Wimpernschlag-Entscheidung

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Eine Umstellung in der Verteidigung, ein 20 Punkte hoher Rückstand der im letzten Spielabschnitt gedreht werden konnte, ein am Ende fast schon sicher geglaubter Sieg, der dem Harmsen-Team 4,1 Sekunden vor Ultimo doch noch entrissen wurde – Jenas Playoff-Auftakt bei den Gießen 46ers am Samstagabend bot viele Facetten des Basketballs, machte dem Attribut der Unberechenbarkeit im schnelllebigen Hochschulsport alle Ehre.

Science City Jena unterlag in Gießen nach 40 intensiven Minuten hauchdünn und unglücklich mit 74:75, empfängt die Hessen am Dienstag um 20.00 Uhr zum Rückspiel in der Sparkassen-Arena. „Wir haben am Anfang zu viele Offensiv-Rebounds abgegeben, während Gießen zudem stark von den Außenpositionen getroffen hat. Nach dem Rückstand zur Halbzeit haben wir unsere Verteidigung umgestellt, mussten viel Kraft investieren um zurückzukommen. Das Team hat große Moral bewiesen, sich spät eine Führung herausgeworfen. Am Ende entscheidet ein Korb, ein Freiwurf mit vier Sekunden Restspielzeit, über Sieg oder Niederlage. Natürlich ist dieser Ausgang bitter. Wir werden jedoch versuchen unsere Motivation für das Spiel am Dienstag aus dieser kämpferischen Leistung zu ziehen, sagte Trainer Björn Harmsen.

Dabei hatte es bis Mitte der zweiten Halbzeit kaum danach ausgesehen, dass sich eine derartige Dramatik entwickeln könne.Während Science-City-Trainer Björn Harmsen die Verteidigung seines Teams neu justierte, im Verlauf der ersten Hälfte Jenas bislang kraftraubende Ganzfeld-Pressverteidigung in der Kabine ließ um den Gegner erst ab der Mittellinie zu empfangen, blieb das Ergebnis zunächst aus. Die Hausherren erwischten, wie schon vor einer Woche den besseren Start, verwandelten ihre Würfe aus der Distanz zum Teil traumwandlerisch sicher. Stolze sieben der 14 Gießener Dreierversuche, egal ob offen oder gut verteidigt, fanden allein im Auftaktviertel ihre Ziel, während Science City ausnahmslos Fahrkarten produzierte. Mit der Bürde eines 11:27-Rückstands in den zweiten Spielabschnitt startend, stabilisierten sich die Saalestädter zusehends, kamen offensiv und defensiv in der Osthalle besser ins Rollen. So bestand nach einer vermeintlich komfortablen Gießener 46:30-Halbzeitführung durchaus noch Hoffnung für das Harmsen-Team.

Auch wenn diese zu Beginn des dritten Viertels nach einem Korb des Gießner Centers Robert Chubb zum 50:30 (21.) geringer wurde, stemmten sich Sim, Hudson und Co. gegen den drohen Kollaps. Mit vereinten Kräften kämpften sich die Thüringer wieder Punkt um Punkt an die Hausherren heran, befanden sich nach Dorenzo Hudsons Distanzwurf zum 60:53 (28.) und Ermen Reyes-Napoles Korbleger zum 60:55 wieder in Sichtweite. Doch die 46ers konterten zum Start der finalen zehn Minuten zunächst wieder eiskalt. Ein Distanzwurf von Anthony Di Leo brachte die Hessen erneut zweistellig in Front (31., 65:55) bevor Jena mit zunehmender Spieldauer die Partie unter Kontrolle bekam. Vier verwandelte Freiwürfe von Garrett Sim nach technischen Fouls gegen Benjamin Lischka (33.) und Steven Bennett (34.) ließen den zuvor hohen 20-Punktevorsprung der Lahnstädter auf 68:65 (34.) schrumpfen. Längst hatte sich das vorab auf Augenhöhe erwartete Duell entwickelt, welches in den Folgeminuten noch einmal deutlich an Dramatik zunehmen sollte.

Nachdem Garrett Sim mit seinem Distanzwurf aus neun Metern auf 68:68 (36.) ausgeglichen hatte, brachte Dorenzo Hudson die Thüringer durch einen Freiwurf zum 69:68 erstmals seit der 2.Minute (Tinnon, 4:3) wieder in Führung. Bis auf 74:71 (Hudson, 38.) hatten sich Jenas Korbjäger absetzen können, steuerten einem nicht unverdienten Überraschungserfolg in der Gießener Osthalle entgegen, bevor Myles Hesson an die Freiwurflinie das bittere Schicksal dieser Partie besiegelte. Während der englische Nationalspieler in Diensten der 46ers sich die insgesamt vier Gelegenheiten nicht entgehen lies, seinen letzten Treffer 4,1 Sekunden vor dem Ende mitten ins Jenaer Basketball-Herz setzte, scheiterte Garrett Sims Verzweiflungswurf einer durch Wimpernschlag-Entscheidungen in der Schlussphase gekennzeichneten Begegnung parallel zur Schlusssirene.