Ein Gespräch mit Schauspielerin Jennifer Aniston

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Die amerikanische Schauspielerin Jennifer Aniston wurde durch die Rolle der Rachel Green in der vielfach ausgezeichneten Comedy-Show „Friends“ (1994 – 2004) berühmt. Nach Einstellung der Serie startete die Kalifornierin eine erfolgreiche Filmkarriere. Aniston stand für diverse Komödien („…und dann kam Polly“) vor der Kamera, erntete aber auch gute Kritiken für Charakterrollen („The Good Girl“). In der Komödie „Wir sind die Millers“ spielt die 44-jährige eine Stripperin, die zur Tarnung eines großangelegten Drogentransports in die Rolle einer braven Hausfrau und Mutter schlüpft.  

Mrs. Aniston, wie haben Sie so sexy zu tanzen gelernt, wie man es in Ihrem neuen Film bewundern darf?

Ich hatte eine fabelhafte Choreografin namens Denise. Sie hat mir alles beigebracht, was ich heute weiß. Sie war eine exzellente Lehrerin und wir haben gemeinsam sehr hart gearbeitet. Zunächst lernt man nur die Bewegungen. Dann bemüht man sich, dem Ganzen eine Sinnlichkeit zu verleihen. Beim Lernen der Texte verhält es sich ganz ähnlich, man büffelt erst die Worte auswendig und füllt sie anschließend mit Leben. Man tastet sich Schritt für Schritt vorwärts – und verlässt sich darauf, dass der Filmschnitt einen gut aussehen lässt.

Wo haben Sie sich Grenzen gesetzt, die Sie nicht überschreiten wollten?

Zu weit zu gehen, war nie eine Option. Tatsächlich ist es ja eine Szene mit Augenzwinkern. Ein Strip mit diesen Klamotten kann gar nicht zu sexy geraten. Es fiel in Denises Aufgabenbereich, herauszufinden, wie zum Henker man einen Strip in einer Autowerkstadt halbwegs verführerisch aussehen lassen kann. Die einzig wirkliche Beschränkung bereitete mir eine schreckliche Knieoperation, die ich sechs Wochen zuvor über mich ergehen lassen musste.

Es ist eher ungewöhnlich, wenn Hollywood eine Frau jenseits der Dreißig für die Rolle einer verführerischen Stripperin besetzt. Lässt der Jugendwahn langsam nach?

Absolut, ja. Ich weiß nicht, ob das Alter wirklich eine so große Rolle spielt, wenn man auf sich achtgibt. Ich höre oft Sätze, die mit „Für dein Alter…“ anfangen. So, als sollte man ab einem gewissen Alter anfangen zu zerbröseln. Die Gesellschaft drückt den Menschen solche Stempel auf. Sie ist sehr altersfeindlich. Ich finde nichts verkehrt daran, in meinen 40-ern viel Haut zu zeigen. Eine Frau wie Sandra Bullock ist 49 Jahre alt und meiner Meinung nach um keinen Tag gealtert. Oder schauen Sie sich nur Helen Mirren an, sie ist 68 und noch immer eine sexy Lady! Ich hätte mich in meinen 20-ern nicht wohlgefühlt, wenn ich meine Hüllen hätte fallen lassen. Die Jugend ist an die Jungen verschwendet. Wenn man jung ist, fühlt man sich unbesiegbar. Man glaubt, man kann Burger und Pommes in sich reinstopfen und dabei gesund bleiben. Das ist ein Irrglaube. Ich denke, unsere Generation ist klüger, gesünder und körperbewusster.

Wie gehen Sie mit dümmlichen Schlagzeilen der Klatschpresse um?     

Ich finde das alles so schade. Wenn man in einer Reality-Show auftritt, bettelt man um diese Art von Aufmerksamkeit. Aber ich bin einfach nur eine Schauspielerin, die ihrem Job nachgeht und ein ganz normales Leben führt. In keiner Phase meines Lebens gab es auch nur einen Hauch von Skandal. Ich verstehe einfach nicht, wenn man irgendetwas zu konstruieren versucht. Gibt es nicht genug Schlechtigkeiten in der Welt, dass man noch neue hinzuerfinden muss?

Im Abspann werden Sie von ihren Kollegen mit dem „Friends“-Titellied überrascht. Ihre Reaktion ist schwer zu deuten.

Zunächst war ich total überrascht und geschockt, dann wurde ich sehr emotional. Ich weiß nicht warum, aber es hat mich sehr bewegt. Es war das Ende eines strapaziösen Drehtages und ich konnte den Song, der eigentlich in dieser Szene gespielt wurde, schon gar nicht mehr hören. Dann hieß es plötzlich: „Wir drehe es noch einmal!“ und ich antwortete: „Wollt Ihr mich auf den Arm nehmen? Wir haben das doch jetzt wirklich aus jedem Winkel im Kasten!“. Als dann das Lied erklang, war es eine zauberhafte Überraschung.

Nach all der Zeit kann Sie „Friends“ noch bewegen?     

Das hat nie nachgelassen. Ich war damals Teil etwas sehr Besonderem. „Friends“ hat den Leuten viel Spaß gemacht und sie zum Lachen gebracht. Was kann schöner sein, als ein wenig Freude in das Leben der Menschen zu bringen?

War es anfangs schwierig, sich von der „Friends“-Vergangenheit zu lösen?

Nicht wirklich. Ich habe schon zu „Friends“-Zeiten parallel auch Kinofilme gedreht, zum Beispiel „The Good Girl“. Solche Erfahrungen treiben dich voran. Ich hatte großes Glück, nach der Einstellung der Serie sofort wieder Arbeit zu finden.

Wären Sie offen für eine Wiedervereinigung der „Friends“ in einem Kinofilm? 

Ich glaube nicht, dass das Konzept der Serie für einen Kinofilm geeignet wäre. Man sollte es sich im eigenen Heim gemütlich machen, um diese Serie anzuschauen. Ich wäre wohl eher zu einer Rückkehr ins Fernsehen bereit als zu einem „Friends“-Kinofilm.

Amerikanische TV-Serien drohen dem Kino ohnehin den Rang abzulaufen.

Absolut. Die Industrie hat sich sehr gewandelt. Es ist schwer, etwas Sinnstiftendes zu finden, jenseits all der Comic-Verfilmungen und der großen Komödien. Die letzten beiden Filme, die ich gemacht habe, waren unabhängige Produktionen mit einem geringen Budget. Ich habe diese Arbeit geliebt. Sie erlaubt eine viel größere kreative Freiheit.

Nach „Kill The Boss“ wollten Sie sich eine Auszeit nehmen. Ist es Ihnen gelungen?    

Ja. Ich habe ein Jahr nicht vor der Kamera gestanden. Ich habe mich verliebt (Anm.: in Kollege Justin Theroux), das war märchenhaft. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht, sind nach New York gezogen und nach einiger Zeit wieder zurück nach Kalifornien. Ich habe einen Kurzfilm produziert und Regie geführt. Ich habe einfach die freie Zeit genossen, ich habe viel gelesen und bin gereist, aber viel weniger, als ich eigentlich wollte. Und dann habe ich mich wieder in die Arbeit gestürzt.

Am Ende des Films „Wir sind die Millers“ wird aus der willkürlich zusammengestellten Bande tatsächlich eine Art Familie. Geschieht so etwas mitunter auch bei Dreharbeiten?

Sehr oft. Das gilt besonders für das „Friends“-Ensemble. Wir waren eine echte Familie. Für den Film „Wanderlust“ haben wir tatsächlich gemeinsam in einer Kommune gelebt, das war ein großer Spaß. Mit Kathryn Hahn aus „Wanderlust“ habe ich gerade den Film „Squirrels to the Nuts“ von Peter Bogdanovich abgedreht. Es ist eine abgedrehte Komödie und ich wüsste nicht, wie ich erklären soll, worum es eigentlich geht.

 

Gespräch: André Wesche     

 

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