„Oscar am Freitag“-TV: Hauptmarkt-Sanierung fordert „grünen“ Tribut

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Gothas Hauptmarkt. Seit einem halben Jahrtausend hat sich sein Grundriss kaum verändert. Diesen beständigen Grundriss zu erspähen, dies blieb über Jahrhunderte nur Vögeln aus deren luftiger Perspektive vorbehalten. Heutzutage liefern Drohnen uns diesen Blick.

Das Drumherum, das Obendrauf des Hauptmarkes indes änderte sich immer wieder. Noch jede Generation hat ihre Spuren hinterlassen.

Jetzt steht ab 2019 wieder eine Zäsur ins Haus:

Der Hauptmarkt wird saniert. Nicht bloß seine granitne Haut bekommt eine Frischzellenkur – respektive neue Pflasterung. Eine übrigens, auf der Kind, Mann und selbst Frau mit hochhakigem Schuh sicher flanieren kann.

Auch – und vor allem! – das Untendrunter ist dann Mode: Wasser, Abwasser, Strom, Gas, Fernwärme, Datenleitungen… – alles wird neu verlegt und soll für mindestens das nächste dreiviertel Jahrhundert Bestand haben.

Beschlossen hat dies der Stadtrat Anfang des Jahres. Acht der zehn Millionen, die das kosten wird, sind Städtebaufördermittel.

Das große Graben wird Einschränkungen mit sich bringen.
Und es wird Opfer kosten: 20 sind schon bekannt.

Die 16 Winterlinden auf dem oberen und die vier Kastanien auf dem unteren Hauptmarkt.

Dass die 20 Bäume fallen werden, ruft schon jetzt heftige Kritik hervor. Die Stadt habe seit Jahren ein gestörtes Verhältnis zu Großgrün, sagte der Kreisvorsitzende des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Ronald Bellstedt gegenüber OaF-TV. Er bemängelte zudem, dass Hecken und Bäume so radikal zurückgeschnitten würden, dass sie nicht mehr als Brutplätze für Vögel taugten.

Albrecht Loth, Stadtrat der Fraktion Piraten/Bündnis 90 – Die Grünen und NABU-Vorstandsmitglied, spricht von einem herben Verlust. Er sei überzeugt, dass schon länger von der Stadtverwaltung veranlasste Baumfällungen – Zitat – „unverhältnismäßig in die Substanz des Gothaer Stadtgrüns in der Innenstadt eingegriffen haben“. Allerdings räumt auch Loth ein, dass die grundhafte Sanierung des Hauptmarktes keine andere Lösung als das Fällen und eine Neuanpflanzung zulassen könne.

Noch stehen sie auf dem Hauptmarkt – die 16 Winterlinden Winterlinden aus den 1980er-Jahren und auch die vier Kastanien vorm Rathaus.

Doch ihr Schicksal ist besiegelt.
Sie werden verschwinden.

Fachliche Gründe sprechen dafür. Sie werden ganz gewiss nicht einfach mal so geopfert, auch wenn ein Satz wie: „Der Erhalt der Winterlinden ist nicht bauverträglich.“ das vermuten ließe.

Bekommt ihr Ersatz angemessenen Platz zum Wachsen und Gedeihen und obendrein regelmäßig und genügend Wasser, dann wird es gewiss nächstens heißen: „Die Bauplanung ist nicht baumverträglich und muss deswegen geändert werden.“

So wird nämlich ein Schuh daraus.

Und trotzdem:
Bäume sind Insektenweiden, Brutplätze für Vögel, Wohnung von Fledermäusen. Sie filtern Feinstaub aus der Luft und binden Kohlendioxid. Grob übern Daumen gepeilt, muss man 80 neue Bäume anpflanzen, um genau diese „grüne Kraft“ eines „erwachsenen“ Baumes zu ersetzen.

Würde nach Adam Ries im Falle des Gothaer Hauptmarktes einen Wald von 1.600 Bäumchen ausmachen…

Die 20, die es ganz sicher werden, machen rund 1 % von den 10 Mio. Euro Sanierungskosten aus.

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