Ehrengrab für einstigen Oberbürgermeister mit Spenden geschaffen

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1938

Mit einer Feierstunde im Kolumbarium auf dem Hauptfriedhof würdigte die Stadt Gotha den 200. Geburtstag von Oberbürgermeister Carl Heinrich Hünersdorf, der von 1854 bis 1890 die Geschicke der Stadt Gotha gelenkt hatte. Da sein Grab in Gotha nach der Räumung des Friedhofs an der Eisenacher Straße nicht erhalten geblieben war, hatte Oberbürgermeister Knut Kreuch zahlreiche Firmen und Personen um Spenden gebeten, um damit einen Gedenkort auf dem Gothaer Hauptfriedhof zu errichten. Mit den Spenden von neun Gothaer Unternehmen, vier Einzelpersonen und zwei Vereinen, sowie einem Eigenanteil der Stadt Gotha, sind insgesamt rund 10.000 Euro zusammengekommen, mit denen ein Ehrengrab für den Gothaer Ehrenbürger durch Diplom-Bildhauer Torsten Ihlenfeld geschaffen wurde.

Carl Heinrich Hünersdorf wurde in Zierenberg als Sohn des späteren hessischen Landrates Friedrich Ludwig Hünersdorf und seiner Ehefrau Katharine Wilhelmine geboren und wuchs in Kassel auf. Er studierte an den Universitäten in Marburg und Heidelberg Rechts- und Staatswissenschaften und trat schließlich als Jurist in den kurhessischen Staatsdienst ein. Am 1. Mai 1844 wurde er Gerichtsassessor in Fulda. Vier Monate später, am 4. September 1844, heiratete er Sophie Breidenbach, die 1845 ihren Sohn Ludwig Adolph zur Welt brachte. Ein Jahr später wurde Hünersdorf Richter im Strafsenat des Obergerichts Hanau.

Hünersdorf arbeitete später schließlich als Rechtsanwalt, interessierte sich aber besonders für die Kommunalpolitik. Im Jahre 1852 bewarb er sich um das Amt des Hanauer Oberbürgermeisters. In der Stadtverordnetenversammlung überzeugte er mit seinen Vorstellungen zur Stadtentwicklung und wurde am 21. Oktober 1852 mit großer Mehrheit zum Oberbürgermeister gewählt. Dieses Amt konnte er jedoch nicht antreten, weil die Ernennung vom Kurfürsten abgelehnt wurde. Im November des Jahres 1853 wurde Hünersdorf schließlich in Kassel als Stadtsekretär eingestellt.

Zu jener Zeit ging in Gotha Bürgermeister Thankmar Bieber in den richterlichen Dienst zurück, wodurch das Amt vakant wurde und für den Sommer 1854 eine Bürgermeisterwahl ausgeschrieben wurde. Hünersdorf bewarb sich drei Tage vor der Wahl um das Amt. Er überzeugte die Gothaer Stadtverordneten mit seiner Bewerbung am 8. September und wurde bereits am 12. September von Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha für das Amt des 1. Bürgermeisters bestätigt. Am 26. September 1854 zog er mit seiner Familie von Kassel nach Gotha.

Gotha war zu Hünersdorf’s Amtsantritt bereits ins industrielle Zeitalter eingetreten, die Einwohnerzahl wuchs ständig, die von Arnoldi gegründeten Gothaer Versicherungen trugen den Namen der Stadt in die Welt. Hünersdorf übernahm seine Aufgabe in einer Epoche, in der es galt, die kommunale Selbstverwaltung der Stadt aufzubauen, sie aus der Enge staatspolitisch-monarchischer Zwänge herauszuführen und ihr damit ein neues Selbstwertgefühl als Industrie- und Wohnstandort zu geben.

Carl Heinrich Hünersdorf gelang es, alle Interessengruppen einzubinden und er hatte in Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha einen Regenten zur Seite, der während seiner gesamten Dienstzeit die Staatsgeschäfte führte. Mit Staatsminister Camillo von Seebach wirkte Hünersdorf gemeinsam am ersten Volksschulgesetz für Deutschland, das 1863 in Kraft trat.

Seine bis 1890 dauernde 36-jährige Amtszeit war von einer rasanten Entwicklung der Stadt geprägt. Zunächst wurde unter seiner Ägide, im 15.000 Einwohner zählenden Gotha, 1854 der erste Kindergarten nach Fröbelscher Idee eröffnet, 1855 die Gasbeleuchtung auf den Straßen und im Theater eingeführt. Im Jahre 1858 wurde die Einführung von Straßennamen und die straßenweise Nummerierung der Häuser festgelegt. 1859 erbaute man die Sternwarte in der Jägerstraße und die Gymnasien wurden zum „Ernestinum“ verschmolzen. 1863 berief er den 1822 in Sankt Petersburg geborenen Architekten Ludwig Bohnstedt zum Bausenator der Stadt, eröffnete das damalige „Albertsbad“. 1864 kam es zur Bildung der Gothaer Feuerwehr und der Baustart für das Herzogliche Museum erfolgte. 1865, 1870 und 1881 wurden moderne und großräume Volksschulen errichtet, wie zum Beispiel die Myconiusschule in der Bürgeraue.

In die Amtszeit von Hünersdorf fiel dann der „Deutsche Krieg“ von 1866 mit der Schlacht bei Langensalza und der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71. Danach wurde Gotha von der Cholera und den Blattern heimgesucht. Zur Bekämpfung dieser Seuchen wurden umfangreiche Maßnahmen eingeleitet, so die Schaffung einer öffentlichen Wasserversorgung in den Jahren 1871 bis 1873. Rund um den 1870 errichteten Bahnhof Gotha-Ost wurden weiträumige Gewerbegebiete geschaffen. In den Jahren 1874 bis 1885 baute man die unterirdische Abwasserkanalisation, die zugleich Voraussetzung für die Errichtung von Mehrfamilienwohnhäusern war. Die stadtnahmen Wälder am Galberg und auf dem Kleinen Seeberg wurden aufgeforstet.

Nach dem Entstehen einer chirurgischen Klinik im Jahre 1868, baute man 1877 und 1878 dann das zunächst städtische, später verstaatlichte Krankenhaus, neben dem alten Siechenhaus und der Friedrichskirche an der Erfurter Landstraße. Damit wurde die Krankenpflege in Gotha aus der privaten Wohltätigkeitsarbeit heraus in kommunale Trägerschaft überführt. Anschließend entstand in der benachbarten Gemarkung das sogenannte Seebergviertel mit zahlreichen Einfamilien- und Miethäusern.

1878 wurde der spätere Hauptfriedhof eröffnet. Das auf ihm errichtete Krematorium, in dessen Kolumbarium wir uns heute befinden, konnte als erste funktionstüchtige Anlage in Europa in Betrieb genommen werden. Das erste Altersheim der Stadt Gotha wurde 1880 errichtet, die Gotthardschule 1881 eingeweiht, bevor 1889 das Postgebäude entstanden ist.

Anlässlich seines 65. Geburtstages im Jahre 1882 wurde Carl Heinrich Hünersdorf vom Herzog der Titel des Oberbürgermeisters verliehen. Mit seiner Pensionierung im Jahre 1890 wurde Hünersdorf eine besondere Ehre zu teil, er wurde für seine großen Verdienste um die Entwicklung der Stadt zum Ehrenbürger Gothas ernannt. Er hatte wie kein Zweiter die Stadt Gotha kommunal- und sozialpolitisch geprägt, hatte im Stadtbild unverkennbare Spuren hinterlassen und am Ende seiner Amtszeit eine Verdoppelung der Einwohnerzahl konstatieren können.

Anlässlich der Goldenen Hochzeit des Ehepaares Hünersdorf am 4. September 1894 wurde die vom Rathaus zur Querstraße führende Fleischgasse in Hünersdorfstraße umbenannt. Damit wurde einerseits die Leistung Carl Heinrich Hünersdorfs als Oberbürgermeister, andererseits auch die seiner Frau Sophie gewürdigt, die sich um die Armen- und Wohlfahrtspflege in der Stadt verdient gemacht hatte.

Carl Heinrich Hünersdorf starb am 21. Februar 1897. Er wurde auf dem Friedhof an der Galbergstraße, dem damaligen „Friedhof IV“ beigesetzt. Nach der Aufgabe dieses Friedhofes wurde seine Urne im Kolumbarium auf dem Hauptfriedhof aufbewahrt, doch der rüde Umgang mit dem liberalen Erbe im Sozialismus der DDR führte dazu, dass auch die sterblichen Überreste des Gothaer Ehrenbürgers die Zeiten nicht überstanden haben und die Urne leider als verschollen gilt. Selbst die Hünersdorfstraße wurde 1946 zunächst umbenannt und konnte erst 1990 ihren Namen zurückerhalten.

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