Aufgrund auslaufender Förderungen droht finanzielle Kettenreaktion

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Der art der stadt e. V. bereichert die Kulturszene der Residenzstadt und des Landkreises Gotha mit Kunstprojekten, Bühnenstücken und Workshops. Der Verein zählte allein 77 Veranstaltungen mit 5191 Besuchern im vergangenen Jahr. Doch nun droht  eine Kettenreaktion – und am Ende vielleicht der finanzielle Gau.

In dem niedrigen Büro direkt unter dem Dach der Mönchelstraße 6 herrscht Arbeitsatmosphäre. Plakate,  Ordner, Postkarten, kreative Unordnung – alles zeugt  von reger Geschäftigkeit. Doch die
Gesichter der Kulturmanager um Franziska Schnauß und Matthias Baier wirken fragend und schockerstarrt. Vorhang zu und alle Fragen offen. Nichts passt in diesen Tagen besser als jener Satz von Bertolt Brecht.


Drohende Kettenreaktion

Auf den Bescheid der Aktion Mensch – der besagt, dass die Förderung ausläuft und nicht verlängert werden kann – wurden sie im Juni aufmerksam. Fest steht: Nun steht alles auf der Kippe. Kann der Verein bis zum Jahresende für 2012 keine weiteren 33400 Euro aufbringen, werden zwei der fünf Stellen ersatzlos gestrichen! Eine weitere, von der Agentur für Arbeit geförderte Verwaltungskraft, kann ebenfalls nicht ersetzt werden. Das sind die harten Fakten. 40 Prozent der bisherigen Belegschaft kann die Arbeit, „die so schon ein hohes Maß ehrenamtliches Engagement und Selbstverzicht voraussetzt, in keinem Fall bewältigen“, erklärt der Pressesprecher Matthias Baier. Die Folge wäre eine Kettenreaktion, die den gesamten Verein in den Abgrund reißen würde. „Viele Projekte können dann einfach nicht mehr umgesetzt werden“, gibt Projektleiterin Franziska Schnauß zu. „Dann wäre auch die überregionale Bedeutung nicht mehr gegeben und die Förderung vom Kultusministerium für die beiden verbleibenden Stellen nicht mehr zu rechtfertigen.“ Ein Horrorszenario.
Matthias Baier bleibt ein Gang auf Eiern. Er muss anklagen, verhandeln und auf die Konsequenzen aufmerksam machen, darf aber mögliche neue Geldgeber und bisherige Unterstützer  nicht verunsichern oder verprellen.


Wer zahlt Wie viel

Auf eine Anfrage von Oscar am Freitag verweist Oberbürgermeister Knut Kreuch auf die bereits gestiegene Förderung. Im Jahre 2005 habe die Stadt dem Verein einen Zuschuss in Höhe von 1500 Euro bereitgestellt. 2006 habe die Stadt erkannt, welche enorme Bedeutung dieser Verein für die freie Theater- und Kulturarbeit in Gotha besitzt und die Förderung kontinuierlich erhöht. „2008 betrug diese Förderung 12560 Euro, im Jahr 2009 17800 Euro, im Jahr 2010 21400 Euro und 2011 werden es 25500 Euro sein“, rechnet der OB vor. Laut Landtagsabgeordnetem Matthias Hey „wäre es interessant zu erfahren, wie viel seitens des Landkreises an Förderung für den Verein bereitgestellt wird und ob es hier noch Potentiale gibt“. Dieser unterstützte die Künstler 2011 mit knapp 3000 Euro und 2010 lediglich mit rund 2000 Euro. „Gemessen am Gesamtbedarf, beträgt die Förderung durch die Stadt und den Landkreis Gotha an den art der stadt e. V. gerade einmal 17 Prozent vom Gesamthaushalt des Vereins. In anderen kreisfreien Städten und Landkreisen liegt diese Quote bei 28 Prozent“, erklärt Baier.

„Fest steht, dass eine etwaige institutionelle Förderung momentan auf eine weitere freiwillige Leistung hinausliefe, die der Kreistag absegnen müsste“, meint Adrian Weber. Der Presseprecher des Landratsamts prognostiziert allerdings, dass dafür die Rahmenbedingungen äußerst widrig seien. „In diesen Wochen wird der Haushaltsentwurf für das Jahr 2012 erstellt. Dabei zeichnet sich schon jetzt ab, dass es aufgrund der zurückgehenden Landeszuweisungen erhebliche Probleme geben wird, überhaupt noch gesetzliche Pflichtaufgaben wahrnehmen zu können.“ Klartext: „Es ist kein Puffer für zusätzliche freiwillige Leistungen vorhanden, womit man ehrlicherweise zugeben muss, dass eine institutionelle Förderung unter diesen Vorzeichen leider nicht in Aussicht gestellt werden kann.“
Uwe Walther, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion erklärt hingegen, dass der Kreis gar nicht umhinkomme, den art der stadt zu unterstützen. „Wir können den ehrenamtlich Engagierten nicht den Boden unter den Füßen weg ziehen“, so Walther. Er will sich in der Fraktion stark machen. Ob sein Einfluss reicht, wird sich zeigen.


Die Politik ist gefragt

In diesem Jahr muss sowohl der Stadtrat Gotha als auch der Kreistag über die weitere Finanzierung der Philharmonie beraten. Nun stellt sich die Frage: Ist es möglich, dass sich die Gremien für den Erhalt der über 1.000.000 Euro kostenden Philharmonie aussprechen – aber dem art der stadt e. V. nur das Aus bleibt? Adrian Weber meint dazu, dass der Vergleich mit der Thüringen Philharmonie hinkt, weil die Ausgangslage hier eine andere sei. Für das Orchester hätten Stadtrat und Kreistag bereits in der Vergangenheit die Entscheidung getroffen, es als freiwillige Leistung teilzufinanzieren und sich über entsprechende Verträge gebunden. „An einer ‘Neid-Debatte’ zwischen beiden Insititutionen, die es aufgrund der unterschiedlichen Ausgangsbedingungen nicht geben sollte, beteiligen wir uns nicht“, so Weber.


Lob von allen Seiten

Der Landkreis weiß die Arbeit des art der stadt e.V. grundsätzlich zu schätzen, schließlich entstammt ein Großteil der Theatervorführungen, Ausstellungen und Aktionen, die man zur kulturellen Avantgarde in Gotha und in den Gemeinden des Landkreises zählen kann, der Kreativschmiede art der stadt e.V. Und Knut Kreuch erklärt gar: „Trotz der schwierigen Haushaltslage ab 2012, die seit 1990 noch nie so schlecht war, bekennt sich die Stadtverwaltung Gotha dazu, die Förderung des Jahres 2011 zu erhalten.“ Außerdem sei die Stadt Gotha bereit, gemeinsam mit dem Verein nach weiteren Möglichkeiten der Förderung zu suchen. Ob die Verantwortlichen jedoch bei dieser Haushaltssituation 33400 Euro finden? Gelingt es nicht, wird der Vorhang fallen – und die Frage, wer die Aufgabe dieses Vereins dann übernimmt – offen bleiben.

David Ortmann

Beitrag OSCAR-AM-FREITAG, Ausgabe 12

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