Fußballzeitreise Tabarz geht in die Verlängerung

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Was wäre unser Land ohne das Ehrenamt? Menschen, die sich in ihrer Freizeit für eine Idee, ein Projekt, eine Vision und ihre Mitmenschen aufopfern. Menschen, die an etwas glauben und dafür ihre Freizeit und nicht selten auch erhebliche eigene finanzielle Mittel einsetzen.

Marcel Wedow aus Tabarz ist einer von ihnen. Fußball ist seine Leidenschaft. Seit Jahren sammelt er auf Reisen kleine und große Schätze, Erinnerungen an Fußballspiele, Vereine und ehemalige Fußballhelden. Anfangs musste ein kleines Nebenzimmer dafür Platz schaffen und irgendwann wurde der Kuhstall ausgebaut. Ein Vitrinenraum entstand und „nebenbei“ forderten Familie, Beruf, das Zuhause, der Garten, Ehrenamt im Bodelschwingh-Hof, Vorträge, Führungen und, und, und … Zeit

Ein Repro-Trikot von 1954 war die erste Trophäe und bis heute verewigten sich verdiente Nationalspieler und auch Sportreporter darauf. Marcel Wedow erzählt Geschichten, von Menschen, von der Leidenschaft für den Sport, Anekdoten. Weiß zu berichten, dass Gästen bei so manchem Detail die Tränen in den Augen standen. Für Marcel ist der Fußball auch die Verbindung zum normalen Alltag: „Nicht nur im Fußball haben wir eine zweite Halbzeit, auch in unserem Leben. Das endet erst mit dem Schlusspfiff und bis zu diesem müssen wir kämpfen“, so motiviert er krebskranke Besucher aus der benachbarten Inselsbergklinik.

Dem Vater eines 12-jährigen Sohnes liegen aber auch die kleinen Besucher seiner Ausstellung am Herzen. Ihnen zeigt er in seiner zum provisorischen Kino umgebauten Garage Ausschnitte aus dem WM-Spiel von 1954. Fast 60 Jahre später fiebern die kleinen Zuschauer mit und Marcel nutzt die gute Stimmung, um Botschaften zu vermitteln: Gute Fußballer zeichnen sich im Sport, aber auch im Alltag durch Kameradschaft, Disziplin und Zusammenhalt aus. Auf Augenhöhe, spannend und kindgerecht nimmt Marcel die Kinder mit auf eine Zeitreise durch die Geschichte des Fußballs. Über 100 Jahre alte originalrasenverdreckte Fußballschuhe oder einen französischen Lederball von 1930 in der Hand zu halten beeindruckt nicht nur die kleinen fußballbegeisterten Besucher. Trainer und Eltern staunen, wie aufmerksam und gefesselt ihre Sprösslinge sind.

Marcel Wedow ist ein wandelndes Fußballlexikon, viele Anekdoten erfuhr er aus erster Hand von den Stars des Fußballs. Unzählige Fotos, Souveniers, Shirts und privat gewidmete Autogramme stellt er aus.

In seiner Art bleibt er dennoch einfach bescheiden, er will keine persönliche Anerkennung, sondern er kämpft lediglich für sein Herzblut, für seine Ausstellung und den sozialen Gedanken, den er damit lebt: Alle sechs Monate unterstützt Marcel Vereine, in dem er jeden eingenommenen Cent spendet. Der Eintritt in die Ausstellung ist frei und die stattdessen hinterlassenen Spenden werden nachweislich Vereinen wie dem FSV Waltershausen, Viktoria Mechterstädt, SV Emsetal und dem Luisenthaler SV zugute kommen. Da erscheint es fast verwunderlich, dass sich nicht mehr Vereine bei Marcel Wedow melden und die Unterstützung in Anspruch nehmen wollen. Eine solche Ausstellung mit diesem engagierten und selbstlosen Hintergrund ist einmalig und es wäre wünschenswert, wenn die Fußballzeitreise nicht nur mehr Aufmerksamkeit, sondern auch Unterstützung erhalten würde. Verbände und Vereine könnten sich beteiligen und unterstützen. „Für den Thüringer Fußballverband oder den Kreisfußballausschuss wäre die Ausstellung eine Chance, sich auf sozialer Ebene mehr zu etablieren. Hier werden Werte wie Zusammenhalt, Kameradschaft und Begeisterung für den Sport vermittelt. Mein Traum wäre es, als soziales Projekt in einem Verband mit unterzukommen, ohne dabei jedoch meine Selbstständigkeit aufgeben zu müssen“, so Marcel Wedow.

Das größte Problem stellen derzeit die Unkosten dar. Der Wert der Ausstellung ist dank ganz besonderer Einzelstücke gestiegen. Die Versicherung dafür beträgt ungefähr 300 Euro im Jahr. Ausgerechnet ein in den Irak ausgewanderter Tabarzer entschied sich dafür, die Versicherungssumme zu übernehmen und so die Ausstellung zu unterstützen. Gunter Völker betreibt den Deutschen Hof in Erbil und setzt mit seinem Einsatz ein Zeichen, hofft Marcel Wedow. Auch die Unterstützung der Rennsteigklinik Tabarz nimmt Marcel Wedow einiges an Last von den Schultern.

Fußballschuhe, Trikots, Auszeichnungen und Medaillen beeindrucken die Besucher. Denn Namen wie Rudi Völler, Gerd Möller und Uwe Seeler kennt sogar jeder Nichtfußballer. Prominente wie Eduard Geyer, Peter Ducke, Jürgen Heun, Marco Engelhardt, Vera Hohlfeld und Rüdiger Schnupphase schauten bereits vorbei und waren beeindruckt. Marcel Wedow organisiert Gesprächsrunden mit seinen Mitstreitern und auch hier muss er auf eigenes Risiko in Vorkasse gehen, um Antrittsgelder und Fahrtkosten zu übernehmen. Es ist anspruchsvoll, mit den Einnahmen aus verkauftem Essen und Trinken über die Runden zu kommen. Am ersten Advent besuchte Werner Treimetten die Ausstellung. Der Manager von Fußballgrößen wie Uwe Seeler organisiert Spiele der Traditionsmannschaft. Er zeigte sich beeindruckt vom Umfang der Ausstellung und nahm sich viel Zeit für Gespräche.

Erst diese Woche entschied sich Marcel, dass er die Fußballzeitreise nicht sterben lassen wird: „Es war eng und wir sind immer noch nicht über den Berg, aber aufmunternde Worte von Fans und Gästen geben mir Kraft. Ich hoffe, dass sich Sponsoren finden, die über meine Homepage werben, immerhin besuchten 30.000 Gäste seit Oktober die Seite, derzeit klicken im Schnitt 1000 Besucher am Tag auf den Internetauftritt der Fußballzeitreise.“

Wer Tabarz kennt, der weiß, das ist kein leichtes Pflaster für engagierte, motivierte, optimistische und gutgelaunte Zeitgenossen. Bleibt zu hoffen, dass sich diejenigen, die dazu gehören, zusammenschließen und mit Leidenschaft und positiver Einstellung für ihre Ideale kämpfen, so wie Marcel Wedow. Es darf nicht so weit kommen, dass eine Ausstellung wie die Fußballzeitreise erst untergehen muss, bis die Öffentlichkeit versteht, was das für ein Verlust wäre …

Erschienen im Lokalreporter am 6. Dezember 2012, Text und Bilder: Livia Schilling

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