ändern: In einem interakademischen Projekt soll in den kommenden zwölf Jahren eine Edition des Gesamtwerkes entstehen. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) fördert das Projekt, an dem auch die Friedrich-Schiller-Universität Jena beteiligt ist, mit einem Gesamtbudget von 4,5 Millionen Euro. Prof. Dr. Jens Haustein vom Lehrstuhl für Germanistische Mediävistik der Universität Jena leitet mit seinem Augsburger Kollegen Prof. Dr. Freimut Löser das Vorhaben, das von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Bayerischen Akademie der Wissenschaften betreut wird.

Das Recht der Laien auf die Bibel in Volkssprache

Die Version des „Österreichischen Bibelübersetzers“ ist eine von mehreren handschriftlichen und 18 gedruckten vorreformatorischen Bibelübersetzungen. Während die anderen Übersetzer allerdings zum Ziel hatten, zu einem besseren Verständnis der lateinischen Bibel beizutragen, übertrug der österreichische Autor die lateinische Satzfolge in eine geradezu elegante deutsche Prosa. Dabei übersetzte er nicht nur große Teile der Bibel, sondern kommentierte sie für ein besseres Textverständnis und verteidigte in seinen programmatischen Vorreden zudem das Recht der Laien auf die Bibel in der Volkssprache. Dass der Buchdruck zur Zeit des österreichischen Übersetzers, etwa um 1330, noch nicht erfunden war, erschwerte die Verbreitung der Texte erheblich. „Luthers Übersetzung ist ohne Frage genial. Doch profitierte er auch davon, dass sein Werk direkt gedruckt und so in größerer Zahl vervielfältigt werden konnte“, sagt Prof. Haustein. Dass Luther von den Arbeiten seiner Vorgänger wusste, davon gehen die Wissenschaftler inzwischen nicht mehr aus.

Nach dem Start des Projektes „Der Österreichische Bibelübersetzer. Gottes Wort deutsch“ zu Jahresbeginn widmen sich die beteiligten Forscher und Nachwuchswissenschaftler nun zunächst der Transkription des sogenannten Klosterneuburger Evangelienwerks. Es umfasst 27 Überlieferungszeugnisse, die sich in zahlreichen Bibliotheken Österreichs und Deutschlands befinden und für die digitale wie auch eine gedruckte Edition aufbereitet und analysiert werden.

Das von Bund und Ländern finanzierte Akademienprogramm ist eines der größten geisteswissenschaftlichen Forschungsprogramme Deutschlands. Es dient der Erschließung, Sicherung und Vergegenwärtigung des kulturellen Erbes.