Mit lachendem und weinendem Auge

0
1407

Zwischen Interview-Termin und Erscheinungsdatum von Oscar am Freitag lagen drei Wochen. Eine Zeit, in welche die Nachricht fiel, dass Mario Schiefelbein mit Ablauf seines dreijährigen Engagments als Kulturdirektor die Stadt Gotha verlassen wird. Schiefelbein übernimmt im März kommenden Jahres die Bochum Marketing GmbH. Grund genug, dem ersten Interview-Termin einen zweiten folgen zu lassen…

Herr Schiefelbein, warum flüchten Sie aus Gotha?
Flüchten? Quatsch! Ich erfülle meinen Arbeitsvertrag bis zur letzten Minute. Von einer Flucht kann keine Rede sein.

Nun gut, der Ruhrpott ist aber doch bei weitem nicht so schön wie der Thüringer Wald…
Aber in Bochum wartet eine neue und interessante Aufgabe auf mich. Als Geschäftsführer der Bochum Marketing GmbH übernehme ich eine Herausforderung in einer Großstadt mit 400.000 Einwohnern, 40.000 Studenten und 40 kulturellen Einrichtungen. Die Stadt Bochum innerhalb des Ruhrpotts im Wettbewerb mit den anderen Städten heraus zu heben, das reizt mich ungemein.

Gotha hatte keine Chance?
Nicht wirklich. Ich bin kein  Verwaltungsmensch, sondern wohl eher ein kreativer Kopf. Etwas aufzubauen, das liegt mir einfach näher. Natürlich hat dabei auch eine Rolle gespielt, dass ich ganz andere Möglichkeiten habe als in Gotha. Und dass ich große Möglichkeiten sehe, in Bochum auch etwas bewirken zu können. Aber Sie können mir glauben, ich werde mit einem lachenden und einem weinenden Auge gehen.

Warum?
Weil hier in den vergangenen zweieinhalb Jahren ein tolles Team zusammen gewachsen ist, mit dem ich auch eine Menge erreicht habe.

Also bereuen Sie das Engagement hier auch nicht?
Wieso sollte ich das? Im Gegentei: Ich habe hier in Gotha wertvolle Erfahrungen gemacht, die mich persönlich ebenso weiter gebracht haben. Meine Aufgabe als Stadtkulturdirektor – der Name sagt es ja schon – hat eben nicht nur mit Marketing, sondern ebenso mit Kultur zu tun. Und wenn ich im Frühjahr gehen werde, dann habe ich drei schöne, wertvolle und ereignisreiche Jahre hinter mir. Drei Jahre, die ich absolut nicht missen will.

Sie gehen nicht, weil es Zoff mit dem Oberbürgermeister gibt?
Ganz sicher nicht. Im Gegenteil: Knut Kreuch hat immer hinter und zu mir gestanden und unsere Arbeit unterstützt. Da gibt es überhaupt keinen Anlass zur Klage. Und ich glaube auch nicht, dass es umgekehrt so ist.

Wenn der OB von Ihnen spricht, nennt er sie häufig einen „kulturellen Wandervogel“…
…was gar nicht so abwegig ist. Denn in der Tat war ich bisher stets auf der Suche nach Herausforderungen, wenn meine wesentliche Arbeit getan war.

Und die in Gotha ist getan?
Nun, ich glaube – ganz subjektiv betrachtet natürlich – auf jeden Fall, dass ich hier mit Unterstützung meines Teams mehr erreicht habe als zuvor in Hameln. Und darauf bin ich stolz.

In Kürze: Nennen Sie die Ergebnisse?
1. Den Stadtmarketing-Masterplan zu schreiben und die ersten Ergebnisse zu erleben – das ist schon Klasse. Und das weiß ich auch zu schätzen.
2. Die Organisation des Thüringentages empfand ich als besonders toll. Diese Veranstaltung ist uns fantastisch gelungen – und zwar in einer Art und Weise, die wir selbst zuvor kaum für möglich gehalten haben. Das Konzept der KulTourStadt ging in dreifacher Hinsicht auf: räumlich, inhaltlich und finanziell!
3. Den Weg der Stadtmarke „Gotgha adelt“ bis zur nationalen Preisverleihung als „Stadtmarke des Jahres“ zu begleiten, das hat großen Spaß gemacht.
Und ein letzter Punkt: Die Installation des KunstHauses. Wir haben bewiesen, dass ein solches in Gotha klappt. Ca. 25.000 Besucher in diesem Jahr können sich absolut sehen lassen.

Und was hat nicht so geklappt, wie Sie sich das vorgestellt haben?
Stark verbesserungsfähig ist die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Einzelhandel. Das Engagement und die Zusammenarbeit mit den Einzelhandels- unternehmen lässt zu wünschen übrig. Es sind nur einige wenige – und immer die gleichen – die unsere Arbeit unterstützen. Das kannte ich so bisher nicht – und ich denke, daran wird auch mein Nachfolger zu knabbern haben. Ebenso wie an dem Umstand, dass sich die Wirtschaft in dieser Stadt – mit Ausnahme der Oettinger Brauerei – stark zurück hält.

Was wünschen Sie einem solchen?
Dass er  mit den vorhandenen Strukturen weiterarbeiten kann. Das Schlimmste wäre es aus meiner Sicht, wenn nun die vorhandene Konstellation in Frage gestellt würde und die Entwicklung in eine Art „Eigenbetrieb Kultur“ gehen würde.. Aber ich glaube auch, dass die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung verstanden haben, dass diese die richtige Konstellation ist.

Was können Sie aus Gotha für Ihre zukünftige Arbeit in Bochum nutzen?
Eine ganze Menge. Ein Sponsorenmanagement und eine Online-Redaktion zum Beispiel. Beides hat in Gotha durchaus geklappt.

Wir danken für das Gespräch.

Erschienen in der Gothaer Ausgabe des Lokalmagazins „Oscar am Freitag“.