André Wesche im Gespräch mit Oliver Masucci

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Grafik: Gerd Altmann/Pixabay
H&H Makler

Herrhausen – Der Herr des Geldes. Ein Gespräch mit Schauspieler Oliver Masucci

Für den zweiteiligen Politthriller „Herrhausen – Der Herr des Geldes“ schlüpfte Oliver Masucci (55, „The Palace“) in die Rolle des visionären Bankers Alfred Herrhausen, der im November 1989 einem Bombenattentat zum Opfer fiel, dessen Umstände bis heute ungeklärt sind. Das Erste zeigt die Filme am 01. Oktober um 20:15 Uhr und am 03.Oktober um 21:45 Uhr. Als vierteilige Miniserie ist „Herrhausen“ bereits ab 30.September 2024 in der ARDmediathek zu sehen. Wir sprachen mit Oliver Masucci.

Herr Masucci, die Geschichte des Alfred Herrhausen ist ein Politthriller ersten Ranges. Wieviel wussten Sie vor diesem Projekt darüber?

Einiges, aber nicht so viel, wie ich jetzt weiß. Ich bin in Bonn groß geworden, also im politischen Zentrum der damaligen Bundesrepublik. Meine Eltern haben in ihren Restaurants Politiker bedient und ich erinnere mich sehr genau an das Attentat auf Gerold von Braunmühl, der in unserer Straße von der RAF ermordet wurde. Ich war damals mit seiner Tochter befreundet, sie wohnten hundert Meter entfernt, und plötzlich lag ihr Vater tot auf der Straße. Ich bin abends mit dem Fahrrad nach Hause gekommen, sah die Polizei, und als ich erfuhr, was passiert war, habe ich eine abgrundtiefe Abscheu gegen jede Art von Ideologie entwickelt. Auch das Bild von Herrhausens zerfetztem Mercedes in Bad Homburg, quer auf der Straße stehend, hat sich mir eingeprägt. Ein Bekannter hörte die Explosion der Bombe damals von seinem Klassenzimmer aus. So muss es auch Herrhausens Familie gegangen sein. Die Detonation am 30. November 1989 ereignete sich drei Minuten, nachdem er das Haus verlassen hatte. Die Ideologie der dritten Generation RAF scheint mir im Nachhinein eher die von Auftragsmördern mit Terrorismus als Businessmodell gewesen zu sein. Unser Drehbuchautor Martin Wendrich hat intensiv recherchiert, wem Herrhausen auf die Füße getreten ist und wer den Auftrag gegeben haben könnte. Deshalb folgen die Filme dem Weg der Bombe und dem Netzwerk dahinter.

Hat man damals Politiker noch anders gesehen?

Absolut. Man hatte ein anderes Verhältnis zu ihnen, als man es heute hat. Man hat damals einfach irgendwie unterstellt, dass sie es ernst meinen und die Befähigung mit sich bringen, Staatsgeschäfte zu führen. Das mag auch daran gelegen haben, dass es noch keine Social Media-Kanäle gab, auf dem sie sich lächerlich machen konnten. Helmut Kohl war ein absoluter Machtmensch, aber er verstand das Geschäft. Die SPD war noch eine Arbeiterpartei und hatte Politiker ersten Ranges. Heute wirkt sie wie ein Wohlfahrtsverein, der die Interessen der Menschen ignoriert, die den Sozialstaat finanzieren, und lieber Geld verteilt. Die Grünen waren Rebellen und ihrer Zeit in Teilen voraus, beides kann man heute so nicht mehr sagen.

Herrhausen dachte schneller und weiter als seine Zeitgenossen. Auch Ihnen tickt die Welt zu langsam. Tatsächlich nimmt der demokratische Prozess in Europa viel Zeit in Anspruch. Wie könnte man ihn beschleunigen?

Herrhausen hat mal gesagt: Schnelligkeit beginnt im Kopf. Ein Vordenker und Wirtschaftsfachmann wie er fehlt. Er war sich seiner politischen Verantwortung bewusst und wollte gestalten. Ärmeren Ländern die Schulden erlassen, um einen Markt zu schaffen, haben viele nicht begriffen. Jetzt treibt China dort Handel. Und auch andere Dinge hat er prophezeit, den Börsencrash, Frauen in Führungspositionen, Digitalisierung. Die wird ja auch Deutschland noch erreichen, irgendwann. (lacht) Man muss die Kraft und die Überzeugung haben, Dinge verbessern zu wollen. Geld hilft dabei, weil man investieren kann. Die Frage ist nur, ob angestellte Führungskräfte noch gestalten wollen, oder ob ihnen das Gehalt schon reicht. Vielleicht sind sie sich selbst auch genug? Oft scheint mir das so. Die meisten Spitzenkräfte der Wirtschaft äußern sich zu Konzerninteressen, selten zu gesellschaftlichen Fragen. Sie gehen den Debatten aus dem Weg. Ihnen fehlt der Wille zur Gestaltung Europas. Sie wollen mit der Politik nichts zu tun haben. Dann machen den Job eben andere. Und die machen ihn so, wie wir jetzt und in den letzten Jahrzehnten gesehen haben. (lacht) Der Kapitalabfluss von Europa nach Amerika betrug im letzten Jahr, glaube ich, 200 Milliarden Euro.

Ist das auch ein Mentalitätsthema?

Auf der einen Seite ist Deutschland ein Land der Erfinder und Optimierer. Andererseits aber sind wir ein Volk, das sich mit Veränderungen schwertut und ganz gern auf der Bremse steht. Die Bahn fährt nicht, in den Ämtern faxt man um die Wette, und weil man das Internet angeblich nicht an jeder Milchkanne braucht, ist man auch mit dem Funkloch per Du. Als Wähler sind wir empfänglich für Leute, die uns sagen: „Sie kennen mich, es bleibt alles beim Alten. Der Wohlstand, die Demokratie, Soziales und Gerechtigkeit.“ Das geht so lange gut, bis der Wohlstand nicht mehr da ist und die liberale Demokratie unter Druck gerät.

„Macht muss man wollen“, sagt Herrhausen im Film. Ist Ihre Macht im Filmgeschäft mit zunehmendem Erfolg größer geworden, zum Beispiel, was das Mitsprachenrecht an Projekten angeht?

Ja. Allerdings weiß ich nicht, ob es gut ist für mich. Es nervt Leute auch, wenn man mitreden will. Daher arbeite ich am liebsten dort, wo die Menschen im Filmgeschäft die kreativen Ideen für ein Projekt schätzen. Ich möchte, dass der deutsche Film besser und internationaler wird. Bei Herrhausen konnte ich dazu beitragen. Pia Strietmann ist eine außergewöhnliche Regisseurin und Gabriela Sperl kam als Produzentin sehr früh mit dem Projekt auf mich zu. Wir haben versucht, neu zu erzählen, spannend, eher in der Form der französischen Politfilme der 70er und 80er. Da haben sich Leute durch die ganze Welt gejagt. Herrhausen hat das Potenzial. Eine der größten Verschwörungen der Deutschen Geschichte und bis heute nicht aufgeklärt.

Viele Akten sind in diesem Fall verschwunden.

Ja. Dass die Stasi keine Akten über ihn hat, kann ja nicht sein. Die haben alle überwacht und ihn ganz gewiss mit höchster Priorität. Die CIA sagt, wir bekämen ihre Akten bis zum Sankt Nimmerleinstag nicht. Das alles lässt Freiraum für Spekulationen. Wir wissen es nicht, und so kann man auch erzählen, was man nicht weiß. Deswegen bin ich so gerne im Fiktionalen unterwegs und nicht in der Dokumentation. Gleichzeitig wurde viel recherchiert. Es ist vor allem ein spannender Polit-Thriller.

Im Film gibt es zwei Fahrstuhlszenen. In der einen wird Herrhausen von Frauen angehimmelt, in der anderen von Männern bewundert. Erleben Sie solche Momente als Prominenter auch?

Ja. (lacht) Man ist Projektionsfläche. Die Leute sehen in einem, was man gar nicht leisten kann. Aber ich hatte selten Momente, in denen es ein bisschen unangenehm wird. In der Regel macht man ein Selfie und es freut mich, wenn ich überall auf der Welt erkannt werde. Das ist gut fürs Geschäft. Dieses Jahr habe ich mit Nikolaj Coster-Waldau von „Game of Thrones“ in Island gedreht. Ich war zum ersten Mal dort, fliege nach Reykjavik und gehe in ein Café, um mir ein Brötchen und einen Kaffee zu holen. Das Erste, was der Kellner sagtt: „You’re German, right? You’re from „Dark“, you’re Ulrich!“ Das ist schon toll. Ich bin nicht Tom Cruise, dem sie die Bude einrennen. Das ist auch gut so. Aber dass ich überall, wo es interessant ist, Filme drehen kann, das ist großartig.

Wo sehen Sie Deutschland in 20 Jahren?

Hoffentlich viel weiter als dort, wo es momentan steht. Ich hoffe, dass Deutschland sich entideologisiert und stattdessen die Fehler analysiert, die wir gemacht haben, um richtige Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. Dass die Industrie nicht abwandert, dass in Deutschland investiert wird, Arbeitsplätze entstehen, wir Spitzenforschung betreiben und weniger Schulabbrecher haben. Und ich wünsche mir, dass wir auch in 20 Jahren die Autobahn nicht abgeschafft haben. Selbst wenn die Bahn dann hoffentlich funktioniert.

Sie sind sehr fleißig. Wie verhindern Sie, dass – wie bei Herrhausen – der Job Ihr Leben bestimmt?

Er bestimmt mein Leben und gibt mir auch einiges zurück, weil ich so viele Impulse erhalte, soviel Neues kennenlerne. In Island bin ich mit meinen Kindern im Helikopter über den Vulkan nahe Reykjavík geflogen. Ich habe da am Fjord gestanden und eine BBC-Serie über Wilhelm den Eroberer gedreht. Währenddessen zogen die Wale vorbei. Im Sommer war ich drei Monate in Israel und habe für die Hauptrolle einer Serie auf Hebräisch gedreht. Ich lerne ganz viel Verschiedenes überall auf der Welt kennen. In Bonn, sobald ich einen Führerschein hatte, bin ich immer zum Flughafen gefahren und habe mir angeschaut, wie die Flugzeuge weg fliegen. Das wollte ich auch gern. Ich hatte immer Fernweh. Ich wollte das nötige Kleingeld haben, um reisen zu können. Das kann ich jetzt mit meinem Beruf. Das bestimmt mein Leben sehr, und das Leben meiner Familie.

Inwiefern?

Es ist toll, wenn alle mitreisen. Meine Kinder kommen oft mit, das verhandle ich auch in die Verträge hinein – sonst würde ich sie viel zu selten sehen. Meine Freundin begleitet mich auch. Sie ist Journalistin und macht dort ihre Arbeit, je nachdem, wo ich bin. Aber ich habe auch die Möglichkeit, mich mal zurückzuziehen. Und wenn ich keine Lust habe, mal kein Hahn nach mir kräht, dann habe ich frei. In den schweizer Bergen oder auf dem Land in Mallorca, ich könnte locker fünf Monate nichts machen und warten, bis die nächste Eingebung kommt. Olivenbäume pfropfen, Oliven ernten, Tomaten züchten – das ist der Luxus, den ich mir erarbeitet habe und den ich sehr genieße. Aber dieses Jahr bin ich wirklich noch nicht dazugekommen. (lacht)

Die Fragen stellte André Wesche.

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