Die Aufregungen rund um den Thüringentag und seine Organisatoren
Die gute Nachricht: Der Thüringentag in Gotha vom 2. bis 4. Mai 2025 ist genehmigungsfähig. Das haben Oberbürgermeister Knut Kreuch und der Generalbevollmächtige für das Festjahr „1250 Jahre Gotha“, Candy Wetterhahn, offiziell bestätigt. Das war Mitte Februar noch anders, denn der inzwischen abberufene Geschäftsführer Enrico Heß hatte die zwingend notwendigen Zuarbeiten für die Genehmigungsbehörden nicht bereitgestellt und wichtige Sponsorenverträge nicht unterschrieben. Enrico Heß wird das an anderer Stelle später bestreiten, kann aber nichts beweisen. Die von OB Kreuch genannten Fakten widersprechen Heß sehr klar.
Enrico Heß aber wollte diese Abberufung nicht unkommentiert hinnehmen. Schnell schickte er mehreren Journalisten sein Zwischenzeugnis zu, das am 8.1.2025 von Martin Illhardt, Geschäftsführer der Gothaer Stadtwerke GmbH und Gesellschafter KulTourStadt Gotha GmbH, unterschrieben worden war. Heß hatte darum zuvor gebeten – was gängig, aber dennoch ein Indiz dafür ist, dass er sich möglicherweise beruflich umorientieren möchte. Heß war seit 1. April 2023 Geschäftsführer der KulTourStadt Gotha GmbH, einem Unternehmen der Gothaer Stadtwerke Gruppe.
Illhardt konnte die Details bei der KulTourStadt nicht kennen, da er auch verantwortlich ist für eine Reihe weiterer städtischer Unternehmen. Er wird, wie alle Zeugnisschreiber, auf Zuarbeit angewiesen gewesen sein. Wer das war oder ob Enrico Heß sich selbst wesentliche Teile des Zeugnisses geschrieben hat, wissen wir nicht und wollen auch darüber nicht spekulieren.
Auf dieses überschwänglich lobende Zwischenzeugnis verwies Heß auch gegenüber dem Autor dieses Artikels, Bernd Seydel. Auf die Rückfrage, wie er sich seine Abberufung Mitte Februar erklären könne, blieb er die Antwort schuldig. Ihm sei seine gute Reputation wichtig, die natürlich durch das vorzeitige Beenden seines Arbeitsvertrags in Frage stehen könnte.
Wie immer auch die Wege gewesen sein mögen, dieses Zwischenzeugnis geriet auch an Josh Groeneveld. Er ist Leitender Redakteur im Politik- und Investigativressort von Business Insider Deutschland GmbH. Diese Gesellschaft wird dominiert von verschiedenen Gesellschaften des Axel Springer Konzerns.
Am 14. März veröffentlichte Groeneveld einen ausführlichen und sehr reißerisch formulierten Artikel zum Fall Heß, der uns in vollständiger Länge vorliegt. Dieser Beitrag, mittlerweile auch beim Springer-Medium welt.de platziert, wurde unter anderem von dpa Erfurt aufgegriffen und mit eigenen Recherchen verbunden. Diese kurze Meldung wiederum wurde von verschiedenen Medien in Deutschland übernommen. Sie enthält aber Ungenauigkeiten, die ganz im Sinne der Aussagen von Business Insider sein dürften.
Der Artikel von Business Insider wurde auch von der Thüringer Allgemeinen aufgegriffen. In der Ausgabe von Samstag, dem 15.3.2025, verweist Tobias Leiser auf zahlreiche Passagen darin, ohne aber eine nennenswerte Einordnung des Artikels von Groeneveld vorzunehmen. Groeneveld eröffnet seinen Artikel mit der Knallerüberschrift: „Korruptionsvorwürfe, Überwachung, LKA-Ermittlungen: Das größte Volksfest in Thüringen wird zum Krimi“. Bei Tobias Leiser klingt die Überschrift ähnlich, aber verhaltener: „Vor Thüringentag in Gotha: Korruptionsvorwürfe bei Kultourstadt“.
Korruptionsvorwürfe hatte bis dahin niemand formuliert. Groeneveld ist der erste, der dieses Thema anspricht. Dabei kann von wirklichem Investigativjournalismus bei ihm keine Rede sein. Sein Artikel enthält zahlreiche Ungenauigkeiten und Fehler. Argumentativ hält er sich präzise an das Muster, das Enrico Heß auch anderen gegenüber genutzt hat: sein überragendes Zwischenzeugnis, aus dem ausführlich zitiert wird. Durchweg werden Sachverhalte bei Business Insider so verkürzt und gleichzeitig zugespitzt, dass ein komplett anderer Eindruck entsteht als der, der sich anderen unbeteiligten, aber kritischen Beobachtern von außen zeigt. Zum Krimi wird zurzeit gar nichts.
Business Insider behauptet: „Heß‘ plötzliche Freistellung ist nur eine Episode eines Machtkampfes, der seit Monaten rund um den Thüringentag ausgetragen wird.“ Die Sachlage ist komplett anders. Zentrale Figur dabei: Candy Wetterhahn.
Candy Wetterhahn war seit 2016 Mitarbeiter bei der KulTourStadt Gotha GmbH. Im August letzten Jahres wird ihm von Enrico Heß gekündigt. Vorausgegangen war, dass Wetterhahn von Heß Entscheidungsbefugnisse gefordert hatte, die er für das Alltagsgeschäft der Organisation des Thüringentags brauchte – weil sein Chef Heß keine Entscheidungen traf. Wetterhahn ging es um Sachfragen und Organisation – aber niemals um Macht. Diese Unterscheidung wird im Business Insider nicht vorgenommen. Auch OB Kreuch ist in keiner Weise in irgendeinen Machtkampf verwickelt, der von Groeneveld herbeigeschrieben wird. Er ist Oberbürgermeister. Er muss nicht mit Heß kämpfen.
Zwei weitere Punkte werden im Business Insider aufgeführt – wieder verkürzt, zugespitzt und ohne den notwendigen Zusammenhang. Zur Sachlage: Seit mehr als 20 Jahren organisiert Wetterhahn Feste in Gotha und übernimmt im Auftrag der örtlichen Brauerei auch die Getränkeversorgung. Seit 2010 macht er das in Verbindung mit städtischen Festen. Dieser Sachverhalt ist vor Ort hinlänglich bekannt. Er wurde im nichtöffentlichen Teil des Gothaer Stadtrates wie auch im Aufsichtsrat diskutiert und war Inhalt von Bürgeranfragen. Durchweg konnte deutlich gemacht werden, dass es dabei keinen Interessenkonflikt zwischen der KulTourStadt Gotha GmbH, der Stadt Gotha und Wetterhahn gibt. Heß selbst war das alles bekannt – und es wurde von ihm bis Mitte 2024 gebilligt.
Josh Groeneveld konstruiert daraus nun einen Machtmissbrauch, den er vollmundig meint, aufdecken zu können. Er nennt das Korruption. Warum er alles so zuspitzt, bleibt sein Geheimnis. In Wahrheit sind das stadtbekannte Tatsachen, die schon lange niemanden mehr aufregen, weil sie geklärt und öffentlich sind.
Und dann kommt das LKA ins Spiel. Nein, das Landeskriminalamt hat nicht von sich aus Ermittlungen aufgenommen. Doch schauen wir mal genauer hin. Candy Wetterhahn installiert in seinem Büro bei der KulTourStadt Gotha GmbH ein Wildtierkamera, die er mitten auf dem Tisch positioniert. Nein, richtig geschickt ist das nicht. Protokolliert wird das vom Pressesprecher des Thüringentags, Maik Schulz, und einer Zeugin. Bilder dieser Kamera werden später zeigen, wie eine Person (Name ist der Redaktion bekannt) in diesem Zimmer aktiv ist.
Business Insider konstruiert daraus in einem ersten Satz die Überwachung aller Geschäftsräume bei der KulTourStadt Gotha GmbH. Im Folgesatz wird nur noch auf das Geschäftsführerzimmer, was jetzt von Candy Wetterhahn genutzt wird, verwiesen. Solche Ungenauigkeiten haben Methode. Die Lesermeinung soll in eine bestimmte, emotional aufgeladene Richtung gelenkt werden. Man kann das ruhig vorsätzliche Manipulation nennen.
Und wie kommt das LKA dabei ins Spiel? Auf einer Internetseite des MDR Thüringen wird der Bericht vom Business Insider aufgegriffen und mit einer eigenen Recherche erweitert. „Oberbürgermeister Knut Kreuch sagte MDR THÜRINGEN, dass sich die Stadt beim Datenschutzbeauftragten des Landes selbst angezeigt habe … Kreuch betonte, dass das Büro von Wetterhahn kein öffentlicher Raum ist. Trotzdem sei ihm die Aktion aus Datenschutzgründen am Ende ‚zu heiß‘ gewesen. Deshalb die Selbstanzeige.“
Pech für den Business Insider. Die Selbstanzeige nimmt aus der ganzen Sache die Luft raus. Groeneveld ist dieser Sachverhalt nicht bekannt oder er verschweigt ihn bewusst. Er passt einfach nicht in seine Krimi-Erzählung rund um den Thüringentag. Ist er vielleicht doch nur ein Business Outsider?
Es gibt noch zahlreiche andere Konstruktionen in diesem scheinbaren Enthüllungsbericht. Sie orientieren sich nicht an Tatsachen, sondern an der eigenen Logik, an bewussten oder unbewussten Falschaussagen, an Unkenntnissen und an der durchgängigen Absicht, einen Schuldigen zu benennen: Candy Wetterhahn.
Doch an einer Stelle erreicht dieser Bericht genau das, was er will: Verunsicherung, Empörung, Schuldzuweisung, Skandal. Er passt damit wunderbar in das Drehbuch, das sich auch Enrico Heß wünscht und das er selbst mit seiner Reputation benennt.
Doch zum Glück lassen sich nicht alle Menschen von ihm einschüchtern. Von den 36 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die während seiner 22-monatigen Geschäftsführerzeit aus unterschiedlichen Gründen die KulTourStadt Gotha GmbH verlassen haben, hatte nur einer den Mut und die Bereitschaft, sich seinem manipulativen Mitarbeiterumgang entgegenzustellen: Candy Wetterhahn. Fluktuation bei Mitarbeitern ist normal, aber in diesem Ausmaß ziemlich ungewöhnlich. Business Insider verdreht auch an dieser Stelle die Tatsachen und lastet sie Candy Wetterhahn an.
Fazit:
Der Krimi von Gotha ist keiner. Es ist eine Summe unschöner, manchmal auch ungeschickter Verhaltensweisen – doch in seinem Kern ist es eine 22 Monate währende Untätigkeit eines Geschäftsführers, der ein Zwischenzeugnis dafür nutzt, sich quasi heilig zu sprechen und anderen Schuld zuzuweisen. Der es versteht, konsequent und sehr überzeugend immer wieder zu behaupten, dass er alles im Griff habe. Noch im Oktober 2024 hatte er in einer Pressekonferenz des Oberbürgermeisters öffentlich gesagt, dass die Vorbereitungen zum Thüringentag bestens laufen würden. Doch schon zu diesem Zeitpunkt war zum Beispiel der Sponsorenvertrag mit Paulaner noch nicht unterschrieben. Und der es immer wieder schafft, mit manipulativem Verhalten andere Menschen für seine Absichten zu gewinnen – auch wenn das auf Kosten der Wahrheit geht. Mitte Februar platzte dann die Bombe, OB Kreuch zog in letzter Minute die Reißleine und verfügte die Abberufung von Heß als Geschäftsführer.
Wir alle sollten uns also nicht an herbeigeredeten Skandalberichten erregen, sondern uns vielmehr auf einen Thüringentag freuen, der für Gotha ein wichtiges Ereignis ist. Mit Candy Wetterhahn und seinem Team stehen die Aussichten darauf wieder auf Erfolg.
Autor: Dr. Bernd Seydel
Transparenzhinweis: Der Verlagsleiter des MSB Verlags, der auch diese Website herausgibt, arbeitet vom 1. Januar bis 4. Mai als Pressesprecher des Thüringentages. Deshalb hat die Redaktion die Berichterstattung an den Journalisten Dr. Bernd Seydel ausgelagert, der sie autark verantwortet.
„Richtig geschickt ist das nicht“
Ob der Autor des Artikels das genau so sehen würde, wenn er ohne seines Wissens von seinem Arbeitgeber überwacht wird?!
Sie verharmlosen den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und versuchen mit der Selbstanzeige von Herrn Kreuch zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist:
Wie kann Herr Wetterhahn nach dieser Aktion, die mit Freiheitsstrafen mit bis zu 3 Jahren belegt werden kann, ohne Konsequenzen noch im Amt sein? Gelder der Bürger der Stadt Gotha anvertraut bekommen?
Dieser Vorfall für sich allein genommen, schafft Misstrauen in neuen Dimensionen und sollte dem Oberbürgermeister ausreichen, um für seine Wähler:innen deutliche Zeichen zu setzen: so geht es nicht weiter, Vertrauen schafft man durch Tatsachen. Also: Wie kann Herr Wetterhahn seinen Job noch ausüben dürfen? Wie kann unser OB noch in den Spiegel sehen?
Denn sonst gibt es am Ende vielleicht einen erfolgreichen Thüringentag, aber danach einen Imageschaden für Kreuch und die Stadt Gotha, der jedes Fest überstrahlen wird.
Wir verweisen einmal darauf: Es war eine Kamera im Geschäftsführer-Zimmer. Und deshalb auch keine Überwachung von Mitarbeitern in öffentlich zugänglichen Räumen. VG aus der Redaktion.
Tatsächlich finde ich diese Darstellung wesentlich seriöser als die anderen.
Und glaube auch, dass Herrn Kreuch in dieser Hinsicht mehr angelastet werden soll, als er sich hat zu Schulden kommen lassen. Und das sage ich, obwohl ich Herrn Kreuch nicht mehr in diesem Amt sehen möchte. Aber aus anderen (langjährigen) Gründen.
Die Kamera heimlich aufzustellen ist natürlich verwerflich und gehört auch strafrechtlich verfolgt. Die DSGVO, BDSG, und glaube auch das ThürDSG, sind da ziemlich eindeutig was ein Verstoß nach sich zieht. Ob es eine Kündigung rechtfertigt würde ich aber dem Gericht überlassen.
Eine Selbstanzeige ist lt den Gesetzen auch Vorschrift.
Btw, Herr Seydel, das Y ist im DM oben auf der Tastatur. 😅