Gelder wurden angeprangert

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Man hätte es wissen müssen, dass die Gothaer nicht unbedingt an Literatur interessiert sind und sich lieber als kulturelle Schnösel zu erkennen geben. Hier werden lieber Witzemacher, wie Ingo Appelt oder Fips Asmussen, bejubelt und über ihre unter die Gürtellinie zielenden Späße laut und kreischend gelacht.

Oft ist es so, dass Gotha eine tote Stadt ist. Da gehen eben nur 80 Einwohner zum Ray Wilson Konzert, obwohl seine Genesis-Cover keinem wehtun und jeder etwas damit anfangen kann. Was wiederum auch als Musikverständnis ausgelegt werden könnte.

Zu Wiglaf Droste kamen nicht viel mehr Zuschauer, aber diese kannten ihn, lachten an den richtigen Stellen und hingen ihm geradewegs an den Lippen. Kein Spaß, keine messerscharfe Pointe und keine Bösartigkeit wollten sie verpassen.

Hätte Gotha noch einige lustige Studenten, dann wäre am Sonnabend (und nicht am Freitag, wie die TA falsch verbreitete) das Kulturhaus bis auf den letzten Platz gefüllt gewesen. Gotha fehlen außerdem Menschen, die Bücher mit Niveau lesen, sich genauso über Handwerker, Hausbesitzer und Brandenburger  aufregen und über Späße nachdenken können. Leider ist in der kleinen Kreisstadt der Spaß am hochkochen, wenn die „Wasserkunst-Heidi“ einige Anekdoten während der „brüllend komischen“ Faschingszeit erzählt und wenn die Randfichten ihren „Holzmichl“ in einer noch schnelleren Version aus den Lautsprechern jagen. Hat nicht gar der Autor und Journalist WD die strammen Bundeswehrsoldaten als potentielle Mörder bezeichnet und schreibt er nicht täglich für die linke Tageszeitung „Junge Welt“? Dinge, die in einer Gegend, in der der Adel noch hoch gehalten wird, nicht gerne gehört werden.

Droste muss man sowieso in altertümlichen Gemäuern, bei Bier und Zigaretten erleben. Besonders, weil er als Nichtraucher die Diskriminierung der Raucher anprangerte und sich über die qualmenden Horden auf den Bürgersteigen lustig machte. Durch dieses kollektive Rauchen wird mittlerweile die freie Natur ganz schön verpestet.

Ordentlich laut und ganz hervorragend betonend las Wiglaf Droste Geschichten und Texte über die deutsche Sprache vor. So prangerte er den, mittlerweile in der Politik sehr gebräuchlichen Begriff, „Gelder“ an, den es nie und nimmer gibt und geben wird, und machte sich ordentlich lustig über „Burnout“, das nur richtige Männer bekommen können. All die anderen Schnarchnasen und Weicheier sind einfach nur ausgebrannt oder leiden unter Depressionen. „Wegbrechen“ und „Ein Stück weit“ waren weitere Formeln, die der Meister mit dem Hut auflöste und ins Reich der schlechten Fantasie verlegte. Der Auszug „Im Sparadies der Frisöre“, aus dem gleichnamigen Buch, entwickelte sich zum Höhepunkt des Abends. Egal, wohin man geht und sich die Haare schneiden lassen will, es gibt keinen einfachen Frisör mehr, sondern nur noch „Hairkiller“, „Haararkiri“-Läden und viel unmögliche „Hairmann-Studios“ mehr. Das „Sparadies“ entstammt übrigens einer schlechten Werbung der Sparkasse.

Weiter ging es mit einem ganz frischen Text über den Kapitalisten und Kommunistenhasser Gauck, mit Geschichten über die Ganzkörperverspannung Herbert Grönemeyer, über Papst Ratzinger, über Schweiger, Guttenberg und Veronica Ferres. Alles Menschen die dumm „schwätzen“, von der Welt ums verrecken nicht gebraucht werden.

Für die Partei „Die Grünen“ dichtete Wiglaf Droste sogar: „Ist das Hirn zu kurz gekommen, / wird sehr gern die Moral genommen.“ Gerade richtig, so kurz vor der Bürgermeister-Wahl. Schließlich stellte er noch den schönen Text über das herrliche Thüringen vor, ein Land, das der Schöpfer am Ende seines Wirkens noch zärtlich über die Hügel streichelte, Tabarz und Gotha fanden dabei ihren würdigen Platz.

Nach der Zugabe verließen glückliche und erheiterte Zuschauer, und vor allem –hörer, die Lesung.

ThoBe