Neues Buch mit kritischer Analyse der deutsch-israelischen Beziehungen erschienen

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Während seiner Amtszeit als israelischer Botschafter in Berlin hat sich Shimon Stein mit „unbequemen“ Fragen einen Namen gemacht. Er trat falscher Harmoniesucht ebenso entschieden entgegen wie Ressentiments gegenüber seinem Heimatland. Sein soeben erschienenes erstes Buch „Israel, Deutschland und der Nahe Osten. Beziehungen zwischen Einzigartigkeit und Normalität“ geht auf seinen Aufenthalt an der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Gastprofessor am „Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts“ zurück.

In diesem Buch bilanziert Stein, vier Jahre nach seinem Abschied aus dem Amt, die israelisch-deutsche Beziehungsgeschichte ebenso anerkennend wie nüchtern: Man könne durchaus stolz auf das Erreichte sein, doch nichts spreche für die von deutscher Seite immer wieder unternommenen Versuche, das Verhältnis der beiden Länder zueinander als „normal“ zu charakterisieren. Dies sei und bleibe eine Unmöglichkeit: nicht nur angesichts des Zivilisationsbruchs der Shoa, sondern auch vor dem Hintergrund der ambivalenten deutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte in den Jahrhunderten davor.

An diese Überlegungen, die er in einem öffentlichen Vortrag an der Universität Jena präsentierte, knüpfen die folgenden Texte dieses Bandes an. Sie spiegeln nicht zuletzt die Themen der mitunter auch kontroversen Diskussionen, die Shimon Stein in einer Reihe von Seminartagen mit den Mitgliedern der Doktorandenschule des „Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts“ führte: sein kritischer Einwurf zur Praxis der Wiedergutmachung, seine Bilanz der wechselvollen Jahre, die er als Diplomat in Bonn und Berlin erlebte, seine Erörterung des Verhältnisses zwischen Israel und der jüdischen Diaspora, nicht zuletzt sein Blick auf die Entwicklung des israelisch-arabischen Konflikts und der Position seines Landes im Nahen Osten. Der letzte Abschnitt dokumentiert ein Gespräch mit Shimon Stein, in dem er nicht nur Einblicke in die Geschichte seiner Familie gewährt, sondern noch einmal zentrale Themen aufgreift, die ihn nicht nur als Diplomaten, sondern als Bürger Israels bewegen. Stein äußert sich kritisch zur derzeitigen israelischen Regierung: „Ich bezweifele, dass uns diese Politik langfristig absichert. Deshalb habe ich mich entschieden, im diplomatischen Dienst aufzuhören.“ Seines Erachtens seien „weder die Israelis noch die Palästinenser heute für eine Beilegung des Konflikts reif. Deshalb wird es auch in absehbarer Zeit leider nicht zu einem Friedensvertrag kommen.“ Wenn es nicht zu einem Paradigmenwechsel in der israelischen und in der palästinensischen Gesellschaft komme, bleibe alles beim Alten.
Stein, dessen Eltern die deutschen Konzentrationslager überlebt hatten, wurde 1948 in Palästina geboren, wenige Monate vor der Gründung des Staates Israel, und zwar im Norden des Landes, in Hadera, einer schon im späten 19. Jahrhundert von russischen Zionisten gegründeten Siedlung. Er studierte an der Hebräischen Universität in Jerusalem Neuere Geschichte und Politikwissenschaft und begann dann 1974 seine Karriere im diplomatischen Dienst seines Landes als Chefanalyst des Zentrums für Politikforschung im israelischen Außenministerium. Anfang der achtziger Jahre kam er als Botschaftsrat erstmals für längere Zeit in die Bundesrepublik. In Bonn erlebte er den Machtwechsel von Helmut Schmidt zu Helmut Kohl und schärfte seinen Blick für die Besonderheiten der bundesdeutschen Innen- und Außenpolitik. Weitere Stationen führten ihn nach Washington sowie als Angehöriger der israelischen Delegation auf der KSZE-Konferenz in Stockholm und als Leiter der Abordnung bei der Abrüstungskonferenz in Genf auf die Bühne multilateraler Verhandlungen.

Seit 1993 leitete er im Außenministerium die Abteilung für Abrüstung und Waffenkontrolle und von 1998 an war er für den Ausbau der Beziehungen nach Osteuropa zuständig. Im Januar 2001 ernannte ihn Ministerpräsident Ariel Sharon zum Botschafter Israels in der Bundesrepublik.