Von ganz jung bis ganz alt

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Prof. Dr. Michaela Riediger, Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie am Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena, aufgenommen am 26.04.2017. Foto: Anne Günther/FSU

(Jena) Viele Eltern hoffen, dass mit dem Ende der Pubertät die Entwicklung ihrer Sprösslinge abgeschlossen ist – und sie hoffen natürlich auf ein ruhigeres Leben. Die Pubertät ist eine Phase großer Veränderungen, aber die „Entwicklung hört nicht mit Erreichen des Erwachsenenalters auf, sondern umfasst den gesamten Lebenslauf von der Konzeption bis zum Tod“, betont Prof. Dr. Michaela Riediger von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die neu berufene Professorin für Entwicklungspsychologie vertritt diese Lebensspannenperspektive in Lehre und Forschung und so untersucht sie in ihren Studien sowohl Kinder als auch Jugendliche und Erwachsene unterschiedlicher Altersgruppen. Auch die Frage, wie sich Prozesse der sogenannten Selbstregulation entwickeln – also zum Beispiel kontrollieren zu können, wann man welche Emotionen wie erlebt und ausdrückt – gehört zu Riedigers zentralen Forschungsthemen.

Altern ist mehr als Verlust

Eines ihrer Forschungsergebnisse zeigt beispielsweise, dass die landläufige Vorstellung, Alter und Altern sei vorrangig von Abbau und Verlust gekennzeichnet, zu vereinfachend ist. Viele ältere Menschen berichten etwa von einem durchschnittlich besseren Wohlbefinden im Alltag als dies jüngere Personen tun. Eine Abnahme im Wohlbefinden tritt bei vielen älteren Personen oft erst kurz vor dem Lebensende ein.
Die gebürtige Berlinerin hat sich bereits im Studium an der Humboldt-Universität für die Entwicklungspsychologie interessiert. Für ihre Dissertation am Berliner Max-Planck-Institut (MPI) für Bildungsforschung und der Freien Universität Berlin untersuchte sie, wie gut Erwachsene in verschiedenem Alter geplante Lebensstiländerungen – hier regelmäßige sportliche Betätigung – langfristig tatsächlich umsetzen können, und welche Rolle die sonstigen Lebensziele der Personen in diesem Zusammenhang spielten. „Ältere Menschen berichteten durchschnittlich weniger über Zielkonflikte als jüngere Menschen. Gleichzeitig sahen sie die geplante Lebensstiländerung eher als hilfreich für ihre anderen Ziele an. Dies trug dazu bei, dass ältere Teilnehmer längerfristig auch erfolgreicher ihren Lebensstil änderten und insgesamt zufriedener waren“, fasst die Psychologin die Ergebnisse zusammen. Habilitiert hat sich Michaela Riediger an der Universität Zürich und war danach als Leiterin der Forschungsgruppe „Affekt im Lebensverlauf“ am MPI für Bildungsforschung tätig. Als Heisenberg-Stipendiatin der Deutschen Forschungsgemeinschaft leitete sie später das Kooperationsprojekt „Sozioemotionale Entwicklung und Gesundheit im Lebensverlauf“.
„In unserer Forschung ist es uns besonders wichtig, längsschnittliche Studien durchzuführen, um Entwicklungsprozesse abbilden zu können, und Phänomene zu untersuchen, die im Lebensalltag relevant sind“, erklärt Riediger. „Dazu wenden wir unter anderem Methoden an, die es erlauben, Erleben und Verhalten von Studienteilnehmern im Moment ihres Auftretens in den natürlichen Lebenskontexten zu messen.“ Ein Beispiel ist die Methode des sogenannten „Experience Sampling“. Hierzu nutzt Riedigers Arbeitsgruppe unter anderem Handys als Erhebungsinstrumente: „Die Teilnehmer tragen die Telefone mit sich, während sie ihrem normalen Alltag nachgehen. Ab und zu werden darüber Fragen zu momentanen Erfahrungen und Verhaltensweisen gesandt oder Aufgaben, die zu bearbeiten sind.“ So konnte beispielsweise herausgefunden werden, dass die durchschnittliche altersbezogene Abnahme in der Gedächtnisleistung, die in typischen Laborsituationen häufig stark ausgeprägt ist, deutlich geringer ausfällt, wenn die Messung in natürlichen Lebenskontexten erfolgt.

Sehr gute entwicklungspsychologische Anknüpfungspunkte in Jena

In der Lehre möchte Prof. Riediger eine ausgewogene Mischung an Theorie, Empirie und praktischem Anwendungsbezug vermitteln. Dass sich ihre Studierenden aktiv und selbstständig mit den Inhalten auseinandersetzen, ist ihr ebenso wichtig, wie den aktuellsten Stand der internationalen Forschung zu unterrichten. Vor allem Feedback-Prozesse mit und unter den Studierenden sowie Teamarbeit möchte sie in ihren Seminaren etablieren.
Dem Ruf der Universität Jena ist Prof. Riediger vor allem deshalb gern gefolgt, weil sie hier sehr gute Anknüpfungspunkte für ihre Forschung vorfindet. „Gerade im Bereich Alter und Altern ist Jena sehr gut aufgestellt“, findet die zweifache Mutter. „Hier kann ich mich inhaltlich und methodisch entfalten und meine Forschungsinteressen weiter verfolgen.“

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