Romanisten der Universität Jena veranstalten vom 4. bis 5. November internationale Tagung

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Im Süden Südamerikas liegt Patagonien: ein riesiges grenzüberschreitendes Gebiet, das weite Teile Argentiniens und Chiles umfasst und sich in besonderer Weise durch kulturelle Heterogenität auszeichnet. Dieser grenzüberschreitende hybride Raum kann einerseits als Kondensat und Exponat der kulturellen Situation Lateinamerikas gelten.

Andererseits haben die geographische Lage, die extremen klimatischen Verhältnisse und die enorme Ausdehnung der Region zu einer Sonderstellung dieses Raumes geführt: Denn Patagonien konnte vom spanischen Imperium nie erobert und beherrscht werden. Bis ins 19. Jh. galt der amerikanische Süden insofern als ‚barbarische Wüste‘ oder ‚leerer Raum‘, kulturloses, unbesiedeltes Gebiet, das zunächst vom spanischen Kolonialreich, ab dem 19. Jh. von den unabhängigen Nationalstaaten Amerikas separiert war. Dadurch konnte die indigene Bevölkerung ihre eigenen Kulturtraditionen bis zur gewaltsamen Zurückdrängung und Marginalisierung Ende des 19. Jh. („campañas del desierto“) bewahren. Parallel zur genozidalen Vertreibung der Urbevölkerung begann Mitte des 19. Jh. eine bis ins 20. Jh. anhaltende europäische Immigration, v. a. durch Deutsche, Engländer, Waliser.

Mit dieser Region beschäftigt sich am 4.-5. November 2014 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena die internationale Tagung „Patagonien – Gründungsmythen und diskursive Emanzipationen eines geopolitischen Raumes“ oder besser – da Tagungssprache Spanisch ist: „Patagonia: fundaciones, invenciones y emancipaciones de un espacio geopolítico y discursivo”. Die von Prof. Dr. Claudia Hammerschmidt (Bild; Foto: Kasper/FSU)vom Institut für Romanistik organisierte Tagung will den Wissenschaftsdiskurs zur jungen, sich erst seit Ende der 1970er Jahre entwickelnden Literatur aus Patagonien auch außerhalb Chiles und Argentiniens international sichtbar machen und einen Beitrag zur zeitgenössischen Literatur- und Kulturtheorie im Kontext moderner Globalisierungstheorien leisten.

Zwar hatte sich seit den europäischen Entdeckungsfahrten (etwa Pigafettas Bericht der Magellan-Fahrt, Darwins Bericht der Beagle-Expedition) eine reiche Patagonienliteratur in Form eurozentristischer Reiseberichte über Patagonien formiert, die sich im 20. Jh. als Literatur über Patagonien in der v. a. argentinischen Romanliteratur und im Film aus den lateinamerikanischen Metropolen fortsetzt und sich als Patagonien-Topos manifestiert. Allerdings bildet sich erst seit Ende der 1970er Jahre in Widerstandszentren gegen die Militärdiktaturen in Argentinien und Chile eine Literatur in Patagonien heraus, die als eigentliche patagonische Literatur anzusehen ist und seit Ende des 20. Jh. immer vielfältigere und sichtbarere Formen annimmt.

Diese multiethnische, gattungshybride patagonische Literatur ist bisher international kaum rezipiert und noch weniger wissenschaftlich aufgearbeitet und in einen größeren literatur- und kulturtheoretischen Zusammenhang gestellt worden. Das Kolloquium in Jena stellt somit einen ersten Schritt dar, um diese Forschungslücke zu schließen. Für die romanistische Literaturwissenschaft (Hispanistik/Lateinamerikanistik) lässt das Kolloquium eine Neuakzentuierung der Literatur- und Kulturgeschichtsschreibung Argentiniens und Chiles sowie eine Weiterentwicklung aktueller Theoriebildung erwarten. Durch die enge Zusammenarbeit mit der Universidad Nacional del Comahue und der Universidad Austral de Chile soll die Patagonien-Forschung auch langfristig in Jena verankert werden.

Öffentlicher Vortrag auf Deutsch
Am 5. November spricht mit Prof. Dr. Laura Pollastri, Direktorin des Centro Patagónico der Universidad Nacional del Comahue (Neuquén, Argentinien), eine Expertin der patagonischen Literatur auf Deutsch „Über den Süden: Die moderne patagonische Literatur“. Der öffentliche Vortrag beginnt um 18.00 Uhr im Raum 401 des Instituts für Romanistik (Ernst-Abbe-Platz 8).
Das Programm der Tagung ist zu finden unter: www.romanistik.uni-jena.de/coloquio_internacional_patagonia.