Das Gothaer Schneiderlein

0
1364

Noch ist es ein Gehimtipp: Doch  das Gothaer Modelabel Schmalspecht könnte bald ein echter Verkaufsschlager werden.

Es ist angenehm warm. Die Regale an den Wänden sind bis zur Decke mit Stoffen,  Wolle und Nähzubehör bestückt. Und Stefan Andreas steht hinterm Ladentresen. Das Maßband lässig über die Schultern gelegt: „Kann es noch etwas sein?“ Der 30-Jährige spricht ruhig, die Stimme klingt sanft.

Keine Frage: Stefan Andreas ist ein zurückhaltender Typ, keiner der mit lauten Worten auf sich aufmerksam macht – und daher ist es vielleicht auch nicht verwunderlich, dass sich sein Modelabell „Schmalspecht“ gut getarnt in der „Masche“, dem heimelichen Fachgeschäft seiner Mutter befindet. Eine kleine aber feine Manukfaktur für alles aus Wolle, Garn und Textilien.

Andreas entwirft, schneidert und vertreibt vor allem Mützen.  Gut 200 der stylischen Kopfbedekungen hat  er in diesem Jahr bereits an Mann und Frau gebracht. Tendenz steigend.

Dabei kam der Modeschöpfer nur über Umwege zur Schneiderei. Der gelernte Rohrleitungsbauer im Tiefbau half Anfangs nur im Geschäft der Mutter aus, bis 2006 seine Schneiderlehre begann. Damals war er der einzige Mann in einer Klasse mit weiteren zwölf Frauen aus ganz Thüringen. Ein Jahrgang später entschieden sich nur noch drei Frauen für die Schneiderausbildung. Ein Handwerk, das vom Aussterben bedroht ist.

Nicht für den findigen Gothaer, der sich im August 2010 mit dem Label Schmalspecht selbständig machte und im Winter 2010/2011 mit seinen Mützen in Serie gegeangen ist. Das besondere hierbei: Die Farbauswahl kann individuell getroffen werden. Aber: Eines der guten Stücke kostet immerhin zwischen 19 und 49 Euro. „Klar kann im Ausland günstiger produziert werden“,  erklärt der Unternehmer. „Aber dass ist nicht mein Ziel. Ich will hier bleiben.“

Der Schneider nimmt eine der  Farbenfrohen Bedeckungen und zieht an einem Schild. Neben der mittleweile geschützten Marke Schmalspecht steht der Schriftzug „Handmade in Gotha“. Da hat mit Sicherheit kein chinesisches Kleinkind Hand angelegt.

Was ihn manchmal ein bisschen ärgert: „Keiner glaubt, dass ich die Mützen mache.“ Kürzlich auf dem Weihnachtsmarkt hat sich eine Frau beschwert, dass „ich einfach auf eingekaufte Ware mein Label nähe – und die Mützen teuer verkaufe.“

Leben kann er vom Verkauf der Mützen noch nicht: Schneideraufträge sind nach wie vor nötig: Zum Beispiel hat Schmalspecht auch das Gothaer Prinzenpaar der Faschingssaison 2011/2012 ausgestattet.
Der Name Schmalspecht hängt dem Modeschöpfer seit seinen ersten Besuchen im Fitnessstudio an. Jetzt trägt seine Firma diesen Namen – Stefan Andreas lässt keinen Zweifel, dass sein Unternehmen wachsen wird. Den nötigen Geschäftssinn hat  er schon vor Jahren bewiesen: Bereits vor seiner Lehrer, schneiderte Andreas bereits Aikido-Taschen, sogenannte Bokken, genäht, „Aikido“ darauf gestickt – und schließlich bei Ebay verkauft. 10 bis 15 Euro brachte eine Tasche damals. Doch das ist lange her. Mittlerweile ist mit Kendo 24, Europas führender Händler für Kendo-Ausrüstungen auf den Gothaer aufmerksam geworden. Das Unternehmen stattet unter anderem die deutsche und die schweizerische Kendo-Nationalmannschaft aus. Für ihn soll Stefan Andreas nun Taschen  produzieren.

Neben den Mützen arbeitet der Schmalspecht Chef-Designer derzeit an einer Hosenkollektion. Auch, wenn die Möglichkeiten auf dem Markt zu bestehen begrenzt sind.  Zu viele Anbieter, zu groß die konkurrenz. Dennoch: Drei Kunden tragen bereits Schmalspecht Jeans. Und:„Bisher kamen sie gut an!“ Seine Hosen sollen durch Qualität und langlebigkeit bestechen. „Stonewashed wird es bei mir nicht geben!“

Autor: David  Ortmann