Der Sieg des David gegen Goliath

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Wir haben es in der Gothaer Internetzeitung bereits kurz nach Spielschluss berichtet: Der VC Gotha sorgte mit seinem 3:2 (-32; 26; 22; -17; 11) Sieg gegen den 12-fachen Deutschen Meister und ehemaligen Champions-League Gewinner VfB Friedrichshafen für eine Riesensensation.

„Das Spiel dauert keine 60 Minuten“ oder „Gotha holt in keinem Satz mehr als 20 Punkte“, so oder so ähnlich lauteten vielfach die Prognosen zum Spiel. Am Ende aber standen nach über zwei Stunden Spielzeit, drei gewonnene Sätze und damit ein denkwürdiger Sieg für den krassen Außenseiter zu Buche. Die Zuschauer, leider waren es an diesem Donnerstagabend nur knapp 400, erlebten jedenfalls ein sensationelles Spiel und jeder, der diesmal nicht dabei war, verpasste großen Sport.

Das Spiel begann zunächst erwartungsgemäß. Der Meister, der mit „voller Kapelle“ antrat, zeigte mit den ersten Punktgewinnen gleich Proben seines Könnens. Der VC kämpfte, konnte aber einen schnellen 5:10 Rückstand nicht verhindern. Die Initialzündung war der Punktgewinn zum 8:12, als „Jak“ Ratajczak den bis dahin längsten und schönsten Ballwechsel mit einem Schnellangriff erfolgreich abschloss. Danach gelang es den Gastgebern immer öfter, den VfB-Block mit schnellen Kombinationen auszuspielen. Aus einer sehr stabilen Annahme heraus, überragend dabei Ariel Hilman und Libero Isaac Kneubuhl, konnte Zuspieler „Vince“ Devany das Gothaer Angriffsspiel klug gestalten. Trotzdem schien bis zum 19:22 alles normal zu laufen.

Was danach geschah, hielt dann kaum noch jemand auf den Sitzen. Die Gothaer holten Punkt für Punkt auf, wehrten zwei Satzbälle ab und hatten anschließend deren Sechs ohne jedoch den entscheidenden Punkt zu erzielen. Anders Friedrichshafen, das zwei Fehler der Gastgeber eiskalt bestrafte und sich den 1.Satz mit 34:32 holte.

Wer nun dachte, damit hätte der Tabellenzehnte sein Pulver verschossen, sah sich schnell getäuscht. Devany lief mit seinen schnellen, in Teilen recht unorthodoxen Zuspielen zu großer Form auf. Damit schuf er gegen den, mit den beiden erfahrenen Nationalspielern Böhme und José bestens besetzten Gästeblock, überraschend viele Eins-gegen-Eins-Situationen für seine Angreifer. Bis zum Satzende lieferten sich beide Teams nun eine völlig ausgeglichene Partie. Doch diesmal hatte Gotha unter dem begeisterten Jubel der Zuschauer das bessere Ende für sich und feierte mit 28:26, den ersten Satzgewinn gegen eines der großen Teams der Liga seit dem Aufstieg überhaupt.

Im 3.Satz legte der VC sofort nach. Es zeigte sich, dass der VfB an diesem Abend erstaunlicherweise Riesenprobleme mit Gothas Aufschlag hatte. Egal, ob die Floats von Devany, Kapitän Michael Andrei und Ratajczak oder die Spinaufschläge von Sebastian Hähner, die Friedrichshafner Annahme, um den serbischen Europameisterlibero Rosic, sah stellenweise sehr schlecht aus. Insgesamt gelangen den Gothaern 12 direkte Aufschlagpunkte. Die Folge der unsicheren Annahme war, dass VfB-Zuspieler Zatko an diesem Abend soviel laufen musste, wie wohl ansonsten in drei oder vier Spielen. Als dann „Schlitzohr“ Devany die Friedrichshafner auch noch mit einem raffinierten Leger düpierte, stand die Halle endgültig Kopf. Mit 25:22 holten sich die Thüringer auch den 3.Satz.

Jetzt war der Meister ernsthaft gefordert und schlug kräftig zurück. 9:16 stand es aus Gothaer Sicht bei der zweiten technischen Auszeit. Trainer Jörg Schulz reagierte richtig und gab seinen Stammkräften Hähner, Ratajczak und Devany eine Verschnaufpause. Für sie kamen Ákos Hoboth, Sven Kellermann und Santino Rost in die Begegnung. Der Satzverlust war zwar nicht mehr zu verhindern aber die Eingewechselten hielten ihr Team im Spiel. Was vorher niemand für möglich gehalten hätte, Gotha zwang Friedrichshafen in den Tie-Break.

Der VC erwischte einen optimalen Start. Marcel Herrmann holt mit einem harten Angriff das 1:0, Ratajczak blockt den wuchtigen Diagonalangreifer Venno, 2:0. Diese Führung gab der VC nicht mehr ab. Als dann Andrei mit einem Flatteraufschlag das 9:5 besorgte, rückte die Sensation greibar nah. Doch das Team vom Bodensee kam noch einmal auf 11:12 heran und strapazierte die Nerven des Gothaer Anhangs bis zum Zerreißen. Aber die VC-Spieler, die längst wie im Rausch agierten, behielten ihre Nerven im Zaum und gewannen den Tie-Break mit 15:11.

Der Rest war grenzenloser Jubel bei den Gastgebern und das schiere Entsetzen beim Meister. Entsprechend die Reaktionen der beiden Trainer.

Ulf Quell, der Chefcoach Moculescu vertrat, sah in der Annahmeschwäche seiner Mannschaft den Hauptgrund für die Niederlage. Welche Konsequenzen diese Niederlage für seine Spieler haben würde, ließ er offen.

Gothas Trainer Jörg Schulz konnte sein Glück gar nicht fassen. „Meine Mannschaft hat heute eine bewundernswerte Leistung geboten. Mein Dank gebührt allen Spielern und dem Betreuerteam. Wir haben uns heute die Punkte zurückgeholt, die wir gegen Rottenburg oder CV Mitteldeutschland liegen gelassen haben. Hoffentlich merken jetzt auch potentielle Sponsoren, dass in Gotha Spitzenvolleyball geboten wird, der Unterstützung verdient“, verwies er trotz aller Freude auf die nach wie vor bestehenden finanziellen Sorgen des Vereins.

Eine nette Geste unter Sportlern war der Besuch der Fußballer des Gothaer Oberligisten FSV Wacker 03. Deren Trainer Holger Bühner überreichte nach Spielende die Medaillen für die besten Spieler beider Teams. Bei Gotha war dies Zuspieler „Vince“ Devany und beim VfB Mittelblocker Joao José.

Schon am heutigen Sonntag kommt es im bayrischen Haching zum Aufeinandertreffen der beiden bisher einzigen Meisterbesieger VC Gotha und Spitzenreiter Generali Haching.

Autor: Wolfgang Mengs