Ronald Bellstedt (Vorsitzender des NABU Gotha)

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Wir sind nicht gegen dieses Großprojekt der Energiewende, werden es aber als NABU KV kritisch begleiten.

Unsere Stellungnahme:

Die Realisierung eines so großen Projektes hat erhebliche Auswirkungen auf Zielwerte in bisher festgelegten Dokumenten. Wie das Thüringer Landesverwaltungsamt selbst sagt, soll durch das Zielabweichungsverfahren (ZAV) geprüft werden, ob im vorliegenden Fall von diesen fixierten Zielen abgewichen werden kann. Da durch die Planungen erhebliche Eingriffe in Natur und Landschaft erfolgen, bitten wir das Landesverwaltungsamt, bei der Prüfung einen sehr strengen Maßstab anzulegen und fordern unsererseits bereits im Stadium des Raumordnungsverfahrens (ROV) die unten genannten Punkte für nachfolgende Planungen zu verankern.

Im zusammenfassenden Erläuterungsbericht werden die Abschnitte „Schutzgüter Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt“ (S. 74, 83 u. 90) mit einem zusammenfassenden Ergebnis eingeleitet, dass Beeinträchtigungen nicht auftreten bzw. sicher vermeidbar sind. Geschützte Landschaftsbestandteile seien nicht betroffen bzw. es werden keine verbleibenden zulassungsrelevanten Auswirkungen auftreten. Dadurch wird von vornherein suggeriert, dass das Vorhaben ohne wesentlichen Einfluss ist, obwohl wahrheitsgemäß im nachfolgenden Text, in der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (SAP) und der Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) auf viele negative Einflüsse hingewiesen ist: Störung von Schwarzstorch- und Wanderfalkenhorsten, Verschwinden von geschützten Biotopen u. a.

In unserer artenmäßig bereits stark verarmten Landschaft wird jedes Vorhaben im Außenbereich die biologische Vielfalt negativ beeinflussen. Es kommt daher darauf an, das Vorkommen einer breiten Palette von Tier- und Pflanzenarten zu gewährleisten, anstelle wie üblich nur streng geschützte Arten zu betrachten und durch die Unbedenklichkeitsklausel den negativen Einfluss herunterzuspielen.

Bei den Pflanzen werden in der UVS (S. 386) zwar 26 Arten gelistet, aber keine in der SAP berücksichtigt. Nicht in die Liste aufgenommen ist die vorkommende Lungenflechte (Lobaria pulmonaria), streng geschützt nach BNatSchG, vom Aussterben bedroht nach Rote Liste Thüringen (RLT). Die Art ist im Untersuchungsgebiet zu kartieren.

Bei den Tieren wurde der Schwerpunkt auf die Vögel gelegt. Wir fordern bei den unterrepräsentierten Säugetieren in der Familie der Bilche nicht nur die Haselmaus zu listen, sondern auch Gartenschläfer (Eliomys quercinus, besonders geschützt nach BNatSchG und stark gefährdet nach RLT) und Siebenschläfer (Glis glis) aufzunehmen und zu kartieren, da das Untersuchungsgebiet potentielles Vorkommensgebiet darstellt.

Mit der Anlage des Oberbeckens wird nicht nur dort befindlicher Wald und Quellgebiete (geschützte Biotope) vernichtet. Es wird auch Einfluss auf hangabwärts gelegene Rinnsale, Bäche und Feuchtgebiete geben. Die am Kamm des Thüringer Waldes niedergehenden Regenmassen ergießen sich in diesem Bereich direkt in das Oberbecken und stehen für die hangabwärts fließenden Gewässer nicht mehr zur Verfügung. Die sich dort angesiedelten Feuchtbiotope außerhalb des Oberbeckens werden ebenfalls Veränderungen erfahren. Um einige wertvolle Feuchtbiotope entlang dieser Gewässer zu erhalten, fordern wir die relativ stark schüttenden Quellbereiche am westlichen Rand des jetzigen geplanten Oberbeckens zu erhalten und die Dammgrenze an dieser Seite zurückzusetzen.

Die Energieleitung soll im Bereich des Landschaftsschutzgebiets (LSG) Thüringer Wald durch ein Erdkabel erfolgen. Die Beeinflussung sei angeblich gering, weil der Leitungsverlauf entlang vorhandener Wege geführt wird. Es ist jedoch zur Genüge bekannt, dass in unserer intensiv genutzten Landschaft, sei es durch Forst- oder Landwirtschaft, gerade die Wegsäume besonders artenreich sind. Rechtzeitig vor Baubeginn ist der Zustand durch Kartierung zu dokumentieren und die richtigen Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen.

Außerhalb des LSG Thüringer Wald soll die Energieleitung über eine 380-kV-Trasse erfolgen. Die Planunterlagen sehen verschiedene Trassenverläufe vor. Nach Diskussion im Kreisvorstand fordern wir den endgültigen Verlauf wie folgt festzulegen:

  • Verlauf bei Herrenhof ändern und zwischen Herrenhof und Hohenkirchen die sensible Apfelstädtaue auf  kürzestem Wege zu kreuzen bis zur 10-kV-Leitung . (Die Apfelstädtaue unterhalb Hohenkirchen wird dann weniger beeinflusst.)
  • Dann entlang der 10-kV-Leitung und weiter auf der geplanten östlichen Schleife (Bündelung von Energie- und Verkehrsströmen, keine nahe Vorbeiführung an dem FND (Flächenhaftes Naturdenkmal) Kranichmoor und vorgeschlagenem GLB (geschütztes Biotop und Landschaftsbestandteil) Hirzberg mit Heideteich, weitere Entfernung vom Waldgebiet Boxberg, keine zusätzliche Zerschneidung in diesem Bereich).
  • Von Sundhausen bis Neufrankenroda ist die westliche Variante zu wählen (Bündelung mit Verkehrswegen,  keine neue Zerschneidung des Bereiches Krahnberg-Kriegberg-Berlach, weitere Entfernung zum FFH (Fauna-Flora-Habitatrichtlinie) -Gebiet Krahnberg-Kriegberg.)

Im Planfeststellungsverfahren sind vertiefende Untersuchungen zum Artenprogramm durchzuführen, wie wir dies bei unserer Stellungnahme von Ende 2011 zur Antragskonferenz gefordert haben und wie dies auch damals durch den Naturschutzbeirat des Kreises Gotha gefordert wurde.

Die vorgesehenen Bauvorhaben (Oberbecken, Stollen zur Talsperre Schmalwasser, Erdkabel, Freileitung) liegen alle auf dem Gebiet des Landkreises Gotha. Wir fordern, dass die avisierten Ausgleichsmaßnahmen auch in diesem Landkreis durchgeführt werden. Für natürlichen Waldumbau finden sich auch hier Fichtenforsten. Zur Hebung der biologischen Vielfalt sind Wasserläufe im Thüringer Wald mit eintönigen Uferbeständen aus Fichten vorrangig für eine naturnahe Gestaltung aufzunehmen.

An Schwerpunktstellen der Amphibienwanderung (B88 Friedrichroda und Landstraße bei Reinhardsbrunn, Landstraße Schnepfenthal – Ernstroda, B88 Ohrdurf-Crawinkel) sind Amphibientunnel und  feste Leiteinrichtungen zu schaffen.

H&H Makler