Ein Gespräch mit Regisseur und Schauspieler Detlev Buck

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Vor genau dreißig Jahren inszenierte der gelernte Landwirt Detlev Buck seine ersten Kurzfilme. Eigenwillige Komödien wie „Karniggels“ oder „Wir können auch anders“ machten den gebürtigen Bad Segeberger rasch zu einem der gefragtesten Schauspieler, Produzenten und Regisseure Deutschlands. Zuletzt adaptierte Buck den Bestseller „Die Vermessung der Welt“ für die große Leinwand. Nun wendet sich der 51-jährige nach „Hände weg von Mississippi“ einmal mehr dem Kinderfilm zu. „Bibi und Tina“ erweckt die beliebten Hörspiel-Freundinnen und Zeichentrickhelden im Kino zu echtem Leben. 

Herr Buck, nimmt man eine große Hypothek auf, wenn man mit einem Stoff arbeitet, den so viele Kinder lieben?

Ja, das stimmt schon. Ich möchte aber nicht nur den Erwartungen entsprechen. Man muss sich irgendwann selbst befreien. Zuerst wollte ich den Song „Bibi & Tina“ aus den Hörspielen aufpolieren, den ich nicht mehr zeitgemäß fand. Das war der richtige Zugang, denn dann wollte ich noch mehr Songs. Meine Töchter haben sich immer „Glee“ oder „Pitch Perfect“ angeschaut. So etwas kann man auch in Deutschland machen. Ich habe Peter Plate von „Rosenstolz“ gefragt, ihm gefiel die Idee und er hatte Zeit. So sind zehn Songs entstanden, die dem Film eine gewisse Frische verleihen.

Darf man „Bibi und Tina“ deshalb als Musical bezeichnen?

Nein! Es löst ja nicht ein Song den anderen ab. Musical wäre falsch, es ist ein „Pop-Film“.

Sie sind auf einem Bauernhof aufgewachsen und haben ihn nie wirklich verlassen. Nehmen Sie auch deshalb die Gelegenheit gern wahr, in diesem Milieu zu drehen?

„Bibi und Tina“ hat natürlich mit der Realität nicht viel zu tun. Es ist eine überzeichnete, poppige Welt. Aber ich drehe wirklich viel lieber draußen, in schönen Landschaften und ungewöhnlichen Locations als in Wohnzimmern, Restaurants oder Büros. So habe ich selbst die Chance, während der Drehzeit ein schönes Sommergefühl zu entwickeln. Alle, die am Film beteiligt waren, haben gesagt, dass sie lange nicht so einen schönen Sommer erlebt hätten.

Konnten Sie sich Ihr inneres Kind bis heute bewahren?

Ja, absolut. Deswegen mache ich ja Filme. Das Spielen und die Kreativität entstehen oft aus einer gewissen Langeweile heraus. Es ist auch erwiesen, dass Menschen nur dann wirklich etwas verändern können, wenn sie Zeit und Muse haben. Das Spielerische ist das A und O. Es ermöglicht den Menschen, zu entspannen und nicht nur funktionieren zu müssen.

Filme wie „Bibi und Tina“ bilden heute für viele Kinder den einzigen Berührungspunkt mit der Natur. Beobachten Sie die Stubenhocker der Generation iPod mit Sorge?

Das Internet hat die Kinderzeit sehr verändert. Ich habe selbst festgestellt, dass die Kinderzeit viel kürzer wird, weil die Kinder über das Netz zu allen möglichen Informationen Zugang haben. Der Umgang mit Touchpads ist schon für Vierjährige eine Selbstverständlichkeit. Die Zeiten haben sich rasant gewandelt. Ich finde es wichtig, dieser Generation zu vermitteln, dass die Welt auch heil sein kann. Sie ist nicht nur schnell und nervös. Das Kino bietet die Möglichkeit, in eine Traumwelt zu entschwinden, die auch eine gewisse Ruhe ausstrahlt. Die Konzentrationsfähigkeit von Kindern nimmt teilweise erschreckend ab. Die Eltern werden diese Schraube nicht mehr zurückdrehen können. Es ist diese junge Generation, die vor riesigen Herausforderungen steht.

Freut sich ein Schauspieler wie Charly Hübner über die Gelegenheit, als Bösewicht ganz dick aufzutragen zu dürfen?

Natürlich! Bibi ist ein Superheld. Und dass ein Superheld immer einen Antagonisten bekämpfen muss, weiß man schon aus den ganzen „Marvel“-Comics. Von „Batman“ bis „Spider-Man“ trifft man immer auf einen Bösewicht. Für mich war es wichtig, dass dieser Bösewicht komplett lustvoll, freudvoll und  gierig nach der Welt schnappt. Ein bisschen erinnert er mich auch an James Bond und „Goldfinger“. Er sagt den großen Satz: „Kinder nehme ich sehr ernst. Sie sind die Konkurrenten der Zukunft!“. Tatsächlich könnten sie ihm in zehn Jahren an den Karren fahren und ihm sein Geld wegnehmen. Deshalb macht er sie jetzt schon klein. Das hat sogar einen philosophischen Anspruch. Es mag übertrieben klingen, aber in dieser Übertreibung steckt viel Wahrheit.

Ihre jugendlichen Darsteller befanden sich in einem durchaus interessanten, schwierigen Alter. Mussten Sie manchmal gegen aufwallende Hormone und Stimmungsschwankungen ankämpfen?

Die Hormone haben zirkuliert, absolut. Es war eine gewisse Aufregung da, aber man ist ja durch ein großes Team gedeckt. Und ich bin sehr froh über meine Assistentinnen und Assistenten, die das alles auffangen und die Wogen glätten, die sich aufbäumen. Aber das ist ganz normal, auch bei Erwachsenen-Filmen. Manchmal ist es dort sogar schlimmer.

War der Kuss eine große Sache?

Alles war eine große Sache. Wenn die Kids zählen, bis der Donner nach dem Blitz kommt, muss Alex die Tina umarmen und sagen „Hab´ keine Angst“. Diese Szene haben wir hundertmal geprobt, glaube ich. Natürlich ist das eine Aufregung. Aber alles, was mit Film zu tun hat, ist aufregend. Das Wettrennen am Ende war ein riesiger Aufwand. In dem Maisfeld, das natürlich echt war, sind tatsächlich Pferde verloren gegangen. Aber wie gesagt: das macht viel mehr Spaß, als in einem Restaurant zu drehen.

Welches Zielpublikum peilen Sie an?

Familie. Wenn eine Familie die Freizeit plant und es gibt ein elf- oder dreizehnjähriges Mädchen und vielleicht einen achtjährigen Jungen, dann ist garantiert für jeden etwas dabei. Es ist ein Familienfilm, der eine gute Energie hat.

Sind Kinder das dankbarere Publikum?

Kinder sind ganz radikal. Entweder es gefällt ihnen und man bekommt Zuspruch oder es gefällt ihnen nicht und du kannst einpacken. Dazwischen gibt es nichts. Das finde ich toll. Es kommt direkt vom Bauch, vom Gefühl und ist keine intellektuelle Veranstaltung, bei der erstmal analysiert wird, was der Filmemacher meint. Es geht um den Film selbst und der Regisseur tritt in den Hintergrund. Das finde ich gut.

In diesem Jahr ist es dreißig Jahre her, dass Sie Ihre ersten Filme gemacht haben. Sind Sie jemand, der zurückschaut?

Ja, natürlich. Wenn man seine eigene Geschichte nicht betrachtet, lernt man ja nicht. Für mich ist die Möglichkeit, etwas Anderes auszuprobieren oder etwas zu wagen, das Entscheidende bei dem Ganzen. Trotzdem muss man auch versuchen, eine Haltung zu bewahren. Dass das bei der heutigen Film-Struktur schwerer wird, steht außer Frage. Wir spielen ja in der Championsleague und treten international an. Und wenn die Amerikaner mit 200 Millionen herumfuhrwerken, ist es ganz schwer, dagegen anzukommen. Das ist, als spielt Madrid gegen Düsseldorf. Das kann man nur kompensieren, in dem man sich seine Nischen sucht. Deutschland ist absolut dafür prädestiniert, gute Jugendfilme zu machen. Ich merke an meinen Kindern, dass sie Lust haben, reale Menschen zu sehen und nicht nur 3D-animierte Figuren.

Blicken Sie optimistisch in die Zukunft?

Ja. Ich will optimistisch bleiben, sonst würde mir alles keinen Spaß machen. Ich habe wirklich noch Großes vor. Man kann das als Filmemacher pushen wie man will, aber man braucht Leute, die mitziehen und dir folgen. Film ist eine Gruppenarbeit und ich hoffe, dass ich die Menschen finde, die sagen: „Ja, das machen wir mal!“.

 

Die Fragen stellte André Wesche.