Nicht nach Tarif bezahlt: 5,57 Euro weniger jede Stunde

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Gotha (red/NGG, 4. November). Beschäftigten, die im Kreis Gotha nicht nach Tarif bezahlt werden, entgehen je nach Beruf und Betrieb monatlich mehrere hundert Euro. Darauf hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Thüringen mit Blick auf neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes hingewiesen.

Im Freistaat verdienen danach Beschäftigte, die in tarifgebundenen Unternehmen arbeiten, im Schnitt 18,07 Euro pro Stunde. In Betrieben ohne Tarifvertrag sind es lediglich 12,50 Euro.

„Wie wichtig Tarifverträge sind, zeigt sich gerade auch in der Corona-Krise. Im Zuge von Hamsterkäufen haben Arbeitnehmervertreter etwa beim Thüringer Zwieback-Hersteller Brandt und bei Filinchen-Knäckebrot dafür gesorgt, dass zusätzliche Belastungen erträglich bleiben – zum Beispiel durch Arbeitszeitkonten“, berichtet Jens Löbel.

Auf der anderen Seite zeige sich, dass der Verzicht auf tarifliche Standards keine Arbeitsplätze rette, so der Gewerkschafter mit Blick auf die geplante Werksschließung bei der Wiener Feinbäckerei Heberer in Weimar. „Dort haben Beschäftigte wegen Corona in diesem Jahr auf Lohnsteigerungen verzichtet – als Dankeschön sollen jetzt rund 70 Stellen wegfallen“, kritisiert Löbel.

Besonders angespannt sei die Lage derzeit im Hotel- und Gaststättengewerbe. Beschäftigte in der Branche, die keinen Tarifvertrag oder Betriebsrat hätten, seien deutlich häufiger von existentiellen Nöten betroffen – bis hin zur Sorge um ihren Arbeitsplatz.

Der Gewerkschafter ruft die Unternehmen im Lebensmittel- und Gastgewerbe dazu auf, sich gerade in Pandemiezeiten zu Tarifverträgen zu bekennen. Durch faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen könnten sie Fachpersonal halten, das auch nach der Krise dringend gebraucht werde.

Zugleich profitiere die öffentliche Hand: Nach einer DGB-Studie würden die Einnahmen durch die Einkommenssteuer in Thüringen um 952 Millionen Euro steigen, wenn alle Beschäftigte nach Tarif bezahlt würden. Die Sozialversicherungen kämen auf ein Plus von 1,6 Milliarden Euro. Die Kaufkraft von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern würde sogar um 2,2 Milliarden Euro wachsen. Die Ergebnisse der Studie sind im hier abrufbar.

Nach Angaben des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung galt in Thüringen zuletzt für 45 Prozent aller Beschäftigten ein Tarifvertrag. „Die sinkende Tarifbindung ist auch dafür verantwortlich, dass die Einkommenszuwächse trotz der vergangenen Boom-Jahre vergleichsweise dürftig ausfielen“, urteilt Löbel.

Laut Statistischem Bundesamt wuchsen die Bruttoverdienste Vollzeitbeschäftigter im Freistaat zwischen 2010 und 2019 preisbereinigt um 13,7 Prozent.

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