Latinistin der Universität Jena veröffentlicht Reisetagebuch aus dem 17. Jahrhundert

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Wollte man im 17. Jahrhundert Informationen erlangen, galt es oftmals, weite Wege zurückzulegen. Diese Erfahrung machte auch der Jesuit Daniel Papebroch. Um Daten über Heilige zu sammeln, musste er zwischen 1660 und 1662 gemeinsam mit seinem Kollegen Gotfrid Henschen von seiner Heimatstadt Antwerpen nach Italien reisen. Dabei führte er ausführlich Tagebuch – was jetzt, etwa 350 Jahre später, wieder für einigen Erkenntnisgewinn sorgen wird.

 
Denn die Aufzeichnungen, die Papebroch in Italien auf Latein gemacht hat, erscheinen nun nach und nach erstmals in deutscher Übersetzung und vollständig ediert. Die Latinistin Prof. Dr. Susanne Daub von der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat einen ersten Band ihrer neuen Reihe „Die Forschungsreise der Bollandisten nach Italien 1660-1662“ mit dem Titel „Kunstdenkmäler in Latium und der Toskana“ erarbeitet, der heute erschienen ist. Gleichzeitig erscheint ein zweiter Band über Venedig und sein Gebiet, erarbeitet von Prof. Dr. Udo Kindermann.
Den Grund der Forschungsreise im 17. Jahrhundert erklärt Susanne Daub: „Papebroch gehörte zu den sogenannten Bollandisten – das ist eine Arbeitsgruppe Gelehrter, die von Jean Bolland gegründet wurde. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine auf kritischer Beurteilung der Handschriften und ihrer Inhalte fundiertes Textkorpus aller Heiligenviten zusammenzustellen.“ Um Material für diese „Acta Sanctorum“ zu sammeln, sichteten die Mitarbeiter Bollands Handschriften und gedruckte Schriften und betrieben mitunter Feldforschung in ganz Europa. Gotfrid Henschen und Daniel Papebroch besuchten auf ihrer Reise verschiedene deutsche Städte, bevor sie über den Brenner nach Italien zogen und dann über Frankreich wieder nach Antwerpen zurückkehrten. Unterwegs besuchten sie vor allem Bibliotheken und Archive und fertigten Abschriften von wichtigen Dokumenten an. Allein in Rom blieben sie etwa ein Jahr. Papebroch nutzte die Gelegenheit zusätzlich, um wie ein Tourist das Auge schweifen zu lassen und seine Beobachtungen schriftlich festzuhalten. In seinem Tagebuch beschreibt er detailliert Gebäude und Kunstdenkmäler. Vor allem Renaissancebauten hatten es ihm angetan.

 

 

Blick in die Vergangenheit von Kirchen und Gärten

„Gerade der Detailreichtum macht diese Quelle zu einem ganz besonderen Schatz für Kunsthistoriker und Geschichtswissenschaftler“, erklärt die Jenaer Latinistin. „Denn die Aufzeichnungen geben ganz genau wieder, wie etwa Kirchen und Gärten im 17. Jahrhundert ausgesehen haben. Viele sind danach umgebaut worden, und einige Bauwerke, Plastiken und Bilder gibt es heute gar nicht mehr.“ Darüber hinaus berichtet der Autor über besondere Vorkommnisse auf der Reise, beschreibt Menschen, die ihm begegneten, und etwa auch die Qualität des Essens unterwegs. Besonders wertvoll sei das Tagebuch deshalb, weil es eben nicht zur Publikation vorgesehen war und dadurch relativ authentisch ist. „Es ist faszinierend, mit diesem über 350 Jahre alten Reiseführer durch die beschriebenen Orte zu gehen und vieles zu entdecken, was man als Tourist heute übersehen würde“, sagt Susanne Daub. Sie hat die Strecke zwischen Rom und Florenz auf den Spuren des Antwerpener Jesuiten gemeinsam mit der Doktorandin Corinne Hocke selbst abgefahren und jeden einzelnen Ort besichtigt, um sich von der Richtigkeit der Angaben zu überzeugen und offene Fragen zu klären.
Während die Einträge zu den deutschen Städten, wie Köln oder Heidelberg, bereits in der Vergangenheit publiziert wurden, sind die Berichte zu den weiteren Stationen der Reise bisher unveröffentlicht. Papebrochs Tagebuch blieb in seinem Versteck in der Abtei von Tongerlo handschriftlich erhalten. Susanne Daub und ihr Team konnten es in der originalen Handschrift des Autorssichten und edieren. In Zukunft sollen weitere Bände u. a. zu Rom und der Emilia-Romagna erscheinen.

 

Bibliografische Angaben:
Susanne Daub: Die Forschungsreise der Bollandisten nach Italien 1660-1662: Kunstdenkmäler in Latium und der Toskana, Köln: Böhlau Verlag, 320 Seiten, Preis: 40 Euro, ISBN 978-3-412-50346-8