Politikwissenschaftler der Uni Jena entwickelt Lehrkonzept „Taktvoll gegen Rechts“ mit

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Ein gekritzeltes Hakenkreuz auf der Federmappe oder ein rassistischer Zwischenruf im Unterricht – Wie erkennen Lehrer, ob sie es mit rechtsextremen Einstellungen von Schülern zu tun haben? Wie sollten die angemessenen Reaktionen ausfallen? 

„Der Lehrer steht vor der Wahl zu moralisieren, die Sache zu ignorieren oder eine Strafaufgabe zu verhängen“, sagt Prof. Dr. Michael May von der Universität Jena. Einen für alle Situationen gültigen Königsweg für das angemessene Verhalten von Pädagogen kann der Politik-Didaktiker May nicht anbieten. Wohl aber fundierte Hilfestellungen für angehende Lehrerinnen und Lehrer.

Gemeinsam mit PD Dr. Karin Kleinespel vom Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZLB) der Uni Jena und dem Erfurter Staatsanwalt Uwe Strewe hat Michael May das Lehrkonzept „Taktvoll gegen Rechts“ entwickelt. Es setzt sich aus zwei Elementen zusammen und wird im gerade begonnenen Wintersemester erstmals angeboten. Zunächst bieten Michael May und Uwe Strewe den Lehramts-Studierenden im Praxissemester gemeinsam einen Vortrag über Rechtsextremismus in der Schule an. „Dabei geht es zunächst um Rechtssicherheit im Umgang mit dem Phänomen Rechtsextremismus in der Schule“, sagt Michael May. Vorgestellt würden dabei u. a. rechte Codes und Symbole, deren Strafwürdigkeit eingeordnet wird, sowie disziplinarische Möglichkeiten des Schulsystems. Außerdem erfahren die künftigen Pädagogen, so May, dass das Problem nicht nur disziplinarisch, sondern pädagogisch bearbeitet werden muss. Hierzu sei ein Interesse der Lehrenden an den Beweggründen auffälliger Schüler nötig.

Während die erste Einführungsvorlesung allen Studierenden des Praxissemesters offensteht, gibt es am Ende des Semesters ein Fallseminar für etwa 25 Teilnehmer. Für dieses Seminar sollen die Studierenden im Laufe des Semesters eigene Beobachtungen notieren, um an konkreten Beispielen angemessene Reaktionen zu diskutieren.

Der Impuls für die neue Lehreinheit „Taktvoll gegen Rechts“ kam durch die Initiative der Jenaer Universität zustande, ein Kompetenzzentrum Rechtsextremismus ins Leben zu rufen. „Wir haben überlegt, wie wir einen konkreten Beitrag leisten können“, sagt Prof. May. So entstand die Kooperation mit dem Staatsanwalt Uwe Strewe, der sich im Projekt „JUREGIO“ engagiert. „JUREGIO – Rechtskunde in Thüringen regional“ wurde als Gemeinschaftsprojekt des Justizministeriums, des Bildungsministeriums und des Thüringer Lehrerfortbildungsinstituts Thillm ins Leben gerufen. Ziel ist es, Thüringer Schülern, Eltern und Lehrern Rechtskenntnisse zu vermitteln beim Umgang mit Gewalt, Drogen, Extremismus und Medienmissbrauch in der Schule.

Prof. May sagt, ihn freue besonders, dass durch das Konzept „Taktvoll gegen Rechts“ die politische Bildung als Lehrprinzip für alle Unterrichtsfächer relevant wird. „Wir bleiben nicht auf das Fach Sozialkunde beschränkt, sondern erreichen Lehrer aller Fächer“, sagt der Politik-Didaktiker. Außerdem verweist er darauf, dass der Titel nicht als verharmlosend wahrgenommen werden möge. Das „taktvoll“ bezieht sich auf den pädagogischen Ansatz von Johann Friedrich Herbart (1776-1841). Der Pädagoge und Psychologe hatte „taktvolles Handeln“ der Lehrer im Umgang mit den Schülern angemahnt. Gemeint ist damit, dass es keine Rezepte pädagogischen Handelns geben kann, sondern immer die konkrete Unterrichtssituation beachtet werden muss.