„Tatort habe ich noch nie gesehen“

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Honig Hallervorden

Dieter Hallervorden (Jahrgang 1935) wuchs in Dessau auf, 1958 verlegte er seinen Lebensmittelpunkt nach Berlin West. Hier gründete er 1960 die Kabarettbühne „Die Wühlmäuse“. Seit der Wiedereröffnung 2009 steht er auch dem Berliner Schlosspark Theater vor. TV-Zuschauer und Kinofreunde kennen Hallervorden in erster Linie als Spaßmacher. Die Sketche und Filme rund um die Kunstfigur Didi erlangten in den 70-er und 80-er Jahren Kultcharakter. Im Drama „Sein letztes Rennen“, seiner ersten Kinohauptrolle seit mehr als zwanzig Jahren, zeigte Dieter Hallervorden viele ernste Facetten. Ein bemerkenswerter Auftritt, der 2014 mit dem Deutschen Filmpreis geehrt wurde. In Til Schweigers Film „Honig im Kopf“ spielt Hallervorden nun einen Demenzkranken, der mit seiner Enkelin zu einer letzten Reise aufbricht.

Herr Hallervorden, Sie haben bereits in Til Schweigers „1 ½ Ritter“ eine kleine Rolle gespielt. Führte diese Begegnung zur neuerlichen Zusammenarbeit?

Nein. Til Schweiger hätte mir die Rolle nie angeboten, wenn er mich nicht vorher in „Sein letztes Rennen“ gesehen hätte. Das hat ihn davon überzeugt, dass ich tatsächlich glaubwürdige Charakterrollen spielen und eine gewisse Gefühlstiefe vermitteln kann. Eine Tiefe, die nicht gemacht, sondern wirklich innerlich empfunden ist. Er hat mir das Drehbuch zukommen lassen und ich fand die Geschichte sehr gut, die er erzählen wollte. Trotzdem habe ich noch nicht zugesagt, weil ich erst Til Schweigers Tochter Emma kennenlernen wollte, die meine Enkelin spielen würde. Die Grundvoraussetzung eines möglichen Erfolgs dieses Filmes ist ein glaubwürdiges, enges und herzliches Verhältnis zwischen der Enkelin und dem Opa. Emma und ich haben uns auf Anhieb super verstanden. Sie ist ein sehr nettes Mädchen, das das Näschen nicht oben trägt. Deshalb habe ich zugesagt.

Wie haben Sie sich dem Thema Demenz angenähert?

Die Arbeit war sehr anstrengend, ich habe mich sehr exakt darauf vorbereitet. Bei „Sein letztes Rennen“ hatte ich sechs Monate lang trainiert, um den physischen Anforderungen gerecht werden zu können. Hier lag die Herausforderung auf psychischem Gebiet. Ich war in zwei verschiedenen Demenz-WGs und habe in einer tagsüber gewohnt. Dort habe ich mich schlau gemacht, wie sich demente Leute verhalten. Der Film ist eine Tragikomödie, man muss den schmalen Balanceakt zwischen Schmunzeln und zutiefst berührt Sein wagen. Das war ein geistiger Spagat.

Haben Sie selbst Angst vor einer Alzheimererkrankung?

Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich ständig darüber Gedanken machen, wann einen welche Krankheit womöglich ergreift. Wenn ich so denken würde, könnte ich ja gleich schon mal langsam in Richtung Friedhof losmarschieren. Ich bin der Zukunft fröhlich und optimistisch zugewandt. Und ich bin schicksalsergeben. Ich kann nachher auf dem Heimweg überfahren werden, dann war das das letzte Interview. Aber ich denke nicht in solchen Kategorien. Bisher ist alles gut gegangen, ich bin jetzt 79 Jahre alt und sehe die weiteren Jahre quasi als Wettlauf. Ich will sehen, was ich noch erreichen kann. Natürlich weiß ich um die Gefahren, die das Älterwerden mit sich bringt. Aber davon lasse ich mich nicht unterkriegen, in dem ich alles Mögliche befürchte.

Wie halten Sie sich in Form?

Einerseits dadurch, dass ich einen sechzehnjährigen Sohn habe, mit dem ich möglichst viel Zeit verbringe. Da sind natürlich Action, Unterhaltung und Austausch von Argumenten angesagt. Andererseits habe ich wohl von meinen Eltern gute Gene mitbekommen. Dazu kommt, dass ich diesen Beruf ausübe, der aus einem Hobby entstanden ist. Ich lerne ständig Text, das trainiert das Hirn. Und ich bin jemand, der sich gern bewegt. Ich surfe auch bei größeren Windstärken gern, ich fahre Wasserski und spiele mit Begeisterung Tischtennis. All das trägt dazu bei, dass man nicht allzu sehr einrostet.

Welche Meinung vertreten Sie beim Thema Sterbehilfe?

Wie gesagt, ich bin schicksalsergeben. Ich warte ab, was auf mich zukommt und versuche das Beste daraus zu machen. Und ich pfusche dem Schicksal nicht schon vorher in die Karten. In früheren Kulturen hat man Stammesmitglieder, die ein gewisses Alter erreicht hatten und der Gemeinschaft nicht mehr dienlich waren, auf eine Eisscholle gesetzt und davontreiben lassen. Das läuft heutzutage schon ein bisschen humaner. Ich werde schon irgendwie aufgefangen werden, vielleicht sogar von meiner Familie selbst.

Gab es in Ihrer Karriere eine Zeit, in der Sie das Näschen oben getragen haben?  

Ich kann Ihnen versichern, dass das überhaupt nicht meine Sache ist. Es ist toll, wenn eine Leistung anerkannt wird. Aber morgen kann ich auch wieder runterfallen. Wenn man das Näschen oben trägt und die Leute arrogant behandelt, kommt man auf dem Weg nach unten an all denen wieder vorbeigeflogen, die man mal schlecht behandelt hat. Das kommt für mich nicht in Frage.

Wie beurteilen Sie den deutschen Film der Gegenwart?

Da bin ich nicht der richtige Ansprechpartner. Ich arbeite sehr viel. Ich gehe so gut wie nie ins Kino und im Fernsehen schaue ich mir nur ab und zu ein Fußballspiel, die Nachrichten oder politische Talkshows an, Illner, Maischberger und teilweise auch Jauch. Nicht diese bunt zusammengewürfelten Gesprächsrunden, für die man alles einkauft, was gerade ein neues Buch, eine CD oder einen Film zu bewerben hat.

Keinen „Tatort“, keine Krimis?

Nein. „Tatort“ habe ich noch nie gesehen.

In „Honig im Kopf“ ergreift Ihre Filmfigur Partei für die SPD. Ist Ihnen das als FDP-Unterstützer schwer gefallen? Und sehen Sie für die FDP einen Weg aus der Krise?

Das Drehbuch schrieb vor, dass man von der SPD zu sprechen hat. Da sehe ich auch kein Problem, die SPD ist eine hochanständige Partei mit einer langen Geschichte. Wie die FDP aus diesem Jammertal herauskommen will, ist mir mittlerweile schleierhaft. Ich traue Lindner zu, Dinge in großen Zusammenhängen zu denken. Aber ich wage es mittlerweile zu bezweifeln, dass er genügend Mitstreiter findet, um sich aus dieser Krise zu befreien. Was ich sehr bedauern würde.

Im nächsten Jahr steht Ihr 80-ster Geburtstag auf dem Plan. Wie werden Sie ihn begehen?       

Ich werde nicht groß feiern. Ich werde wahrscheinlich in meinem Schlosspark Theater auf der Bühne stehen. Aber einen „großen“ Bahnhof wird es nicht geben.

Gespräch: André Wesche