Oscar-Kolumne „Aschenbrennereien“: …pardon; ich habe mich verwählt

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2000

Von Rainer Aschenbrenner

 

Der 15. April 2018. Ein Sonn- und Wahltag. Und ein Männertag.
Um acht Bürgermeister- und einen Landratsjob streiten 27 davon. Keine einzige Frau wollte mitmachen.

Warum nicht?

(K)eine Wahl haben die Tambach-Dietharzer: Amtsinhaber Marco Schütz tritt wieder an. „Entweder – oder“ heißt es in Waltershausen – seit dem vorigen Jahrtausend Brychcy-City –, in der VG Hörsel, und in Laucha.
Ein flotter Dreier – dabei: der Rathauschef – buhlt in Friedrichroda um die Stimmen.
Ein Quartett wirbt um die Gunst der Gothaer, wo’s der ewige Knut wieder wissen will.
Fünf Bewerber warfen in Ohrdruf ihren Hut in den Ring. Alle zögen unverbraucht ins Amt.
Und sechse kommen zwar nicht durch die Welt, aber einer von ihnen ins Gothaer Landratsamt, um Gießmanns Erbe anzutreten.

Der 15. April 2018. Erstmals dürfen 2.313 16- und 17-Jährige im Landkreis mitbestimmen, kommen zu den 110.000 Wahlberechtigten hinzu, können übers kommunale Wohl und Wehe entscheiden.

Wenn sie alle nur wollten…

Bei den 2012er Oberbürgermeisterwahlen in Gotha lag die Wahlbeteiligung bei 46,8 %, bei der Landratswahl bei 47,5 %. Jeder Zweite blieb also fern.

Ich kann mich nicht erinnern, dass danach Ursachen für diese Wählerflucht gesucht wurden.

Wieso ließ uns das alle unberührt, dass ausgerechnet die Kommunalpolitik immer weniger motiviert, wählen zu gehen? Ist das nicht widersinnig?

Direkt vor unserer Haustür wird dies und jenes gemacht, manches unterlassen. Doch offensichtlich interessiert sich keine Mehrheit mehr dafür, wer da was und warum tut.

Alle, die sich nun der Wahl stellen, haben Wahlprogramme – das kürzeste Stephan Müller. Der Ex-CDU- und jetzige AfD-Mann fürs Landratsamt, formulierte: „Den Leuten soll es im Landkreis Gotha gut gehen, Sie sollen sich zu Hause fühlen, dafür setze ich mich ein.“ Das ist original, ungekürzt, nicht korrigiert.

TA und TLZ stellen die Kandidaten vor. Manche putzen Klinken, machen Tür-zu-Tür-Wahlkampf. Das Internet bietet Webseiten, auf denen Argumente hören kann, wer nicht lesen will. Auf Facebook finden sich Fanseiten voller Bilder, die die Kandidaten mit X. oder Y. in Z. zeigen.

Ungekürzte Mitschnitte von den Kandidatenrunden in Ohrdruf, denen zur OB-Wahl und um Gießmanns Nachfolge stehen im Internet – auf der „Oscar- am Freitag“-TV-Seite (www-oscar-am-Freitag.de) und im Youtube-Kanal des Gothaer Lokalfernsehens.

Man kann sich umfassend informieren. Wirklich.

„Was aber, wenn niemand mich überzeugt?“ Diese Frage gab ich an Amtsanwärter weiter: „Selbst kandidieren“, echote es zweimal. Nicht praktikabel, weil das Kapitel abgeschlossen ist. Ein anderer wollte persönlich betreuen. Weil es nie zu 100 % passe, sollte man kompromissfähig sein, lautete der nächste Rat – auch damit die politischen Ränder nicht gestärkt würden. Zumindest Stimme ungültig machen, schlug ein weiterer vor.

Für mich zeigt diese Momentaufnahme: Wir haben keine Volksparteien mehr. Wir brauchen also ein anderes Wahlsystem. Modelle jenseits der Grenzen gibt es viele.

Dass am Ende nur die Wahl bleibt, nicht wählen zu gehen, alternativ fürs kleinere Übel zu stimmen oder – völlig wirkungslos! – seine Stimme ungültig zu machen, hinterlässt einen unglücklichen und unzufriedenen Aschenbrenner.

1 KOMMENTAR

  1. Eine niedrige Wahlbeteiligung kann auch auf lethargische Zufriedenheit schließen.
    Ob ein anderes Wahlsystem etwas ändern würde?

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