LESUNG VON GERT SCHRAMM

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Alle Freunde der Literatur, aber auch historisch Interessierte sind herzlich zur letzten Veranstaltung des Thüringer Bücherfrühlings in diesem Jahr in Gotha eingeladen. Im Gothaer Tivoli liest am Freitag, 25. März 2011 der Autor Gert Schramm aus seiner Autobiografie „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann.“ Mein Leben in Deutschland.

Die von der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Förderverein „Gothaer Tivoli“ organisierte Veranstaltung beginnt 19.00 Uhr (Eintritt: 4,50 €, Ermäßigt 3,00 €).
Die Erinnerungen von Gert Schramm, einem schwarzen Deutschen, der während des Nationalsozialismus im KZ Buchenwald inhaftiert war, erzählen eine ungewöhnliche deutsche Geschichte: vom Leben und Überleben im „Dritten Reich“, von Nachkriegsanfängen und Neuorientierungen, von der DDR und dem Nachwendedeutschland.

Gert Schramm wird 1928 als Sohn einer Thüringerin und eines schwarzen US-Amerikaners in einem Dorf bei Erfurt geboren. In die behütete Kindheit bei den Großeltern und das ruhige, beschauliche Leben in Witterda, einem Dorf in der Nähe von Erfurt, bricht bald schon die Allgegenwart des Nationalsozialismus ein. Der Junge, dem man seine „nicht arische“ Herkunft schon von weitem ansieht, wird zunehmend angefeindet, der Schulleiter, der ein so kaltblütiger wie hartnäckiger Nazi ist, betreibt die Entfernung des Kindes aus seiner Schule. Mit der Idylle in Witterda ist es aus und vorbei.

Für den erst Vierzehnjährigen beginnt eine Odyssee durch Polizei- und Gestapogefängnisse, die über ein Jahr andauern soll. Die behördlichen Schlingen ziehen sich zusammen. Für elf Monate wird das KZ Buchenwald zum erzwungenen Lebensort des Fünfzehnjährigen. Er sieht die alltägliche Brutalität der SS, ist mit Hunger und Tod konfrontiert. Doch er lernt auch viel über Kameradschaft und Anteilnahme, über das solidarische Verhalten und die persönliche Courage einiger seiner Mithäftlinge, die versuchen, ihn soweit wie möglich zu schützen und vor dem Schlimmsten zu  bewahren.

Die Auflösung des Konzentrationslagers und die Rückführung von abertausenden ehemaligen Häftlingen stellt eine ungeheure Aufgabe dar. Gert Schramm fängt als Dolmetscher für die sowjetische Militärkommandantur in Langensalza an.
Ironie des Schicksals: Sein Russisch hat er von einstigen Zellengenossen und ins KZ verschleppten Kindern gelernt. Wenig später wird er für kurze Zeit zum NKWD, dem sowjetischen Geheimdienst, befohlen.

Auch das Jugendamt schaltet sich noch einmal ein, denn er ist noch nicht volljährig und sein „Fall“ soll erneut aufgerollt werden. Für den jungen Mann ist es unfassbar, dass diejenigen, die für sein Schicksal eine Mitverantwortung trugen, noch immer in Amt und Würden sind. Schon bald wird es Gert Schramm in Thüringen zu eng, und er macht sich auf einen abenteuerlichen Weg, der ihn über den Westen Deutschlands nach Frankreich führt.

Als einstiger NS-Verfolgter hätte Gert Schramm in der DDR ein geruhsames Leben führen können, doch er lehnt dieses Privileg immer wieder entschieden ab. Stattdessen nimmt er an Aufbauprojekten teil. Dem wachsenden Druck „von oben“, in die Partei einzutreten, beugt er sich nicht. Als sich die Chance bietet, in der BRD zu arbeiten, siedelt er kurz entschlossen mit seiner Familie ins Ruhrgebiet, kehrt aber bald wieder aus familiären Gründen in die DDR zurück. Wieder beginnt die Familie bei Null – von einem skurrilen Rückkehrlager aus an zugewiesenen Wohn- und Arbeitsorten. Trotz allem Druck bleibt er weiter erklärtermaßen parteilos und kann sich, vielleicht auch deshalb, auf ein erstaunliches Netz von Beziehungen und ein besonderes Gespür für unkonventionelle Wege verlassen. Doch dem Dauerstress lässt sich nicht ewig trotzen. Dieses eine Mal nutzt Gert Schramm seine Sonderstellung, um sich als „Normalsterblicher“ in den letzten Jahren der DDR als Taxiunternehmer selbständig zu machen. Seit er – nach der Wende – von Neonazis bedroht wurde, engagiert sich Gert Schramm in der Aufklärungsarbeit gegen Rechts.

Publiziert: 14. März 2011, 11.09 Uhr