Das Handy als Ernährungsberater

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Prof. Dr. Stefan Lorkowski , Professur für Biochemie der Ernährung, Institut für Ernährungswissenschaften, Friedrich-Schiller-Universität , aufgenommen am 25.08.2011 in Jena. Foto: Anne Günther/FSU

Der Kompetenzcluster für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit (nutriCARD) der Universitäten Halle, Jena und Leipzig hat eine Smartphone-App entwickelt, die Nährwerte von verarbeiteten Lebensmitteln bewertet. Die „nutriCARD“-App basiert auf der Nährwert-Ampel „Nutri-Score“ und liefert genaue Daten zu Inhaltsstoffen, Nährwerten und bedenklichen Zutaten von Lebensmitteln, wie Joghurt, Keksen oder Limonaden. Eine leicht verständliche fünfstufige Farb- und Buchstabenskala bewertet die Lebensmittel auf Basis wissenschaftlich fundierter Algorithmen.

Jena (14.08.19) Wie können Verbraucher auf einen Blick gesundheitsfördernde von eher gesundheitsschädlichen Produkten unterscheiden? In der aktuellen Debatte um eine Nährwertkennzeichnung auf Lebensmitteln bietet der Kompetenzcluster für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit (nutriCARD) Halle-Jena-Leipzig Verbraucherinnen und Verbrauchern mit einer Smartphone-App jetzt leicht verständliche Informationen und Service in Sachen Ernährung an. Seit 2015 arbeiten in dem Verbund Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern und der Zunahme ernährungsmitbedingter Krankheiten entgegenzuwirken. „Mit der nutriCARD-App gelingt uns ein Brückenschlag von der Forschung zum Verbraucher“, sagt Clustersprecher Prof. Dr. Stefan Lorkowski von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „So wird das Handy zum mobilen Ernährungsberater.“

 

Um Informationen über Lebensmittel zu erhalten, müssen die künftigen App-Nutzer lediglich den Barcode auf der jeweiligen Verpackung scannen. Auf einen Blick lassen sich dann Informationen über Nährwerte, eventuelle Warnungen und umstrittene Zutaten ablesen. Auch die Eignung des Lebensmittels für bestimmte Ernährungsgewohnheiten (z. B. vegetarische oder vegane Ernährung), das Vorhandensein von Allergenen (z. B. Nüsse, Ei, Soja) oder Unverträglichkeiten auslösenden Inhaltsstoffen (z. B. Gluten, Milchzucker) lassen sich testen.

 

Lebensmittelhersteller sollen Daten öffentlich machen

Die Bewertung erfolgt anhand von Nährwertdaten aus einer Datenbank der in Deutschland verfügbaren Lebensmittel, in der derzeit rund 300.000 Produkte und 33.000 Zutaten verzeichnet sind. „Es gibt natürlich wesentlich mehr Produkte auf dem Markt, doch nicht alle Hersteller stellen ihre Daten zur Verfügung“, sagt Dr. Christine Dawczynski von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die an der App-Entwicklung mitgewirkt hat. Im Sinne der Verbrauchertransparenz fordern Dawczynski und Lorkowski daher zugleich die Hersteller auf, ihre Daten in einer öffentlichen Datenbank frei zugänglich zu machen, um den Verbrauchern einen Vergleich beim Einkaufen zu ermöglichen.

 

Wissenschaftliche Basis der Nährwertanalyse ist der „Nutri-Score“. Für die Berechnung des „Nutri-Scores“ werden erwünschte und weniger erwünschte Inhaltsstoffe eines Lebensmittels verrechnet. Erwünscht im Sinne einer ausgewogenen Ernährung sind beispielsweise Eiweiße, Ballaststoffe, Gemüse und Früchte. Weniger erwünscht sind Kalorien, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz. Der „Nutri-Score“ bilde damit die Nährwertqualität für einzelne Lebensmittel umfassend ab, so Clustersprecher Lorkowski. Während in einigen europäischen Ländern der „Nutri-Score“ bereits auf Lebensmittelverpackungen verwendet wird, stehe eine solche Entscheidung in Deutschland jedoch noch aus. „Tests in der Praxis haben gezeigt, dass der Nutri-Score Verbraucher zu einer gesünderen Produktauswahl bewegt“, weiß Ernährungswissenschaftler Lorkowski. Und genau das wollen er und seine Kollegen mit der neuen App unterstützen.

 

Künstliche Intelligenz und menschliche Expertise

Entwickelt wurde die „nutriCARD“-App gemeinsam mit dem jungen Berliner IT-Unternehmen Baggid. Das Unternehmen hat sowohl die Datenbank gestellt, als auch die nötigen Algorithmen entwickelt, um den Nutri-Score automatisiert berechnen zu können. „Dank künstlicher Intelligenz und menschlicher Expertise sind wir in der Lage, alle Arten von Lebensmitteln zu analysieren und mit medizinischen Vorgaben, Kundenwünschen und Ernährungsempfehlungen abzugleichen, um auch individuelle Ernährungsempfehlungen zu erstellen“, sagt Geschäftsführer Sinan Theuvsen. Er sieht in der „nutriCARD“-App großes Potenzial, da sie noch um zusätzliche Features ergänzt werden kann. „Wir arbeiten schon am nächsten Update. Darin soll auch positiv berücksichtigt werden, wenn ein Produkt einen mehr als 40-prozentigen Anteil an Obst, Gemüse und Nüssen enthält. Das geht momentan auf Grund fehlender Daten der Hersteller leider noch nicht.“

Hintergrund nutriCARD

Der Kompetenzcluster für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit (nutriCARD) Halle-Jena-Leipzig bündelt die Aktivitäten im Bereich der grundlagennahen und der angewandten Ernährungsforschung der im mitteldeutschen Unibund kooperierenden Universitäten Halle, Jena und Leipzig. „nutriCARD“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 2015 gefördert. Rund 40 Forschende und 80 Praxispartner arbeiten an der Entwicklung effizienter Konzepte für eine nachhaltige Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen – der Todesursache Nummer eins in Deutschland und Europa. Ein wesentlicher Baustein dafür ist eine verbesserte Ernährungskommunikation und -bildung.

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