85.000 Thüringer haben befristeten Arbeitsvertrag – Schluss mit „Wildwuchs bei Befristungen“ im Kreis Gotha

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Vollwertige Stellen statt Zitter-Verträge: Für Unternehmen im Landkreis Gotha soll es künftig schwieriger werden, ihre Mitarbeiter mit einem befristeten Arbeitsvertrag abzuspeisen. Das fordert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) nach eigenen Angaben mit Blick auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Danach haben in Thüringen rund 85.000 Menschen eine befristete Stelle – das sind 9,1 Prozent aller Beschäftigten im Freistaat. Im Lebensmittel- und Gastgewerbe sind die „Jobs mit Verfallsdatum“ nach Beobachtung der Gewerkschaft besonders verbreitet.

„Durch Corona zeigt sich, wie prekär befristete Stellen sind. Denn wessen Arbeitsvertrag ohnehin ausläuft, der kann sich in der Krise keine großen Hoffnungen auf Verlängerung machen. Das trifft gerade Berufseinsteiger“, sagt Jens Löbel, Geschäftsführer der NGG Thüringen. Die Bundesregierung müsse ihrem Versprechen endlich Taten folgen lassen und den „Wildwuchs“ bei Befristungen beenden. In ihrem Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, Befristungen ohne konkreten Sachgrund – wie etwa eine Elternzeitvertretung – einzudämmen. Einige Unternehmen seien jedoch bereits weiter, so Löbel. „Die Hotelkette Steigenberger hat vor Jahren angekündigt, nicht mehr auf sachgrundlose Befristungen zu setzen.“ Solche Beispiele müssten insbesondere auch im Hotel- und Gaststättengewerbe Schule machen.

„Befristungen dürfen nicht als Dauer-Probezeit missbraucht werden. Denn gerade junge Leute haben so kaum Chancen, eine Wohnung zu finden oder einen Kredit zu bekommen. Oft muss dann sogar der Wunsch nach eigenen Kindern verschoben werden“, kritisiert Löbel. Nach einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) waren im vergangenen Jahr bundesweit 37 Prozent aller Neueinstellungen befristet. Im Lebensmittel- und Gastgewerbe hatte fast jeder zweite neue Arbeitsvertrag ein Ablaufdatum.

Sorge bereitet Löbel die Zunahme bei den sogenannten sachgrundlosen Befristungen. Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbunds hat sich ihre Zahl zwischen 2001 und 2018 verdreifacht. „Genau hier muss die Bundesregierung ansetzen. Es kann nicht sein, dass sich die Menschen von Verlängerung zu Verlängerung hangeln müssen. Das ist nichts anders als eine Verlängerung der Probezeit durch die Hintertür“, so Löbel. Laut IAB-Studie gaben Hoteliers und Gastronomen bei zwei Dritteln aller Befristungen keinen Sachgrund an.

Bislang ist die Befristung eines Arbeitsvertrages ohne sachlichen Grund bis zu zwei Jahre lang möglich. In diesem Zeitraum kann ein befristeter Arbeitsvertrag maximal dreimal verlängert werden. Nach den Plänen des Bundesarbeitsministeriums sollen Befristungen in Betrieben mit mehr als 75 Beschäftigten künftig auf maximal 2,5 Prozent der Belegschaft begrenzt werden. Gewerkschafter Jens Löbel geht das nicht weit genug: „Die Betriebsgröße darf hier keine Rolle spielen. Denn sonst hätte ein Großteil der Betroffenen vom neuen Gesetz nichts. Nötig ist ein vollständiges Verbot der sachgrundlosen Befristung.“

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