Das Ende des Kapitalismus denken

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Jena (sl) Krise allerorten: Das Klima erwärmt sich unaufhaltsam, die Ressourcen werden knapp, in der Gesellschaft verschärfen sich soziale Ungleichheiten. Steht der Wachstumskapitalismus vor dem Ende? Und wenn ja, wie geht es weiter? Diesen Fragen gehen Soziologen der Universität Jena mit der neuen DFG-Kollegforscher(innen)gruppe „Landnahme, Beschleunigung, Aktivierung. (De-)Stabilisierung moderner Wachstumsgesellschaften“ nach, die ihre Arbeit am Donnerstag (26. Januar) mit einem „Festtag der Jenaer Soziologie“ aufnimmt.

„Es spricht vieles dafür, dass der Prozess der Selbststabilisierung der Gesellschaft durch immerwährendes materielles Wachstum nicht mehr funktioniert“, sagt Prof. Dr. Klaus Dörre (Foto). Der Soziologe von der Universität Jena nennt das Krisenjahr 2009 als Menetekel: Die weltweit sinkende Produktionsleistung erinnerte an die Weltwirtschaftskrise 1929/33. Andererseits habe sich die sinkende Produktion als Segen für die Ökologie erwiesen, konstatiert Dörre.

Gemeinsam mit seinen Jenaer Fachkollegen Prof. Dr. Stephan Lessenich und Prof. Dr. Hartmut Rosa bekam Dörre von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) das Forschungskolleg zu den „Postwachstumsgesellschaften“ bewilligt. Angelegt ist das Kolleg für die Dauer von acht Jahren, die DFG finanziert es mit gut sechs Millionen Euro. Seinen Sitz wird das Kolleg in der Humboldtstraße 34 haben.

Von dort aus wird ein Netz aus international renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geknüpft, um gemeinsam an den aktuellen Fragen zu arbeiten. Die Jenaer Soziologen seien die ersten und bislang einzigen, die ein solches Forschungskolleg bewilligt bekommen haben, sagt Dörre. Dieses neue DFG-Format könne mit Fug und Recht als Ritterschlag betrachtet werden, so der Jenaer Professor.

Zum „Festtag der Soziologie“ am 26. Januar wird es eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion in der Aula der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Fürstengraben 1) geben. Ab 16.00 Uhr debattieren Prof. Dr. Birgit Mahnkopf, Prof. Dr. Meinhard Miegel, Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué und Dr. Hans Jürgen Urban über „Postwachstumsgesellschaften: Eine Zukunftsperspektive?“. Die öffentliche Diskussion wird von Stephan Lessenich moderiert, Gäste sind herzlich willkommen.

Klaus Dörre verspricht sich eine heiße Diskussion, weil äußerst konträre Meinungen aufeinanderprallen werden. So vertrete Meinhard Miegel (Denkwerk Zukunft) die Ansicht, es gelte, sich vom Wohlstandsdenken des Westens zu verabschieden. Der Kapitalismus könne nur mit Hilfe eines stark gestutzten Wohlfahrtsstaates weiterexistieren. Hans Jürgen Urban von der IG Metall halte entgegen, die Umverteilung von oben nach unten sei dringend geboten. „Urban setzt auf qualitatives Wachstum“, sagt Dörre. Hingegen erteile Birgit Mahnkopf – eine der Mitbegründerinnen des Netzwerks „attac“ – sowohl der Wachstumsideologie als auch dem Kapitalismus eine Absage. Beides habe sich überlebt. Eine Ansicht, die Karl-Heinz Paqué sicher kaum teilen wird. Der Ökonom und einstige Finanzminister von Sachsen-Anhalt hält eine Versöhnung von Wachstum und Ökologie für möglich.

Der Soziologie-Festtag wird auch kulturell umrahmt. Von besonderer Raffinesse dürfte der Auftritt der „Los Profesores“ ab 22 Uhr im Kassablanca werden. Die Professoren-Band trifft diesmal auf die „Los Estudiantes“, eine studentische Combo, deren Zusammensetzung noch geheim gehalten wird.

H&H Makler