André Wesche im Gespräch Schauspielerin Gisa Flake

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Schauspieler: Gisa Flake und Heiko Pinkowski Kinofilm: Kannawoniwarsein!

Kannawoniwasein!

Die Schauspielerin, Kabarettistin und Sängerin Gisa Flake („heute-show”) ist im TV derzeit omnipräsent. Auch im Kino ist die 37-jährige regelmäßig zu erleben („Systemsprenger”).

In der Verfilmung des erfolgreichen Jugendbuchs „Kannawoniwasein! Manchmal muss man einfach verduften” (Kinostart: 17. August) spielt die gebürtige Braunschweigerin eine Polizistin, die zwei Kids begegnet, die mit einem Traktor ausgebüxt sind. Wir sprachen mit Gisa Flake über Eskapismus, Autoritäten und ihre glückliche Kindheit.

Frau Flake, bekanntlich gibt es keine kleinen Rollen, sondern nur kleine Schauspieler. Was hat Sie daran gereizt, hier in eine Polizeiuniform zu schlüpfen?

Es war nicht mein erstes Mal in der Polizeiuniform. (lacht) Mich haben diverse Sachen daran gereizt. Ich kannte schon das Kinderbuch, es hat eine moderne Ebene und eine Detektivgeschichte, die ich toll fand. Und dann diese ganzen Nebencharaktere! Alles ist so bunt und die ganze Zeit passiert etwas, es wird mit so viel Liebe erzählt. Auch Regisseur Stefan Westerwelle ist ganz modern und wollte es lustvoll inszenieren, was er letztendlich auch getan hat. Das hat mir sehr gefallen.

Die zentralen Fragen des Filmes sind: „Werde ich geliebt, wie ich bin? Bin ich für jemanden wichtig?” Sind Ihnen solche Gedanken vertraut?

Ja, natürlich. Diese Suche, wo man im Leben hingehört und wo man Unterstützer und Freunde findet, ist ein elementarer Bestandteil von uns allen und ganz klar auch von mir. Man schaut, ob man hier überhaupt gewollt ist und ob man hier sein möchte. Das hat auch für Schauspielerinnen und Schauspieler eine große Relevanz. Ist man an einem Filmset willkommen? Wird die eigene Rolle gerade einfach nur benutzt oder wird gesagt: „Hey! Schön das du da bist.” So war es bei „Kannawoniwasein!”. Dann spielst du auch ganz anders, bist total dabei und hast viel mehr Lust, Spaß und Selbstbewusstsein. Darum geht es natürlich auch in dem Film.

Die Geschichte spiegelt das Leben zahlreicher Kinder wider, die mit getrennten Elternteilen oder alleinerzogen groß werden. Glauben Sie, dass man sich heute zu früh trennt, wenn Probleme auftauchen, einfach weil man es kann?

Das glaube ich nicht. Man muss immer auf die Einzelfälle schauen. Natürlich gibt es auch die Situation, dass Leute einfach das Handtuch hinschmeißen und „Vielen Dank” sagen, obwohl man noch etwas regeln könnte. Ich finde es aber viel schlimmer – gerade für Kinder – wenn sie in einer Umgebung aufwachsen, in der sich die Eltern bekämpfen und nicht gegenseitig respektieren. Das macht viel mehr mit einer Kinder- oder Menschenseele, als wenn die Eltern den erwachsenen Beschluss treffen: „Bei uns klappt es nicht mehr. Wir haben hier eine klare Regelung und kommunizieren das auch offen mit dem Kind. Wir können trotzdem noch Eltern sein, aber wir sind einfach kein Paar mehr.” Das finde ich eine sehr mutige und tolle Entscheidung. Es ist fantastisch, dass es wirtschaftlich gesehen immer häufiger für Frauen die Chance gibt, zu sagen: Ich kann das jetzt auch allein machen. Oder in einer Partnerschaft zu sagen: Ich muss jetzt hier einen Cut setzen. Ich glaube, dass es für die Entwicklung des Kindes viel besser ist, damit aufzuwachsen, als in einer gequälten, hassvollen Partnerschaft der Eltern.

Waren Sie ein glückliches Kind?

Ja, sehr. Als ich jünger war, bin ich tagsüber mehr bei meinem Vater aufgewachsen, weil es einfach beruflich die Chance gab. Mein Vater hatte damals eine Nachmittagsbetreuung aufgebaut und ich bin mit 40, 50 Kindern aufgewachsen. Meine Mutter hat als Krankenschwester gearbeitet, die kam aber ständig vorbei. Das war aber eine wahnsinnig tolle Kindheit, in der ich mich unglaublich ausprobieren konnte, in der ich sehr viel gespielt und gebastelt und schon sehr früh mit der Laubsäge gearbeitet habe. Letztendlich konnte ich mich auch sehr früh auf der Bühne austoben. Ich hatte daran riesigen Spaß.

Hatten Sie jemals den Wunsch, alles hinter sich zu lassen und zu verduften, wie die Kids im Film?

Ja, ständig. (lacht) Dieses „Lass‘ den Kalender einfach mal Kalender sein. Das ist mir völlig egal, ich bin dann mal weg!” kann ich auch sehr gut. Ich habe keine Probleme damit, das Handy einfach mal auszuschalten. Leider vergesse ich dann auch die wichtigen Mails und Briefe, weil ich ein paar Tage lang sage: Nö, will ich gerade nicht. Ist mir viel zu viel. Durch meinen Job genieße ich noch viele Freiheiten. Ich kann mal hier, mal dort sein. Ich drehe in Köln und Hamburg. Ich bin viel unterwegs und habe das Gefühl, Mini-Urlaube zu haben. An den An- und Abreisetagen gönne ich mir immer etwas. Man kann den Wunsch, einfach aus seinem Leben auszubrechen, sicher noch besser nachvollziehen, wenn man jeden Tag in so einer Mühle ist. Jeden Tag die gleichen Kollegen, jeden Tag die gleiche Arbeit, die man vielleicht auch gar nicht gerne macht. Dann hätte ich spätestens Montagnachmittag das Gefühl, ich müsse kurz einfach mal verduften. (lacht)

Zu einem ernsten Thema. Mit welchen Gefühlen beobachten Sie, wie Polizisten, aber auch Feuerwehrleute und Rettungssanitäter zunehmend zum Ziel von Angriffen werden?

Die allgemeine Überschrift, unter der wir das immer betrachten müssen, ist „Respekt”. Wie viel Respekt habe ich vor meinem Gegenüber? Da geht es auch nicht nur um die Personen in Uniform, die mir gegenübertreten, sondern auch darum, wie ich mich in der Öffentlichkeit bewege. Ich habe das Gefühl, dass man immer öfter angerempelt wird oder Menschen mitten im Gang stehen bleiben und überhaupt nicht merken, dass es noch andere Personen um sie herum gibt. Unser Miteinander wird irgendwie immer unaufmerksamer. Da fehlt für mich der Respekt in jeglicher Form. Ganz dramatische Auswirkungen hat das natürlich, wenn Rettungsgassen fehlen und Rettungskräfte angegriffen werden. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Man muss genügend Empathie haben, um zu sagen: Ich könnte auch mal in der Lage sein, dass ich – oder jemand, der mir sehr nahe ist – Hilfe brauche. Diesen Umkehrschluss machen immer weniger Menschen, was ich sehr schade finde.

Seit dem Wachtmeister im Kasperltheater werden Polizisten in Geschichten oft als unterbelichtet dargestellt. Untergräbt das nicht zwangsläufig die Autorität?

Das finde ich gar nicht. Man sucht da den möglichst großen Kontrast. Eigentlich sind Polizisten diejenigen, die diesen Respekt bekommen, sehr streng sind und die Gesetze durchsetzen. Man sucht den Kontrast, wenn man sagt, dass es wahrscheinlich der größte Trottel ist. Da steckt eine Menge Humor drin und ich glaube nicht, dass es dazu führt, dass der Respekt in der Realität abnimmt. Im Gegenteil, das erweckt Sympathien. Und meiner Erfahrung nach führt Sympathie oft zu Empathie. Ich kann mitfühlen, ich gehe auf den anderen zu. Wenn es diesen Effekt dadurch gibt, dass man Polizisten auch so menschlich zeigt, ist es doch super.

Haben Sie Probleme mit Autoritäten?

Manchmal in der Schule, ja. Aber nicht mit „echten” Autoritäten. Wenn ich wusste, dass der Lehrer oder die Lehrerin wirklich etwas draufhaben, war ich total fein damit. Dann durften die auch sehr streng sein. Meine Grundschullehrerin wirkte zum Beispiel auf andere ganz streng, aber ich habe sie innig geliebt. Sie hat klare Regeln erstellt. Womit ich nicht klarkam – und ehrlich gesagt immer noch nicht klarkomme – ist, wenn Menschen nur behaupten, dass sie etwas wissen oder Macht haben. Wenn sie ihre Macht durchdrücken, aber eigentlich gar keine Autorität haben, weil es einfach falsch ist, was sie erzählen. Oder wenn sie an einem Status Quo festhalten, der Schwachsinn ist. Da werde ich ziemlich kiebig.

Begegnen Ihnen solche Leute auch am Filmset?

Klar, die gibt es in jedem Beruf. Aber dass gerade in der Medien- und Unterhaltungsbranche viele Personen mit heißer Luft arbeiten, ist auch kein großes Geheimnis. (lacht) Es gibt aber auch keine wirkliche Währung. Unsere Branche basiert auf Geschmack, ob ich den gut oder die toll finde und mich etwas berührt. Es gibt kein gut oder schlecht. Dadurch ergibt sich auch, dass man sehr viel behaupten und sagen muss: „Gebt mir mal eine Chance, ich mach‘ euch das! Ich spiel das toll!” Dass das manchmal auch nach hinten losgeht, ist klar. Einige sind schon sehr von sich selbst überzeugt, ohne etwas zu können.

Gab es ein Schlüsselerlebnis, das in Ihnen den Wunsch geweckt hat, auf der Bühne und vor der Kamera zu stehen?

Weil ich immer auf der Bühne stand, habe ich das nie als Beruf gesehen. Das war immer ein Teil von mir. Irgendwann, das muss kurz vor dem Abi gewesen sein, habe ich die Operette „Orpheus in der Unterwelt“ gespielt. Dort gab es eine Kombination aus Laien und Profis. Zwei Sänger haben zu mir gesagt: „Gisa, du musst Schauspiel studieren!” Ich fragte erstmal: „Entschuldige, das kann man studieren? Wahnsinn!” (lacht) Ich habe gedacht: Naja, gut, das ist die eine Idee. Ich habe gelesen, dass sich bei staatlichen Schauspielschulen tausend Leute bewerben und nur zehn angenommen werden. Parallel hat mich immer Medizin interessiert. Ich habe versucht, einen Krankenschwesterstelle zu bekommen. Dann wurde ich einen Tag, bevor meine Ausbildung losgehen sollte, von dieser staatlichen Schauspielschule angenommen. Das war so ein Lottogewinn! Ich habe immer das Gefühl, dass ich ein totales Glückskind bin. Das, was auf mich zukommt, soll auch auf mich zukommen.

Eine tolle schauspielerische Leistung zeigen Sie in der Hit-Serie „Jerks”. Bitte erzählen Sie mehr.

Das war super angenehm. Erstmal war es ein wahnsinnig tolles Ensemble. Christian Ulmen wusste ganz genau, was er wollte. Trotzdem hat er uns Freiheit gelassen. Es herrschte ein tolles, respektvolles Miteinander. Ich hatte auch nicht wahnsinnig viel Text zu lernen, weil meine Figur im Halb-Koma war. (lacht) Weil es größtenteils improvisiert war, bestand meine Hauptaufgabe darin, ruhig da zu sitzen und nicht zu lachen. Es gibt mehrere Szenen, in denen mir eine Träne runterfließt. Das war nicht inszeniert, das stand in keinem Drehbuch. Das waren einfach unterdrückte Lachtränen. Das war eine wunderbare Arbeit, auf die ich immer noch sehr gerne zurückblicke.

Wie haben Sie den Siegeszug des Filmes „Systemsprenger” erlebt, in dem Sie die Lehrerin spielen?

Das hat mich so gefreut! Ich weiß einfach, dass die Regisseurin Nora Fingscheidt für diesen Film gekämpft hat. Ich war in einer ganz kleinen Rolle dabei, aber auch da spürte man am Set diese Leidenschaft. Das fehlt mir ganz oft in deutschen Produktionen. Bei „Kannawoniwasein!” wusstest du, dass alle Bock darauf hatten und diese Geschichte erzählen wollten. Das war bei „Systemsprenger” auch so toll. Man hat inhaltlich geredet und die Energie war toll. Man hat das ernstgenommen. Man hat es nicht gemacht, weil der Sender noch Geld hatte und wir das irgendwie machen mussten. Es war voller Herzblut. Deswegen war ich so glücklich, dabei zu sein und meinen ganz kleinen Teil da reinzuwerfen.

Möchten Sie Ihr Gesangstalent (Anm.: 1. Platz beim Bundeswettbewerb Gesang Berlin in der Kategorie Musical/Chanson 2009) auch mal für die Ewigkeit festhalten?

Es gibt schon ein paar Aufnahmen. Mein wahnsinnig toller Freund hat mir zum Beispiel eine Aufnahme geschenkt, bei der ich in New York Hildegard Knef gesungen habe. Diese Pläne gibt es immer wieder. Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich mal wieder auf die Bühne und mit einer Band spielen muss. Die Zeit rast aber und ich arbeite so viel – und Gott sei Dank an so schönen Sachen – dass ich für diese Projekte gerade keine Zeit habe. Sie wird irgendwann kommen, aber ich nehme gerade alles mit, was es so gibt. Und das ist eine ganze Menge.

Arbeiten Sie an einem neuen Live-Programm?

Ich arbeite nicht aktiv daran. Mittlerweile habe ich ein kleines Repertoire von Kabarett-Chanson-Programmen, die erstaunlich aktuell sind. Ich habe sie mir letztens nochmal durgeschaut. Da geht es zum Teil um die Geschichte der Zensur in Deutschland. Das andere Programm heißt „Die beleidigte Republik” und dreht sich darum, dass sich alle nur noch als Opfer sehen – auch sehr aktuell. Daran muss ich eigentlich gar nicht viel ändern. Das Problem auf der Bühne ist, dass man sie schon sehr weit im Voraus buchen muss und Filmdrehs immer wahnsinnig kurzfristig sind. Das bedeutet, dass das kollidiert. Man muss sich wirklich die freie Zeit nehmen. Nächstes Jahr mache ich aber etwas an der Komischen Oper in Berlin, worauf ich mich wahnsinnig freue. Endlich wieder auf der Bühne mit einem Orchester arbeiten! Was die ganzen Kabarett-Chanson-Abende angeht, merke ich schon, dass darin mein Herzblut steckt und ich wieder mal ran muss. Ich freue mich total darauf.

Die Fragen stellte André Wesche.

 

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