Von Verschwörungen und Theorien

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„Als kleine Stifter stromerten wir durch das Jonastal, krabbelten in alte Stollen und fanden Patronen. Diese warfen wir ins Feuer und freuten uns, wenn uns die Teile um die Ohren flogen. Es war eigentlich ein Wunder, dass uns nie etwas passierte.“ Ein guter Freund erzählte dies aus seiner Kindheit und ich wurde neugierig. Dem Jonastal haftete schon immer der Mythos des Geheimnisvollen an.


War hier das Führerhauptquartier versteckt? Finden Schatzsucher dort das Bernsteinzimmer? Liegt in unterirrdischen Geheimgängen der Beweis, dass die Nazis atomare Sprengköpfe herstellten? Um der Wahrheit ein Stückchen näher zu kommen wollte ich dem angefangenen Puzzle in meinem Kopf ein paar Teile hinzufügen:


Thomas Mehner dürfte einer der Insider sein, wenn es um das Jonastal geht. Seit 30 Jahren beschäftigt sich der heute 50-Jährige mit der Aufklärung des „Jonastal-Rätsels“.

Unzählige Publikationen zeugen davon. Ein Kofferraum voller Karten, Briefe, Kopien, Fotos und ein Wissensschatz, den er gerne teilt ebenso. „Dennoch werde ich zukünftig kürzer treten. Es ist schwer, ausdauernde und zuverlässige Partner zu finden.“ Dass seine Arbeit nicht immer auf Wohlwollen stößt, beweist eine Hausdurchsuchung mit dauerhafter Beschlagnahme seines Computers.


Mehner, gelernter Informatiker, heute Autor und Verleger aus Zella-Mehlis, provoziert aber auch: Er ist sich sicher, dass die Nationalsozialisten wenige Tage vor Kriegsende über drei funktionierende Atombomben verfügten. Sein gesammeltes Wissen spricht dafür, dass zwischen Arnstadt, Ohrdruf und Wechmar eine unterirdische Atomanlage existierte. Er zeigt Fotos und Schriftstücke von sich immer wieder selbst aufladenden Batterien.


Fast sieben Stunden fuhren und liefen 30 Interessierte durch das Jonastal, über Gossel, Arnstadt und Bittstädt. Staunten über Archivbilder, Karten, Geheimdokumente, merkwürdige Kabel im Waldboden, vermeintliche Fahrstuhlschächte, Wege ins Nirgendwo, verschüttete Stollen, Baumzeichnungen, Flugzeugtarnastriche, Schweigegelder, ausschlagende Geigerzähler, eingeschüchterte Schatzgräber, Schwebeeigenschaften von chemischen Elementen  …


Immer wieder spricht Thomas Mehner von „Mächtigen“. Und mit Blick auf den Weltfrieden geht er sogar noch einen Schritt weiter und sagt: „Wer heute nicht hören will, braucht sich später nicht zu wundern.“


Wem will er damit drohen? Was weiß er? Worüber will er heute noch nicht sprechen, um später, wenn er sich zur Ruhe setzt, die Katze aus dem Sack zu lassen? Er spricht von Beweisen, die er an einem sicheren Ort deponiert hat, zitiert Zeugen, ohne sie zu konkret zu benennen. Erzählt von scheinbaren Zufällen, von Menschen, die ihm das Vertrauen schenkten und selbst dann berichten „wenn hier im Gebiet ein Reh Durchfall hat.“ Seine Rechercheergebnisse sind für ihn eindeutig, er fühlt sich unangreifbar, glaubt an seine besseren Argumente und fürchtet auch keine Anklage, da ihm niemand das Gegenteil beweisen wird. „Alles spricht dafür, dass in diesem Gebiet etwas Hochbrisantes steckt und es muss verhindert werden, dass die Geschichtsschreibung verändert wird. Es wird hier eines Tages einen Unfall wie in Tschernobyl geben und dann werden wir sehen, was passiert“. Entweder legt Mutter Natur eines Tages die Beweise per Zufall frei oder das politische System muss sich ändern, „sonst steuern wir auf eine Katastrophe zu“, ist Mehner sich sicher.


Richtig gruselig sind die Erläuterungen zu RADguM, einer hochgefährlichen Flächenwaffe, die die gesamte Menschheit auslöschen könnte. So brisant, dass Mehner mich davor warnt, darüber zu schreiben, um mir Ärger zu ersparen. Ich bin gespannt … „Ich kann alles belegen und alle Dokumente sind sicher verstaut. Verschwörungstheorien zu verbreiten ist die übliche Floskel, wenn man nicht auf der üblichen Linie liegt, da legte ich mir ein dickes Fell zu. Das läuft an mir runter, wie Jauche an einer Marmorsäule“, sagt Mehner und gibt zu, dass es unglaubwürdig klingt.


Sieben Stunden später fällt das eigene Fazit ernüchternd aus: Das scheinbar kleine Puzzle in meinem Kopf, welches ich vervollständigen wollte, ergibt immer noch kein Bild. Die Puzzleteile, die Thomas Mehner hinzufügte, vergrößerten meine Verwirrung in einem Maße, dass ich mich noch nicht entscheiden kann, ob ich verwirrt, beunruhigt oder panisch werden sollte. Eine geführte Tour durch das Jonastal lohnt sich allemal, aber wer glaubt, dass damit Licht ins Dunkel kommt, der irrt.