»Abschied von Ikarus. Bildwelten in der DDR – neu gesehen«

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Vom 19. Oktober 2012 bis zum 3. Februar 2013 zeigt das Neue Museum Weimar die Ausstellung »Abschied von Ikarus. Bildwelten in der DDR – neu gesehen«.

Die Ausstellung ist ein aktueller Beitrag zur anhaltenden Debatte um die Kunst aus der DDR und beruht auf neuestem wissenschaftlichen Forschungsstand. Sie wird organisiert von der Klassik Stiftung Weimar mit dem BMBF-Verbundprojekt »Bildatlas: Kunst in der DDR«. Ermöglicht auch durch insgesamt 92 Leihgeber präsentiert die Ausstellung auf einer Fläche von 900 Quadratmetern 280 Gemälde, Grafiken, Fotografien, Skulpturen und Installationen. In ihnen drückt sich nicht die bloße Abfolge von programmatischem Neuanfang nach 1945, Stagnation und letztendlichem Untergang der DDR aus. Vielmehr sollen in der Ausstellung für alle diese Phasen die Bedeutung der Künste für das sozialistische Gesellschaftsprojekt, damit verbunden politische Einschränkungen bis hin zu Verboten, aber auch die Möglichkeitsspielräume künstlerischen Schaffens erkennbar werden. So gab es weniger Einheitlichkeit als damals propagiert wurde und heute in Rückblicken oft suggeriert wird.

Seit 1990 dominiert der ›deutsch-deutsche Bilderstreit‹, der 1999 in der europäischen Kulturhauptstadt Weimar mit der Ausstellung »Aufstieg und Fall der Moderne« seinen Höhepunkt fand, die Wahrnehmung der Kunst aus der DDR. Heute nun soll, wiederum in Weimar, ein um Forschung und zeitlichen Abstand erweiterter Blick auf die Entwicklung im ›Kunststaat DDR‹ ermöglicht werden. Der wissenschaftliche Koordinator des Verbundprojektes, Prof. Dr. Karl-Siegbert Rehberg, weist auf die Herausforderung hin, Kunst aus der DDR zu zeigen und sie dabei weder von den historischen Umständen ihrer Entstehung abzutrennen, noch zu bloßen Illustrationen des geschichtlichen Verlaufs zu machen: »Im Medium der Kunstwerke werden vielmehr geschichtliche Zusammenhänge auf eine vertiefte Weise begreifbar, und dies gerade ihrer künstlerischen Eigenheit, Qualität und Aussagekraft wegen.«

»Abschied von Ikarus« rekonstruiert die Entwicklung der Kunst in der DDR ausgehend vom antifaschistischen Gründungsmythos der DDR und der Utopie der Schaffung einer neuen Gesellschaft, die von Anfang an jedoch durch staatliche Repressionen unterminiert waren: von Bildprogrammen als ›Erziehungsmittel‹ und der öffentlichen Repräsentation sozialistischer Gesellschaftsentwicklung über den Bedeutungsgewinn künstlerisch erzeugter ›Ersatzöffentlichkeiten‹ bis hin zu den Diagnosen des Systemzerfalls in den 80er Jahren. Die Ausstellung ist thematisch gegliedert und soll das Spannungsfeld zwischen offiziell gewünschten und ›nonkonformen‹ Bildwelten aufzeigen und diese in einen entstehungs- und rezeptionsgeschichtlich begründeten Dialog miteinander bringen. Dadurch wird immer auch das in der Kunst gespiegelte, oft widersprüchliche Verhältnis zwischen geschichtsphilosophischem Anspruch und real-sozialistischer Wirklichkeit bewusst. »Unser Leitmotiv, der sich in großer Hoffnung aufschwingende, der taumelnde oder abstürzende Ikarus steht gleichsam symbolhaft für die Deutungsbreite in dieser Ausstellung und zeigt zugleich, dass sich in der DDR ein spezifisches bildnerisches Motivreservoir entwickelte, das sich über die persönliche künstlerische Äußerung hinaus mit den Hoffnungen und Enttäuschungen einer ganzen Gesellschaft verbinden lässt«, betont Prof. Dr. Wolfgang Holler, Generaldirektor Museen der Klassik Stiftung Weimar.

Das Rahmenprogramm zur Ausstellung umfasst Vorträge, Podiumsdiskussionen, Künstlergespräche, Lesungen und Kuratoren-Führungen. Den Auftakt bildet eine Podiumsdiskussion zum Thema »Kunst der DDR – kulturelles Erbe oder kontaminiertes Gelände?« am Mittwoch, 21. November 2012.

Die zentrale Präsentation in Weimar wird begleitet von zwei Ausstellungen im Angermuseum Erfurt (»Tischgespräch mit Luther. Christliche Bilder in einer atheistischen Welt«) und in der Kunstsammlung Gera (»Schaffens(t)räume. Atelierbilder und Künstlermythen«), die weitere künstlerische Einzelaspekte exemplarisch beleuchten.

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte Verbundprojekt »Bildatlas: Kunst in der DDR«, das gemeinsam mit der Klassik Stiftung Weimar die Ausstellung »Abschied von Ikarus« gestaltet hat, vereint Forscher aus dem Institut für Soziologie der Technischen Universität Dresden (wo das Projekt auch wissenschaftlich koordiniert wurde), den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Galerie Neue Meister, dem Kunstarchiv Beeskow und dem Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam. In dreijähriger Forschungsarbeit gelang es dem Verbundprojekt, die zwischen 1945 und 1990 in der SBZ und in der DDR entstandene Malerei erstmals systematisch zu dokumentieren. Dabei handelt es sich um mehr als 20.000 Werke in 165 Sammlungen, die sich in Museen, Unternehmen, Sonderdepots und privaten Einrichtungen befinden. Die Ergebnisse werden neben der Ausstellung und dem Katalog auch in einem gedruckten Bildatlas und einer internetbasierten Datenbank veröffentlicht.

Parallel zur Ausstellung veranstalten das BMBF-Verbundprojekt und die Klassik Stiftung Weimar in Kooperation mit dem Dresdner Institut für Kulturstudien e.V. vom 17. bis 18. Oktober eine öffentliche Tagung zum Thema »Die andere Moderne? Bildwelten in der DDR – Perspektiven einer Neubewertung« im congress centrum neue weimarhalle.