„Raum für grenzwertige Mitteilungen“

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Jena (US) Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper haben den im Rahmen des Kunstprojekts „BrandSchutz // Mentalitäten der Intoleranz“ von der Friedrich-Schiller-Universität und dem Kunstverein Jena ausgelobten Wettbewerb zur Gestaltung der Glasfassade des Jenaer Stadtspeichers gewonnen. Das haben die Initiatoren des Wettbewerbs Prof. Dr. Verena Krieger (Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Uni Jena) und Wolfram Stock (Vorsitzender des Kunstvereins Jena) heute (14. Mai) bekanntgegeben.

Mit ihrem Entwurf „Raum für grenzwertige Mitteilungen“ konnte sich das Künstlerinnenduo in der letzten Runde des international ausgeschriebenen Wettbewerbs gegen fünf weitere Bewerber durchsetzen. Diese waren bereits im März aus den insgesamt 117 eingereichten Entwürfen ausgewählt worden. Die Entscheidung der 7-köpfigen Wettbewerbsjury fiel einstimmig aus. „Die Arbeit hat hohe poetische Qualität und trifft zugleich exakt den Kern unseres BrandSchutz-Projekts“, sagt Prof. Krieger zur Begründung der Jury-Entscheidung. „Indem es die Bürgerinnen und Bürger einbezieht, ist es ein Projekt für die ganze Stadt“, ergänzt Wolfram Stock.

Die beiden Künstlerinnen werden nun ihren Entwurf umsetzen und am 3. Oktober der Jenaer Öffentlichkeit präsentieren. Das Besondere dabei ist, dass sie der Fassade keine dauerhaft feststehende Gestaltung verleihen wollen. Stattdessen werden sie sechs Wochen lang einmal wöchentlich gemeinsam mit interessierten Jenaer Bürgern eine Performance durchführen, die der einzigartigen Glasfassade des historischen Gebäudes immer wieder ein neues Gesicht verleiht. Die Bürger sind dabei aufgerufen Sätze zu formulieren, in denen sie ihre persönlichen Toleranzgrenzen zum Ausdruck bringen. Mit den Künstlerinnen zusammen werden sie diese Sätze dann in übergroßen schwarzen Buchstaben in die Fenster des Stadtspeichers stellen und dabei immer wieder umbauen und verändern. Diese Schreibperformances werden als wirkungsvolles Schattenspiel im hell erleuchteten Stadtspeicher von außen zu verfolgen sein. Anschließend bleiben die „grenzwertigen Mitteilungen“ eine Woche lang sichtbar in der Fassade stehen. Die Künstlerinnen begründen ihr Konzept: „Es reicht nicht aus, Toleranz als Heilmittel gegen Intoleranz zu behaupten. Wir möchten stattdessen Raum geben für eine öffentlich sichtbare Debatte über verborgene, unbewusste Toleranzgrenzen.“

Sowohl die fundierte inhaltliche Ausarbeitung als auch die enge Einbindung der Jenaer Öffentlichkeit in das Projekt haben die Jurymitglieder nachhaltig überzeugt. „Wir wollen ja gerade nicht mit dem moralischen Zeigefinger auftreten“, sagt Prof. Krieger, „sondern Raum dafür schaffen, dass Reflexion und Auseinandersetzung möglich wird.“ Der Architekt Ruarí O‘Brien, nach dessen Entwürfen die Fassade gestaltet worden ist, betont: „Der Entwurf entspricht dem Geist des Stadtspeichers.“

Die Düsseldorfer Künstlerin Andrea Knobloch (Jg. 1961) und die Hamburger Kunstwissenschaftlerin Ute Vorkoeper (Jg. 1963) haben viel Erfahrung mit der Einbeziehung der Öffentlichkeit in ihre künstlerische Arbeit. Unter dem gemeinsamen Label „Akademie einer anderen Stadt“ haben sie bereits zahlreiche Ausstellungen und künstlerische Projekte im öffentlichen Raum realisiert.

Der Jury gehörten neben dem Künstler und Architekten Ruairì O’Brien auch Prof. Liz Bachhuber (Uni Weimar), Rebekka Marpert (Studierende der Uni Jena), Prof. Dr. Verena Krieger (Uni Jena), Erik Stephan (Kunstsammlung Jena), Wolfram Stock (Jenaer Kunstverein) und Dr. Claudia Tittel (Uni Jena) an.

Der Ende 2012 ausgeschriebene Wettbewerb zur temporären Umgestaltung der markanten Hologramm-Fassade des Jenaer Stadtspeichers war bei nationalen und internationalen Künstlern auf große Resonanz gestoßen: Künstlerinnen und Künstler zehn verschiedener Nationalitäten haben sich beteiligt. Unter den Wettbewerbsteilnehmern waren sowohl junge als auch renommierte Künstler aus Deutschland und Europa vertreten. In die zweite Runde gekommen waren außerdem Markus Döhne (Köln) mit einem bildhauerischen Entwurf, Farida Heuck (Berlin) mit einer satirischen Textarbeit, Maria Walcher (Südtirol) mit der Idee, Schrift mit textilen Materialien zu verbinden, das Künstlerinnentrio Marlene Hausegger, Kathrin Dörler und Romana Rust (Wien), das leuchtende LED-Bänder zum Einsatz bringen wollte, sowie das Berliner Büro SPAR*K Architekten, das ein Goethezitat zum Leuchten bringen wollte.

Weitere Informationen zum Projekt „BrandSchutz // Mentalitäten der Intoleranz“ sind zu finden unter: www.brandschutz.uni-jena.de.