Kyrill forcierte forstliche Trendwende

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Orkansturm Kyrill „rasierte“ vor 15 Jahren ganze Berghänge weg - wie hier im Thüringer Forstamt Finsterbergen: Foto: Horst Sproßmann/ThüringenForst

Gotha (red/hs, 18. Januar). Es war die Nacht vom 18. auf den 19. Januar 2007, die sich nicht nur in Thüringen, sondern auch vielerorts in Europa in das kollektive forstliche Gedächtnis vieler Waldbesitzenden einbrannte.

Von Westen zog, Tage zuvor angekündigt, ein Orkantief über Mitteldeutschland, dessen unglaubliche Zerstörungskraft nicht nur Wäldern übel mitspielte, sondern auch Wohngebäuden und der Verkehrsinfrastruktur. Ein Zehntel des 35 Mio. Festmeter umfassenden, bundesdeutschen Schadholzanfalls lagen in Thüringen am Boden. Rund 12.000 Hektar Wald wurden zerstört, insbesondere im mittleren Thüringer Wald und im Schiefergebirge. Damit zählte der Freistaat, neben Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz, zu den bundesweiten Schadensschwerpunkten. Die Aufarbeitung der Schäden im Wald forderte auch in Thüringen tragischerweise Tote und Verletzte.

Um gegen derartige Großschadereignisse und deren Folgen für die heimischen Forste künftig besser gewappnet zu sein, wurde der Waldumbau hin zu klima- und sturmstabilen sowie standortgerechten Mischwäldern forciert.

Waldumbau hin zu klima- und sturmstabilen Mischwäldern
„Im Staatswald wurden hierzu waldbauliche Anpassungsstrategien erprobt, das forstliche Risikomanagement ausgebaut und der Umbau hin zu klimastabilen und standortgerechten Mischwäldern mit hohem Laubholzanteil forciert“, so Volker Gebhardt, ThüringenForst-Vorstand.

Innerhalb von zwei Jahren waren die Wunden, die Kyrill in die heimischen Wälder gerissen hatte, saniert. Nach der Schadflächenberäumung, zu der Forstunternehmer aus ganz Europa in Thüringen monatelang tätig waren, erfolgte eine Wiederbewaldung mit einer konsequenten Mischwaldstrategie.

Ausgedehnte Walddickungen sind die heutigen Zeugen der damaligen erfolgreichen Katastrophenbewältigung. Wo möglich, wurde die natürliche Vermehrungskraft des Waldes genutzt und gezielt gefördert. Aber nicht nur die Mischungen mit vier, fünf Baumarten wurden angestrebt, auch deren stabile Strukturierung geriet verstärkt in den Fokus der Forstleute. Baumarten verschiedener Wuchskraft wurden gemischt, Pionierwälder aus Birken und Weiden in die Bewirtschaftung einbezogen und so auch die Biodiversität der neuen Waldstrukturen von Anfang an gefördert. „Inzwischen gibt es in Thüringen deutlich mehr Mischwälder und weniger sturmanfällige Fichtenbestände“, so Gebhardt weiter.

Thüringens Wälder zeigen mehr und mehr ein neues Gesicht
Über alle Eigentumsformen entstanden in Thüringens Wäldern rund 6.300 Hektar Schadfläche, 4.700 Hektar verlichtete Bestände und unzählige, verstreut liegende Einzelbrüche und -würfe. Eine Gesamtfläche knapp halb so groß wie die Mittelmeerinsel Malta. Diese Flächen waren Ausgangspunkt für eine neue Baumgeneration, die Thüringens Wälder mehr und mehr ein neues Gesicht geben: Jünger, gemischter, strukturierter, stabiler und klimaresilienter. Allein 2007/2008 pflanzte ThüringenForst 2,5 Mio. Jungbäumchen, davon rund 2 Mio. Laubbäume wie Eichen, Buchen, Eschen oder Ahorne.

Die jüngste Waldumbaudynamik, als Folge der klimabedingten Dürrejahre 2018 bis 2020, beginnt also nicht bei Null. Im Gegenteil: Die Weichen wurden spätestens und endgültig nach dem Orkansturm Kyrill gestellt. Und das ist auch gut so. Denn die seither gesammelten Erfahrungen lassen Waldbesitzende und Forstleute umso souveräner an den Lösungen arbeiten, die eine nachhaltige, naturnahe Waldbewirtschaftung eröffnet.

 

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