Geschichte als Denkfach begreifen

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Vielerorts wird in diesem Jahr an den Beginn des Ersten Weltkriegs erinnert. Der „Große Krieg“, wie ihn Franzosen und Engländer bis heute nennen, tobte von 1914 bis 1918 und forderte etwa 17 Millionen Menschenleben. Jenseits dieser nüchternen Zahlen und der Gedenkfeiern dieses Jahres stellt der „Große Krieg“ insbesondere Geschichtslehrer vor die Herausforderung, das Geschehen von einst heutigen Schülerinnen und Schülern anschaulich und problemorientiert zu vermitteln.

„Geschichte ist kein Paukfach, sondern ein Denkfach“, sagt Prof. Dr. Anke John von der Universität Jena. Die Geschichtsdidaktikerin verweist auf die neuen Lehrpläne, die im Schuljahr 2012/13 in den Gymnasien und Regelschulen Thüringens in Kraft getreten sind. „Die neuen Lehrpläne lassen den Lehrern künftig größere Gestaltungsspielräume für eine kompetenzorientierte Gestaltung des Unterrichts und bei der Auswahl historischer Themen“, so John.

Der erste „Fachtag Geschichte“ knüpft als aktuelles Fortbildungsangebot genau daran an. Die Geschichtsdidaktiker der Uni Jena laden gemeinsam mit dem Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThILLM) am 6. März an die Universität Jena ein. Es haben sich bereits 80 Lehrerinnen und Lehrer aus ganz Thüringen angemeldet.

Spuren der Vergangenheit bezeichnet Anke John als wichtigen Teil der Lebenswelt. Der kompetenzorientierte Geschichtsunterricht versetze Heranwachsende in die Lage, sich auch nach der Schulzeit mündig mit Geschichte auseinanderzusetzen, sei es im Internet, in der Werbung, in historischen Ausstellungen, politischen Argumentationen oder anlässlich von Gedenktagen. Dabei entstehen immer wieder neue Fragen an die Geschichte. So werde im Vorfeld des „Lutherjahres 2017“  danach gefragt, welche Rolle Frauen in der Reformation spielten oder mit Blick auf die Globalisierung, wie eigentlich der Welthandel im Mittelalter organisiert war.

Kontroverse Deutungen der Vergangenheit begegnen dem Einzelnen dabei nicht nur in den Familienüberlieferungen oder in der Diskussion um Denkmalsetzungen und um historische Straßennamen, sondern auch in den Bewertungen der „großen Ereignisse“ wie der neu entfachte Streit um die Ursachen des Ersten Weltkriegs zeigt. Die Kenntnis bloßer Zahlen, Namen und Fakten reiche sicher für die Quizshow, so die Geschichtsdidaktikerin, fürs Leben müssten historische Zusammenhänge immer wieder neu geprüft und hergestellt werden. Das gelte insbesondere auch für die eigene Lebensgeschichte, die immer als ein Stück Zeitgeschichte erzählt werde.

Die neuen Freiräume der Lehrpläne stärken nicht nur den Alltagsbezug historischen Lernens, sondern sie erhöhen zugleich die Verantwortung der Pädagogen für die Unterrichtsgestaltung. „Wir möchten die Teilnehmer der Fortbildung deshalb nicht nur mit den theoretischen Grundlagen der Kompetenzorientierung im Fach Geschichte vertraut machen, sondern in vier Workshops Möglichkeiten der praktischen Umsetzung der Lehrplanvorgaben vorstellen und diskutieren“, sagt Dr. Steffi Hummel, die den Fachtag mit vorbereitet hat. Sie hat dazu auch die Schulbuchverlage eingeladen, deren Redakteure über die neu konzipierten Geschichtslehrbücher mit den Lehrerinnen und Lehrern ins Gespräch kommen wollen.

Foto: Prof. Dr. Anke John von der Universität Jena lädt zum ersten Fachtag Geschichte ein. Foto: Jan-Peter Kasper/FSU