Wetter im ZDF – 30 Jahre mit Katja Horneffer
Ein Gespräch mit Diplom-Meteorologin Dr. Katja Horneffer.
Am 14. September 1993 präsentierte die Diplom-Meteorologin Dr. rer. nat. Katja Horneffer im „ZDF-Mittagsmagazin” zum ersten Mal das Wetter. Seit Januar 2020 leitet die 55-jährige das Wetterteam im Zweiten. Zum 30-jährigen Jubiläum sprachen wir mit der Moderatorin über ihren Werdegang, die Klimakrise und Pannen vor laufender Kamera.
Frau Horneffer, unser Interview beginnt um fünf vor zwölf. Hatten Sie schon vor dreißig Jahren das faktenbasierte Gefühl, dass für die Menschheit diese Stunde geschlagen hat? Und wie spät ist es heute?
Während meines Studiums haben sich die Studierenden verschiedener meteorologischer Institute Deutschlands einmal im Jahr getroffen. Bei diesen Zusammenkünften haben wir uns zu kleinen Arbeitsgemeinschaften zusammengefunden und eine davon hieß passenderweise „Medien und Meteorologie”. Wir haben Anfang der 90er Jahre eine Straßenumfrage gemacht und die Menschen gefragt, ob ihnen irgendwas am Wetter auffällt oder Sorgen macht. Ich erinnere mich noch ganz genau, dass uns tatsächlich viele Leute geantwortet haben: „Ja, ich stelle fest, ich bekomme viel schneller einen Sonnenbrand als früher. Das mit dem Ozon-Loch ist ja besorgniserregend.” Das fand ich spannend, weil sich bereits damals Menschen, Passanten auf der Straße, keine Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Gedanken über diese Dinge gemacht haben. Sie haben auch etwas über Wetterfühligkeit erzählt. Gegenstand des Meteorologie-Studiums war natürlich schon damals, wie sich das Klima auf der Welt verändert. Nun ist das in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Wenn wir damals schon fünf vor zwölf hatten, stehen wir heute wahrscheinlich schon bei fünf nach zwölf.
Inwiefern?
Die Atmosphäre hat ein sehr langes Gedächtnis. Das, was wir aktuell an Extremwetter durch den Klimawandel beobachten, ist die Auswirkung dessen, was wir vor fast 30 Jahren in die Luft gepustet haben. Da wir immer noch Treibhausgase ausstoßen, können wir uns vorstellen, dass in 20 oder 30 Jahren es global noch heißer wird und noch heftigere Extremwetter drohen – selbst wenn wir jetzt sofort auf die Netto-0, die die Bundesregierung für 2045 anstrebt, kommen würden. Über das berühmte Klimaziel von Paris, die 1,5 Grad, sind wir schon hinaus, auf diesem Pfad bewegen wir uns schon lange nicht mehr. Die Wissenschaft geht davon aus, dass wir bereits bei zwei Grad globaler Temperaturerhöhung gegenüber der vorindustriellen Zeit oder darüber landen werden, selbst wenn wir ganz schnell ganz viele unserer Ziele umsetzen. Und das muss passieren. Jeder von uns trägt eine Verantwortung, aber natürlich auch die Politik. Ohne klimaschädliches Verhalten zu sanktionieren und klimafreundliches zu belohnen, kommen wir einfach nicht aus dieser Sache raus.
Was hat Sie am Meteorologie-Studium gereizt?
Das ist eine abstruse Geschichte, weil die allermeisten Meteorologinnen und Meteorologen Überzeugungstäterinnen und -täter sind und oft schon als kleine Kinder irgendwelche Wetterstationen aufgebaut haben. So war ich nicht, bei mir war es eher ein Zufall. Ich hatte ein Buch gelesen, in dem es um einen Meteorologen ging, der einen Radiosondenaufstieg durchführt, was man mit bunten Luftballons macht. Da dachte ich in meinem kindlichen Leichtsinn, dass es doch sehr schön wäre, wenn man beruflich Luftballons steigen lassen könnte. Wenn mich dann Menschen gefragt haben, was ich mal werden möchte, habe ich „Meteorologin“ gesagt. Dann hatte ich meine Ruhe. Nach dem Abitur musste ich mich entscheiden und habe das dann tatsächlich durchgezogen. Am Anfang war es vielleicht nicht die beste Entscheidung, da die Meteorologie ja die Physik der Atmosphäre ist und ich Physik nach der zehnten Klasse abgewählt habe. Inzwischen kann ich behaupten, meinen Traumjob gefunden zu haben.
Warum haben Sie den Weg in die Öffentlichkeit gesucht?
Weil ich bei meiner Promotion programmiert habe. Wenn Sie programmieren, suchen Sie manchmal Programmierfehler, was Tage dauern kann. Ich habe festgestellt, dass ich das nicht mein Leben lang machen und irgendwelche Programmierfehler suchen möchte. Da gab es mir einfach nicht schnell genug ein Ergebnis. Die Wettervorhersage ist nur ein ganz kleiner Bruchteil der gesamten Meteorologie. Wir machen heute eine Wetterprognose und sehen schon am nächsten Tag, ob sie richtig oder falsch war. Das funktioniert also viel kurzfristiger und man hat – hoffentlich – viel schneller ein Erfolgserlebnis, auch wenn man vielleicht mal einen Misserfolg verzeichnet, wenn die Prognose eben danebengegangen ist. Meistens sind das aber nur Nuancen und es war ein Grad mehr oder weniger warm. Dass wir für den nächsten Tag komplett daneben liegen, kommt kaum noch vor. Auf Dauer fand ich das spannender, natürlich auch, weil das Wetter jeden Tag anders ist. Bei der Wettervorhersage kommen einem viel Routine und Erfahrungen zugute.
Wie schmal kann in Ihrem Job der Grat zwischen rechtzeitiger Vorwarnung und Panikmache sein?
Die Warnung der Öffentlichkeit ist eine hoheitliche Aufgabe des Deutschen Wetterdienstes. Er muss warnen und tut das auch. Es wird sogar in den Nachrichten verlesen, wenn eine Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes läuft, zum Beispiel: „Gewarnt wird vor heftigen Gewittern mit Starkregen, Hagel bis 5 cm Korngröße und Orkanböen in Teilen von Bayern und Baden-Württemberg.“ Meine Aufgabe im Wetterbericht ist es dann, diese Dinge einzuordnen und eine Prognose darüber aufzustellen, wie sich diese Gewitter, vor denen der Deutsche Wetterdienst aktuell warnt, in der Nacht entwickeln. Wird das noch schlimmer? Erwarten wir neue Gewitter aus der Schweiz heraus oder nicht? Ebbt das alles ab, weil die Atmosphäre nicht mehr genügend Energie hat? Wie geht es dann am nächsten Tag weiter? Über Unwetterwarnungen muss der Deutsche Wetterdienst aufgrund der Wetterlage entscheiden. Panikmache sehe ich bei denen nie. Es ist immer sehr gut überlegt und begründet, wenn eine Unwetterwarnung rausgeht.
Sehen Sie den Klimawandel als Mutter und als Wissenschaftlerin mit unterschiedlichen Augen?
Nein, das kann ich nicht trennen. Ich kann das nicht abstellen, ich bin nur dieser eine Mensch und auch nicht schizophren. Ich bin nicht zu einer Hälfte Frau und zur anderen Hälfte Wissenschaftlerin. Als eine Person glaube ich nicht, dass ich das deswegen anders sehe. Wenn man Kinder hat, fühlt man sich vielleicht noch stärker verantwortlich für das, was auf diesem Planeten passiert. Ich möchte aber niemand Kinderlosem absprechen, dass er oder sie nicht auch eine Verantwortung für zukünftige Generationen fühlt, auch wenn man persönlich keine Kinder hat.
Hat sich die Gleichstellung der Frauen bei den Öffentlich-Rechtlichen in den letzten drei Jahrzehnten spürbar verbessert oder war es von Anfang an recht gut darum bestellt?
Ich glaube schon, dass sich inzwischen – und das ist, glaube ich, sogar gesamtgesellschaftlich zu sagen – die Stellung der Frau dahingehend verbessert hat, dass wir jetzt nicht mehr immer nur nach unserem Alter und Aussehen beurteilt werden. Genauso, wie man die Qualität eines Wetterberichtes nicht mit der Uhr messen kann, kann man sie auch nicht nach dem biologischen Alter der Person beurteilen, die vor der Kamera herumturnt und ihn präsentiert. Früher war es wahrscheinlich schon so, dass Frauen häufiger nicht so lange moderieren durften, wie sie hätten moderieren können, weil irgendjemand gemeint hat, dass man lieber eine junge, hübsche Frau sehen möchte. Ich glaube aber, dass das wirklich so antiquiert ist, dass heute kein Mensch mehr ernsthaft diese Begründung heranziehen kann. Das passiert einfach nicht mehr. Wir sind in den letzten 50 Jahren wirklich weitergekommen.
Haben Sie mal einen Fehler gemacht, mit dem man Sie noch heute aufzieht?
Ein schöner Fehler war ein technischer: Wir hatten beim Live-Morgenmagazin die Karte zum Wetter, ich drehe mich um und sage: „Ja, morgen…” Dann hatte ich hinter mir keine Karte, alles war einfach nur total schwarz. Und ich: „Ja, es gibt kein Morgen.” Das gab es dann aber doch. Auch im Mittagsmagazin gab es mal eine schöne Sache. Inzwischen sendet das Mittagsmagazin wieder aus einem realen Studio, aber wir hatten eine ganze Zeit lang ein virtuelles Studio. Dort können schon mal Dinge passieren. Wir haben verschiedene Kameras und wissen, dass in den Studios die Scheinwerfer von den Decken hängen. Ein Computer rechnet raus, wo diese Scheinwerfer hängen, damit man sie im Fernsehen nicht sieht. Dann wird ein künstlicher Himmel erzeugt. Einmal war eine Kameraeinstellung so ungünstig, dass ich plötzlich keinen Kopf mehr hatte. Da sah man mich herumturnen, aber meinen Kopf nicht mehr, weil der vom Computer weggerechnet wurde. Das kann man, glaube ich, immer noch im Internet finden: „Katja Horneffer moderiert kopflos”. Das sind schöne Pannen, über die man hinterher herrlich lachen kann. So etwas ist mal passiert, aber sonst? Ein schlimmer Versprecher? Toi, Toi, Toi, der kann mir ja morgen gleich passieren.
Genießt der in Ihrem Metier angesiedelte Film „Und täglich grüßt das Murmeltier” in Ihrer Branche Kultstatus?
Absolut, aber vor allem wegen dieses Carpe-Diem-Effekts. Ich denke häufig daran, denn überraschend oft orientiert sich mein Leben an dieser Maxime: Was lässt sich alles in einen Tag packen? Ich finde den Film total klasse, für mich hat er Kultstatus. Ob für andere Meteorologen auch, weiß ich nicht, aber natürlich ist er schön. Auch dieser Spruch, den ich immer sehr gerne benutze. Bill Murray sagt am Anfang, als er noch in dieser arroganten Phase ist: „Vielen Dank fürs Einschalten.” Wenn mich also mal einer erkennt oder etwas sagt, sage ich meistens auch als Abschluss: „Vielen Dank fürs Einschalten!” Denn dafür machen wir es ja. Wenn wir nicht erkannt würden, wäre das nicht so schön.
Lassen Sie uns träumen: Welche wäre die denkbar schönste Wetter-Nachricht, die Sie dereinst in Ihrer letzten Sendung verkünden dürften?
Naja, das kommt darauf an. Häufig ist die beste Wetternachricht: Endlich kommt Regen!
Die Fragen stellte André Wesche.