Der „aufgeklärte“ Mann und die Religion

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Geschlechtergeschichte: Historikerin der Universität Jena lädt vom 14.-16. September zu einer Tagung über „Religion und Männlichkeit in der Moderne“ ein

Jena (sl) Aufklärung sei der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit, postulierte der Königsberger Philosoph Immanuel Kant. Diese Unmündigkeit wird gern mit den Fesseln und Zwängen von Religion und Kirche gleichgesetzt. Während sich der „aufgeklärte“ Mann selbst von Religion und Kirche befreit habe, setzte zugleich eine zunehmende Feminisierung der religiösen Sphäre ein, so die vorherrschende Sicht der Kultur- und Sozialgeschichte der Religion.
Prof. Dr. Gisela Mettele von der Friedrich-Schiller-Universität Jena möchte diese tradierte Perspektive in mehrfacher Hinsicht hinterfragen. Feminisierung habe Männer keineswegs von religiösen Aktivitäten ausgeschlossen. In vielfältiger Weise sei Religion auch in modernen Gesellschaften ein wichtiger Faktor männlicher Identität und stehe dabei nicht notwendigerweise im Widerspruch zur Vorstellung von Mündigkeit und Rationalität. Gerade das Zeitalter der Aufklärung sei weniger von einer prinzipiellen Ablehnung von Religion geprägt gewesen als vom experimentierfreudigen Suchen nach neuen religiösen Erfahrungen.

„Bei meinen Studien zur Herrnhuter Brüdergemeine fiel mir auf, dass auch Männer in jener Zeit ein intensives und überaus gefühlsbetontes Verhältnis zur Religion haben konnten“, sagt die Inhaberin des Lehrstuhls Geschlechtergeschichte. Sie nahm dies zum Anlass, in einem weiter gefassten Fokus der Frage nach den verschiedenen Bedeutungen von Religion für Männer und für männliche Rollenmodelle nachzugehen.

Vom 14. bis 16. September wird es dazu an der Universität Jena eine Tagung geben: „Religion und Männlichkeit in der Moderne – Neue interdisziplinäre und transnationale Forschungsperspektiven (18. bis 20. Jahrhundert)“. Gisela Mettele sagt: „Wir möchten auf der Tagung konfessions- und länderübergreifend nach dem vielschichtigen Verhältnis von Männlichkeit und Religion fragen.“ Der Blick richte sich sowohl auf Protestantismus und Katholizismus als auch das Judentum. Welche Rolle spielten „typisch weibliche“ Ideale und Tugenden, wie Demut, Selbstverleugnung und Frömmigkeit, für die Konstruktion religiöser Männlichkeit(en) in den verschiedenen Religionen und Konfessionen und welche Spuren hinterließ dies im Leben von Männern? Welche Diskurse prägen die Re-Maskulinisierungsbemühungen, die sich in allen drei Religionen beobachten lassen, etwa in der Verbindung von Religion und Sport? Welche länderübergreifenden Gemeinsamkeiten bzw. nationalen Unterschiede lassen sich hier feststellen? Diese und weitere Fragen sollen auf der Tagung diskutiert werden. Zeitlich wird ebenfalls ein weiter Bogen geschlagen: vom 18. bis ins 20. Jahrhundert. Die Jenaer Tagung wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert.

Am 14. September findet im Rahmen der Tagung ein öffentlicher Abendvortrag statt. Der Philosoph und Religionswissenschaftler Björn Krondorfer (Maryland), der international als der führende Experte im Fachgebiet der Tagung gilt, spricht um 18.15 Uhr in der Aula der Universität (Fürstengraben 1) zum Thema „Männer und Männlichkeiten in Christentum und Judentum“. Zu diesem Vortrag ist die interessierte Öffentlichkeit herzlich eingeladen, der Eintritt ist frei. Für die Teilnahme an der Tagung am Donnerstag und Freitag ist eine Anmeldung erforderlich bis zum 6. September bei: claudia.brauer@uni-jena.de.

Das vollständige Tagungsprogramm ist zu finden unter: http://www.histinst.uni-jena.de/histinstmedia/_users/Multimedia+Geschlechtergeschichte/Tagungsprogramm+Religion+und+Maennlichkeiten.pdf

Foto: Anne Günther/FSU: Prof. Dr. Gisela Mettele