„Man muss dafür brennen und die Zeit vergessen“

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Eine weltweit einmalige Pfeifenmacherei produziert auf historischen Maschinen in Tabarz.

Eine Zeitreise ins Jahr 1923 – das ist ein Besuch der Pfeifenmacherei Kallenberg. Es riecht nach Pfeifenrauch, intensiv nach altem Holz, ein wenig nach Horn. Kindheitserinnerungen an Opas alte Werkstatt werden wach. Die Maschinen, das Werkzeug, Schaustücke und selbst Rechnungen an der Wand zeugen von handwerklicher Tradition. Glühlampen erhellen nur dürftig den Raum. Überall Kisten aus Holz und fester Pappe; voll unzähliger Mundstücke, Schablonen und Rohmaterial. Dieses Schatzkästchen übernahm Frank Peter Filß im November 2011 in fünfter Generation: „Ich habe Jahre bei Hans Kallenberg gelernt und gearbeitet, wollte immer schon diese Tradition fortsetzen und es ist bis heute eine Ehre für mich, wenn er eine Pfeife abnimmt. Entscheidend ist der Wille zur Erhaltung. Ich wäre ein Fantast, wenn ich hier nur wirtschaftlich denken würde.“

Altmeister Hans Kallenberg vertraute ihm die Pfeifenmacherei an: „Ich kenne dich. Keinem Anderen hätte ich die Werkstatt gegeben. Ich weiß, dass du sie erhältst, zu schätzen weißt. Mach was Neues, aber bewahre das Alte.“ Kallenberg – einst Mitbegründer des Thüringer Pfeifenhandwerks – hinterließ Schätze: einen Fundus aus vier Generationen, dessen Bestand Pfeifenkenner schwärmen lässt. Diese ursprüngliche Herstellung auf fast 100 Jahre alten Maschinen lockte bereits Experten der Branche und Pfeifenliebhaber aus aller Welt nach Tabarz.  „Kallenberg Pfeifen“ gehört schon jetzt laut dem Branchen-Kenner und Autor des Pfeifen-Guides, Rolf Joachim Rutzen, zu den 200 bedeutendsten Manufakturen der Welt.

Frank Peter Filß war 52, als er beschloss, zu seinen Wurzeln zurückzukehren und trotz Karriere als Werkzeugmacher kürzer zu treten. In der Werkstatt findet er nun Ruhe und Berufung: „Man muss dafür brennen und die Zeit vergessen. Ich schau nicht mehr alle Stunde nach E-Mails oder habe drei Handys im Blick. Zwar sitze ich hier nicht in einem Schloss, aber hier ist meine Arbeit was wert und ich darf altes Wissen erhalten. Meine Familie steht hinter mir. Ich bin glücklich“, sagt er. Und die wachen, hellen Augen leuchten dabei.

Die Herstellung einer perfekten Pfeife ist aufwändig: Aus einem schweren Klotz Bruyére entsteht nach 40 Arbeitsgängen ein Stückchen Handwerkskunst. Bruyére, das wertvolle Wurzelholz der Baumheide, lässt sich nicht kultivieren, wächst vor allem in der Mittelmeerregion. „Ihr Holz ist besonders hart, ideal gemasert und voller Gerbsäure, so dass es beim Rauchen nicht verbrennt. Doch nur 5 % einer solchen Wurzel sind fehlerfrei, aber irgendwie muss ich ja auch meine Werkstatt heizen“, fügt Filß mit einem Augenzwinkern hinzu. Das Verschmitzte offenbart sich immer wieder, auch als er erläutert: „Eine Pfeife ist wie eine Frau, sie muss weich und wohlgeformt sein, gut in der Hand liegen und man muss sie ihr Leben lang gut behandeln.“ Alte Schablonen vom Meister Kallenberg geben dem Pfeifenkopf die erste Form, mit Bleistift angezeichnet und immer wieder nachgemessen und korrigiert. Die Maschinen laufen – angetrieben von Riemen und Rädern der Transmission, die die Energie auf Schleifscheiben übertragen. Was für den Meister wie „Musik in den Ohren“ ist, klingt für Laien nach arbeitsschutzbedenklichem Lärm.

Beim Schleifen entsteht nach und nach die Form. Filß arbeitet sich der Maserung entlang, will deren weiche Linien erhalten, Sonnenstrahlen gleich, die den Pfeifenkopf umfassen. Nicht selten ist alle Mühe umsonst, weil sich erst während der Arbeit Fehler im Holz zeigen. Ohne pedantischen Perfektionismus und geduldige Gelassenheit entsteht hier nichts. Für das Mundstück bevorzugt Filß Brasilhorn: „Es ist angenehmer für die Zähne, beißt sich gut und ist Teil der traditionellen Pfeifenmacherkunst.“ Ein solches Mundstück wird nach dem Drehen und Schleifen 24 Stunden poliert, bis es weich und glatt ist. Dazu kommt es in eine hölzerne Trommel, gefüllt mit Bimsstein, Bimsmehl und Firnisöl. Erst dann ist es bereit für die Hochzeit – das Zusammenführen mit dem Pfeifenkopf. Den letzten Handgriff macht Filß mit besonderer Ruhe und in Abgeschiedenheit: Mit Blattgold prägt er ein „K“ ins Mundstück und am Pfeifenholm verrät der Schriftzug „Kallenberg/HandMade“ die Echtheit des Meisterstückes.

Sichtlich stolz hält Filß eine seiner Einzelstücke in der Hand und meint: „Mit Liebe zum Detail, zur Tradition und zur Heimat schaffe ich hier Dinge, die individuell durch mich entstanden, mich widerspiegeln, solche Formen und Farben, das kann nicht jeder.“ Bis zu 30 Arbeitsstunden beansprucht eine Pfeife. Da erscheinen Stückpreise zwischen 60 und 250 Euro fast zu niedrig.

Frank Peter Filß strahlt seine liebenswerte, fröhliche und authentische Lebenseinstellung aus. Dankbar führt der das Erbe der Pfeifenmacherei Kallenberg in Tabarz weiter und denkt an die Zukunft: „Ich werde mich weiter auf die individuelle Fertigung nach Kundenwünschen spezialisieren, möchte diese einzigartige Technik erhalten. Gerne restauriere ich historische Pfeifen, kümmere mich aber auch um die klassischen Alltagspfeifen meiner Kunden.“ Für die „Pfeifenmacherei Kallenberg“ hat Filß – im Spagat zwischen Erhalt und Vermarktung – ein umfassendes Konzept erarbeitet, um davon leben zu können: „Es ist aber nicht einfach, ein produzierendes Museum zu erhalten und zugleich alle gesetzlichen Auflagen zu erfüllen.“ Er findet, dass Thüringen reich an Sehenswürdigkeiten – auch abseits der großen Routen – sei. „Ich wünsche mir eine bessere Vernetzung und Zusammenarbeit untereinander. Wir können alle voneinander profitieren und sollten uns ergänzen, statt als Konkurrenz zu betrachten.“

Filß plant, seinen Standort in der Walterhäuser Straße 22 in Tabarz für ausgefallene Events und Individualisten zu öffnen. Besucher können heute bereits Dienstags und Donnerstags zwischen 14 und 16 Uhr an einer der Führungen teilnehmen, sowie sich nach Absprache die Werkstatt zeigen lassen. Hier wird nachgewiesen, dass einhundert Jahre alte Technik länger als die Technik von heute überlebt. Trotzdem ist er auf der Höhe der Zeit – und im Internet (www.kallenberg-pfeifen.de).

Wie anders Pfeifenraucher sind, beweist der Wettbewerb im „Pfeifelangsamrauchen“: Sieger ist, wer drei Gramm Tabak am Längsten am Glühen hält. „Raucher sind Außenseiter“, meint Filß und ergänzt: „Wir dürfen nicht werben, aber auf die 12,3 Milliarden Einnahmen aus der Tabaksteuer will der Staat sicher auch nicht verzichten.“ Viermal im Jahr trifft sich das neugegründete Tabarzer Tabak Collegium TTC bei Whisky, Wein und Pfeifenrauch in den Räumen der Pfeifenmacherei Kallenberg und treten im Rauch ihrer Pfeifen eine Zeitreise an, in das Jahr 1923 …

Kontakt:
Pfeifenmacherei Kallenberg
Frank Peter Filß
Waltershäuser Str. 22
99891 Tabarz

(Autor: Livia Zimmermann)