Johann Sebastian Bachs Wechmarer Großvater begeht 400.Geburtstag

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Bach-Stammort Wechmar: Wenn am Freitag, dem 19. April 2013 die herrlichen a-capella-Stimmen der vier unterschiedlichen Typen von „Fracksausen“ im Rokokosaal des Landhauses Studnitz zu Wechmar erklingen, dann gedenkt bei dieser unglaublich faszinierenden Musik, die internationale Bach-Welt des Großvaters von Johann Sebastian Bach, der genau auf den Tag vor 400 Jahren in der beschaulichen Bäckerei am Wechmarer Markt geboren worden ist.

Es ist wenig bekannt über jenen Christoph Bach, dem Johann Sebastian Bach im Jahre 1735 in seinem „Ursprung der musikalisch-Bachischen Familie“ folgenden Eintrag widmete:

„No. 5. Christoph Bach, mittlerer Sohn des berühmten Hans Bachens, ist gleichfalls geboren zu Wechmar, anno 1613, den 19ten April. Erlernte gleichfalls musicam instrumentalem. War anfänglich fürstlicher Bedienter am Weimarischen Hofe; bekam hernach unter der Erfurtischen und dann zuletzt unter der Arnstädtischen musicalischen Compagnie Bestallung, all wo er auch anno 1661, den 12 September verstorben. War verehelicht mit Jfr.Maria Magdalena Grablerin, gebürtig aus Prettin in Sachsen, mit welcher er die Sub No. 10, 11 u 12 folgenden 3 Söhne Georg Christoph (1642-1697) und die Zwillinge Johann Ambrosius (1645-1695) sowie Johann Christoph (1645-1693) zeugte. Sie verstarb 24 Tage nach ihres seeligen Mannes Christopheri Tode, nämlich den 6ten Oktober. 1661 in Arnstadt.“

Die Wechmarer Kirchenbüchern beginnen erst im Jahre 1618, so dass Johann Sebastian Bachs Zeilen die ältesten Belege vom Leben der Bachfamilie sind. Um das Jahr 1600 kehrte der Müller Veit Bach von der Wanderschaft aus Ungarn in die Heimat zurück. Ihn begleiteten seine Söhne Hans Bach, ein Spielmann und Caspar Bach. Bei der Wechmarer Müllerfamilie Eißer, die auch im Besitz des Oberbackhauses waren, fanden die Bachs eine Heimat. Der alte Veit Bach musizierte in der Obermühle, seine Söhne ergriffen musikalische Professionen. Hans zog als Spielmann durch die Lande, Caspar ging als Stadtpfeifer nach Gotha, später nach Arnstadt. Sohn Hans Bach heiratete vor 1604 in Wechmar Anna Schmied, die Tochter des Wechmarer Gastwirtes. Beide hatten drei Söhne. 1604 ist Johannes geboren, ihm folgten 1613 Christoph  und 1615 Heinrich. Pfarrer in Wechmar zu jener Zeit war der berühmte Schriftsteller und Theologe Michael Sachse, er verheiratete Hans Bach und seine Frau und taufte die drei Kinder. Bis zu seinem Tode 1619 nahm der alte Veit Bach seine drei Enkelsöhne mit in die Mühle und sie lauschten, wenn er auf dem Cythringen spielte.

Man kann davon ausgehen, dass die drei Söhne des Spielmannes die Musik beim Vater erlernten und dass auch der älteste Sohn Johannes die fast gleichaltrigen Brüder musikalisch unterrichtete. Beim Tod des Vaters zu Weihnachten 1626 waren Christoph Bach und sein Bruder Heinrich erst 13 bzw. 11 Jahre alt. Mutter Anna Bach stirbt im Pestjahr 1635
Aus Christoph Bachs Leben sind wenige Fakten erhalten. Die Abendmahlsregister zu Wechmar verzeichnen ihn erstmals am 21. Sonntag nach Trinitatis 1627. Er ist vierzehn Jahre alt und geht mit dem Bruder Johannes zum Abendmahl. Am Sonntag Estomihi 1628 geht er mit Mutter und Bruder Johannes abermals zum Abendmahl. Er wird erst wieder am Sonntag Johann Baptiste 1632 verzeichnet. Ob er in diesen vier Jahren eine musikalische Ausbildung, zum Beispiel bei dem Suhler Stadtpfeifer Hofmann absolvierte, ist nicht belegt. Er geht 1632 noch einmal und im folgenden Jahr noch zweimal zum Abendmahl. Nach dem dritten Sonntag nach Trinitatis 1633 verlieren sich seine Spuren wieder. Es herrscht der 30jährige Krieg bereits seit fünfzehn Jahren.

Das unbefestigte Dorf Wechmar, die dauernden Durchzüge von Soldaten, Krankheiten und Epidemien sowie die ständigen Hungersnöte boten jungen Menschen auch nur wenige Perspektiven, so dass es verständlich wirkt, dass sie auf Wanderschaft gingen. Seine Frau fand Christoph Bach in Prettin, dem kleinen Herrschaftsbezirk der verwitweten Kurfürstin Hedwig von Sachsen (1581-1641), einer geborenen Prinzessin von Dänemark und Norwegen. Vielleicht hat ihr Tod die junge Familie dazu bewegt wieder nach Thüringen heimzukehren, wo am 6.September 1642 in Erfurt der erste Sohn geboren worden ist. Johannes Bach, der ältere Bruder hatte, ganz der Familientradition entsprechend 1642, seinen Bruder und Frau nach Erfurt geholt, wo die Familie im Haus „Zum roten (bunten) Hirsch“ in der Rupprechtsgasse wohnte. 1645 kommen dort die Zwillinge Johann Ambrosius und Johann Christoph zur Welt. Plötzlich taucht Christoph Bach wieder in Wechmar auf, denn das Handelsbuch belegt, dass er am Sonntag Oculi 1643 neben vierzehn weitern Männern bei den ehrsamen Heimbürgern Lips Spiegler und Hein Attrodt und den ehrsamen Gerichtsschöffen Lips Eißer und Nicol Groß das Nachbarrecht erwirbt und die Gebühr von 7 Gulden bezahlt. Das auf Anweisung von Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha (1601-1675) im Jahre 1641 angelegte Wechmarer Flurbuch verzeichnet: „Doffel (Christoph) Bach – Haus und Hof wüst, ¼ Land ist ganz wüst.“

Das Dorf Wechmar war in den Wirren des 30jährigen Krieges völlig zerstört worden und auch keine verwandten wohnten mehr dort. Es gab keine Arbeit und somit auch keinen Grund für den jungen Familienvater wieder Wohnung im Stammort zu nehmen. Genau neun Jahre blieb Christoph Bach Ratsmusikant in Erfurt, 1653 holte ihn sein jüngerer Bruder nach Arnstadt. Er wurde als Hof- und Stadtmusikus angestellt, war aber nicht mehr verpflichtet, wie sein Onkel Caspar Bach auf dem Turme zu wohnen. Er sollte in der Kirche und bei Hofe mit „Violen als auch blasenden Instrumenten…fleißig und unverdrossen aufwarten und zweimal täglich vom Schlossturm abblasen. Sein Jahresgehalt betrug 35 Gulden und einige Naturalleistungen, dazu kamen Einkünfte bei Aufwartungen zu Hochzeiten, Beerdigungen und ähnlichen Ereignissen. Die Familie wohnte auf dem Gelände des Gleichenschen Stifts in der Neutorgasse.

Seite 3 zur Presseinfo 400.Geburtstag Christoph Bach vom 8. April 2013

Der Gehalt des Musikanten reichte nicht um der Familie ein angemessenes Auskommen zu gewähren, deshalb bewarb sich Caspar Bach 1661 um eine neue Anstellung in Naumburg, die er nicht mehr antreten konnte, weil er vorher starb. Er konnte nicht mehr erleben, wie der Größte seines Stammes, sein Enkel Johann Sebastian Bach, zum genialsten Komponisten aller Zeiten aufgestiegen ist.
Meist weiß man nie genug von Großeltern, und wenn sie etwas erzählen, wer hört dann schon von den Enkeln zu? Dieses Sprichwort gilt heute und galt damals. Viele Fakten im 48jährigen Leben des Ratsmusikanten Christoph Bach liegen noch im Dunkel der Geschichte. Keine Komposition ist erhalten und liegt vielleicht noch ein paar hundert Jahre in Kirchenarchiven, eventuell sogar einem anderen Komponisten oder einem anderen Mitglied der großen Bachfamilie zugeschrieben. Gerade die Jahre vom Tode des Vaters 1626 bis zur Anstellung in Erfurt fünfzehn Jahre später, sind auch nach vierhundert Jahren voller Rätsel.
(Quellen: Handelsbuch der Gemeinde Wechmar; Abendmahlstabellen des Pfarrers August Schmidt;  „Johann Sebastian Bach und seine Zeit in Arnstadt“, Hain Verlag 2000)