„Oscar am Freitag“-Kolumne: (K)ein Herz und (k)eine Seele

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von Rainer ASCHENBRENNER

Die Welt scheint ein Tollhaus. Die große wie die kleine.

Der Weiße-Haus-Besetzer demonstriert tagtäglich, wie kreuzgefährlich ein Mobiltelefon ist. Da braucht es keine Flugzeugträger, um Krisenherde wieder lichterloh brennen zu lassen.

BILDhafte Sprache ist ebenso explosiv, wie das politische Berlin demonstriert: Was Noch-Verfassungsschutzpräsident Maaßen mit seiner Bewertung der Ereignisse von Chemnitz alles ins Rollen brachte, macht (ver)fassungslos.

Weniger wegen seiner finalen Verwendung in Seehofers Ministerium für Inneres, Bau und die Heimat, die bekanntlich „nicht nur die Städte und Dörfer“, sondern auch all die Bäume im Hambacher Wald sind. Das alles darf Maaßen nun als Sonderberater schützen.

Vielmehr agiert die GroKo gerade mit unzähmbarem Drang zur Selbstzerfleischung. SPD-Frontfrau Andrea „Kassandra“ Nahles gab schon nach dem ersten faulen Maaßen-Kompromiss zu Protokoll: „Wir haben Vertrauen verloren, statt es wiederherzustellen.“ Sagte es – und machte unverdrossen weiter wie zuvor. Wie alle anderen im (Albt)Raumschiff Berlin.

Doch auch das beschauliche Residenzstädtchen ist ein Tollhaus – dank höchstamtlicher Ausschreibung der Stelle des 1. Beigeordneten im Rathaus.

Die ist zum 1. November 2018 vakant, weil die Amtszeit für Inhaber Klaus Schmitz-Gielsdorf, gern auch KSG genannt, endet.

Schon dessen Wahl 2012 sorgte für Furor. Sechs Bewerber gab es zunächst. Zwei sprangen damals vorab ab, ein dritter am Tag der Entscheidung. Für die Wahl hatten sich Stadträte der CDU, FDP, BI und SPD eine Wunschkandidatin auserkoren, die auch OB Knut Kreuch genehm war. Doch Kerstin Götze-Eismann unterlag gegen Schmitz-Gielsdorf, den „Mann von außen“, den Freie Wähler und Linke unterstützten. So knapp, dass OB Kreuch die Kommunalaufsicht um Wahlprüfung bat.

Diese schwere Geburt wirkte nach. Ein Herz und eine Seele wurden KK und KSG nicht. 2015 sprach der OB von einem „seit Längerem zerrütteten Vertrauen“ und suspendierte seinen Vize vom Dienst. Der klagte sich an seinen Schreibtisch zurück.

Jetzt haben wieder Gerichte das Sagen. Die Ausschreibung fordert nämlich, dass Bewerber Volljuristen sein müssen. Das ist KSG nicht. Deshalb rief er das Weimarer Verwaltungsgericht an, weil er sich als Amtsinhaber diskriminiert sieht.

Pikant an der Ausschreibung auch die Forderung von „äußerster Loyalität dem Dienstherrn gegenüber“. Das ist – keine Überraschung! – der Oberbürgermeister.

Also ist die Welt, die große wie auch die kleine, tatsächlich ein Tollhaus?

Vor 29 Jahren in Leipzig: Da waren es am 4. September erst eine Handvoll Leute, drei Wochen später schon gut 5.000, die es nicht mehr „mit sich machen“ lassen wollten. Deren Mut war ansteckend.

Und jetzt, was ist jetzt bloß mit uns los?!?

„Wir stehen selbst enttäuscht und seh‘n betroffen
den Vorhang zu und alle Fragen offen.“
(Bertolt Brecht: Der gute Mensch von Sezuan, Epilog (Der Spieler). In: Ausgewählte Werke in sechs Bänden. Zweiter Band: Stücke 2. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997. S. 29)

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