PETER LOHMEYER – PONYHERZ – im Interview

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Bild: Boris Laewen

Ponyherz – Ein Gespräch mit Schauspieler Peter Lohmeyer

Die Kinderbücher der Ponyherz-Reihe von Usch Luhn sind millionenfach über die Ladentische gegangen, nun bekommt das Format ein weiteres Standbein. Der „Ponyherz”-Kinofilm startet am 24. August in den Kinos. In dem Pferdeabenteuer verkörpert der beliebte Schauspieler Peter Lohmeyer („Das Wunder von Bern”) den Hofbesitzer Onkel Pieter. Wir sprachen mit dem 61-jährigen über prägende Jugenderlebnisse, Vertrauen sowie aktuelle Ängste und Sorgen.

Herr Lohmeyer, Kinderfilme treten in Ihrer Filmographie erst in den letzten zehn Jahren verstärkt auf. Wie kommts?

Ich mache eigentlich immer das, was Spaß macht und worauf ich Lust habe. Und die Abwechslung sucht man sowieso. Ich habe vor der Schauspielschule mit Kinder- und Jugendtheater angefangen. Es ist immer gut, nicht nur für ein breites Publikum zu spielen, sondern auch die Begegnung mit den jungen Zuschauern im Theater oder jetzt im Kino zu haben. Darauf freue ich mich total und erzähle diese Geschichten mit der gleichen Professionalität wie Erwachsenengeschichten. Beim Kinderfilm gibt es ja auch viele verschiedene Spielarten. Da gibt es ein ernstes Drama, aber auch lustige Stoffe. Man wäre schön blöd, wenn man ein gutes Buch ablehnt. Ich würde nicht grundsätzlich jeden Kinderfilm machen. Es hängt – wie bei anderen Filmen oder beim Theater auch – von der Qualität des Stoffes ab. Ich möchte Spaß haben. Und den hat man eigentlich nur, wenn man Qualität auf dem Tisch hat.

Wie sattelfest sind Sie?

Sehr! Ich habe trainiert. Vor diesem Film konnte ich schon ein bisschen reiten, aber für „Ponyherz” habe ich zusätzliche Reitstunden genommen. Ich bin wohl ein Talent, die Reitlehrerin war super zufrieden mit mir. Ich habe zu dieser Zeit in München gedreht und dort Reitunterricht gehabt. Beim Dreh hatte ich dann ein komplett anderes Pferd. Das machte aber nichts. Ich habe keine Angst vor Tieren. Respekt sollte man haben, aber ich habe keine Scheu. Ob das jetzt im Blut liegt, weiß ich nicht. Ich habe schnell gelernt, wie man mit Pferden umgeht und spricht. Ich bin im Film ja ein Flüsterer. Früher habe ich das immer bewundert. Ich habe eine Freundin, die das professionell macht. Da habe ich immer zugeschaut und gestaunt: „Wow, wie geht das denn?” Das kann man aber lernen. Nicht, dass ich jetzt ein Profi wäre. Ich glaube, es kommt im Film so rüber, als würde ich das können.

Die Situation der jungen Protagonistin, an einem neuen Ort mit einer neuen Schulklasse klarkommen zu müssen, ist Ihnen aus Ihrer Kindheit wohlbekannt. Haben Sie darunter gelitten?

Ja und nein. Es hat mir etwas genommen, aber auch etwas gegeben. Ich habe in dem Sinne gelitten, dass es am Anfang immer schwierig ist, egal wo man hinkommt. Weil wir mal ins Schwabenland gewechselt sind, war es für mich quasi eine neue Sprache, die ich erstmal verstehen und lernen musste. Aber es ist natürlich ein wahnsinniger Reichtum an Menschen, die ich kennengelernt habe. Ich habe dreimal das Gymnasium gewechselt und einmal die Grundschule, ich habe keine Freunde über zehn Jahre oder länger, mit denen ich zur Schule gegangen bin. Da schaue ich manchmal neidisch drauf. Andererseits habe ich dadurch gelernt, mich in eine Gemeinschaft einzufügen und mit einer neuen Gemeinschaft zurechtzukommen. Das hat mir für meinen Beruf geholfen, weil man im Theater oder an einem Filmset ankommt und dort eine Gruppe von 60 Leuten am Filmset und zehn bis zwölf, plus Regisseur, am Theater stehen. Mit diesen Gruppen musst du ein paar Wochen leben und irgendwie zurechtkommen. Da bin ich immer ziemlich gut darin, denke ich, unter anderem, weil ich eben so oft die Schule gewechselt habe.

Erinnern Sie sich an Ihre erste Jugendliebe und Ihren ersten Kuss?

An meinen ersten Kuss ganz dunkel. Da komme ich schon ein bisschen durcheinander, damals war ordentlich was los. Ich erinnere mich lustigerweise an den ersten Filmkuss, weil der nicht geschmeckt hat. Die Kollegin hat damals geraucht und das fand ich nicht gut. Das war ein bisschen entsetzlich. (lacht) Ich habe zu dem Zeitpunkt selbst noch nicht geraucht, da war ich bestimmt schon 20 oder 21. An die erste große Liebe, mit der ich dann „gegangen“ bin, erinnere ich mich aber schon. Ich erinnere mich daran, wie schüchtern man war. Wie man Händchen haltend die Stufen dieser ersten Lieben hinaufgestiegen ist. Bevor man küsste, gab es dieses Händchenhalten. Das war schon furchtbar spannend! Eigentlich ist das so eine Urform, weil man ja nicht jemanden direkt auf den Mund küsst. Es gibt immer erst eine Berührung und die Hand spielt dabei eine ganz große Rolle. Es war wahnsinnig spannend, wenn man zum Beispiel mit der Schule auf einer Wanderung war. Man lief nebeneinander her, berührte sich und dachte: „Will das Mädchen jetzt, dass meine Hand ihre berührt?” Dann gab es Gänsehaut.

Der Film zeigt auch, dass die Kids heute alles mit dem Handy filmen und ins Netz stellen. Hat das Ihr Leben als Promi verändert?

Ich bin ganz froh, dass ich das bisher nicht erleben musste. Früher gab es viel mehr Autogrammjäger. Natürlich ist es jetzt einfacher, wenn man mit jemandem ein Selfie macht. Er hat eine Erinnerung und gut ist. Bei mir ist noch nie etwas in dem Sinne hängengeblieben, dass mir jemand Sorgen bereitet oder mir durchs Internet eine reingewürgt hat. Es ist aber auch immer die Frage, wie man sich da selbst bewegt. Wie prominent macht man sich? Wie nötig hat man es, hier und dort zu sein? Wenn ich das beobachte, ist das für mich wie eine Boulevard-Zeitung, die ich beim Arzt lese. Ich kann das alles nicht ernst nehmen. Ich nehme es als Amüsement, wenn ich mich gerade mal furchtbar langweile – was ich selten tue. Aber ansonsten, wenn es um Politik geht, finde ich das Internet und die Sozialmedien schon wichtig. Es ist wahnsinnig wichtig, dass das in der Schule richtig behandelt wird. All diese Schritte haben mit der Erziehung zu tun und damit, wie man in der Schule damit umgeht. Da haben unsere Lehrkräfte einen der wichtigsten Jobs in diesem Land: Bei der Erziehung zu helfen, was soziale Medien betrifft.

Es gibt viele überforderte Eltern, die viele Sachen nicht mitkriegen. Was gerade in den sozialen Medien läuft und so weiter. Wie kann man als Lehrer Teil dieser Gemeinschaft Schulklasse sein, um den jungen Menschen zu erklären, wie man mit solchen Dingen umgeht? Das ist unglaublich wichtig. Ich habe einen riesigen Respekt vor Lehrern. Bildung ist die Voraussetzung für sozialen Frieden. Zum Glück müssen wir uns nicht wie andere Länder erstmal um das Essen kümmern. Für uns ist die Bildung mit das Wichtigste. Sie ist so wichtig, denn je gebildeter wir sind, desto sozial verantwortlicher sind wir. Für mich ist das wie eine Pyramide, die sich aufbaut.

Onkel Pieter sagt, dass Vertrauen die wichtigste Basis zwischen Mensch und Pferd liefert. Das gilt im Leben ja allgemein. Ist es schwer, Ihr Vertrauen zu gewinnen und in Ihren inneren Kreis aufgenommen zu werden?

Nein. Ich kann nicht sagen, dass das schwierig ist. Mein Beruf bringt mit sich, dass man so eine Art Menschenkenner ist. Wenn ich jemandem Vertrauen schenke, dann sind es meistens sowieso die Leute, die ich mir aussuche. Wenn sich jemand mich aussucht und mein Vertrauen gewinnen will, muss er natürlich auch durch meinen Vertrauenscheck. Der geht aber ziemlich schnell. Das Wichtigste bei mir ist eine Vokabel, die überall drübersteht. Die lautet „zuhören“. Wenn ich merke, dass mir jemand zuhören kann und ich derjenigen Person auch zuhöre, ist das schon eine Basis fürs Vertrauen. Und wenn man sich zuhört, merkt man auch, ob der andere interessant ist, was an ihm oder ihr dran ist und wie er oder sie denkt. Man merkt, ob es Sinn macht, sich gegenseitig Vertrauen zu schenken. Deshalb ist die wichtigste Vokabel „zuhören”. Wenn man nicht zuhört, kann man nichts erfahren und kein Vertrauen entwickeln.

Das Leben ist kein Ponyhof, dass ist in den letzten Jahren überdeutlich geworden. Wie sehen Sie diese Welt von heute, was bereitet Ihnen Sorge oder macht sogar Angst?

Ja, es ist zu viel. Ich denke immer: Gott, bin ich froh, dass ich in einer der wunderbarsten Zeiten im letzten Jahrhundert groß geworden bin! Auch wenn es Krisen gab, hatte man das Gefühl, es gab bei den Nachrichten auch mal 50 Prozent gute Meldungen. Wenn ich heute Morgen die Nachrichten höre, ist da kaum etwas Positives. Erst freut man sich noch über einen Beitrag, bei dem es um den Frauenfußball in Australien geht und gleich hinterher kommen wieder schreckliche Meldungen aus der Ukraine. Und das Schlimmste natürlich: das Klima. Das wird dann immer so beiseitegeschoben. Ich frage mich immer, wie schlau die Menschen sind, wenn sie nicht begreifen, dass Vieles von dem egal ist, über was man redet. Das alles wird es sowieso nicht mehr geben, wenn wir nicht mehr existieren. Wenn wir so mit unserer Umwelt weitermachen, dann sind alle anderen Probleme nichtig, weil keine Existenzgrundlage mehr existiert. Ich muss mich immer fragen, wie weit ich mich mit meinen Gedanken auf die Gegenwart einlasse, wenn ich mich auf eine neue Rolle vorbereite.

Inwiefern?

Ich frage mich: Wie weit darf ich das ignorieren oder zur Seite legen und dann weiterarbeiten, gleichzeitig wissend, dass ich wie ein Mini-Tropfen bin, der nur mit ganz vielen anderen Tropfen etwas auslösen kann. Ich kann aber nicht wirklich etwas machen. Man muss schon deutlich sagen, dass das eine Kack-Zeit ist. Ich weiß nicht, wo man anfangen soll. Ich bin kein Quengeltyp, ich habe nie gejammert. Ich habe immer noch Freude daran, aus dem Fenster zu schauen und draußen ist es grün. Gleichzeitig habe ich mir in den letzten Wochen gedacht: Es darf doch nicht wahr sein, wie heiß es jetzt ist! Da kommt dann schon alles wieder hoch, 48 Grad in Spanien. Man denkt sich, dass wir die Alarmsignale immer noch nicht gehört haben. Wollen wir immer noch 130, 140 oder 150 auf der Autobahn fahren? Das ist so schade, weil mein Beruf eigentlich beinhaltet, Menschen mitzunehmen. Dass das die Politik nicht schafft, ist wirklich bedrohlich. Meine Kinder sind alle stark und gesund, darüber freue ich mich. Deren Aufgabe und die Aufgabe meiner Enkel, die es noch nicht gibt, wird es sein, um diesen Planeten zu kämpfen. Das müssten wir eigentlich jetzt schon tun. Deshalb denke ich mir bei jeder neuen Beschäftigung: Wie wichtig ist das jetzt in Bezug auf das, was gerade passiert? Wir müssen unsere Kultur erhalten. Deshalb mache ich Filme und Theater: Ich bin ein Geschichtenerzähler. Ich möchte den Leuten etwas mitteilen und nicht nur eine heile Welt vorgaukeln. Deshalb suche ich mir Geschichten aus, bei denen es Sinn ergibt, sie weiterzutragen.

Die Fragen stellte André Wesche.

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