Sim City im Playoff-Halbfinale der 2. Basketball-Bundesliga ProA

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Es sind solche Spiele, die den Puls in bedenkliche Höhen treiben, Fans und Zuschauer im Verlauf von nur 40 Minuten um Jahre altern lassen, Augenblicke die allerdings eben auch nur der Sport schreiben kann.

Denkwürdige Momente, wie das Zweitliga-Aufstiegsspiel gegen Bayern München um die Jahrtausendwende, wie Jurica Puljics Dreier von der Mittellinie gegen Breitengüßbach vor etlichen Jahren, wie Al Elliotts drei Freiwürfe zur Verlängerung im BBL-Aufstiegsspiel gegen Chemnitz oder eben jene Sequenz am gestrigen Abend gegen Göttingen 7,3 Sekunden vor der Schlusssirene.

Jenas Playoff-Traum geht weiter. Die Thüringer, knapp 40 Sekunden vor der Schlusssirene beim 78:85-Zwischenstand bereits mit einem Bein im Bus zum 5. Spiel, drehten in einer atemberaubenden Schlussphase die Partie noch zu ihren Gunsten, ließen mit einem 86:85-Sieg den „Tempel der guten Laune“ in Lobeda-West emotional komplett explodieren.

Noch um 21.56 Uhr standen die Gäste aus Göttingen kurz davor, die Playoff-Serie nach einer Jenaer 2:0-Führung auszugleichen, ein Spiel 5 in der S-Arena zu erzwingen. Bereits eine Zeigerumdrehung später war für die Niedersachsen im Viertelfinale jedoch Endstation. So schnell das sportliche Geschehen des Duells innerhalb der drei ersten Viertel erzählt ist, so blitzartig überrumpelten die Saalestädter ein sich bereits in Feierlaune befindlichen Kader der Niedersachsen in der Crunch Time dieser Begegnung.

Während sich beide Kontrahenten bis zur Halbzeitsirene fast durchweg auf Augenhöhe duellierten, dem jeweiligen Gegner kein größeren Ausreißer gestatteten und sich nach einem 18:19-Zwischenstand in der ersten Viertelpause bis zur 16. Minute (33:34) parallel punktend in Richtung Halbzeit bewegten, war es die BG Göttingen, die kurz vor dem Kabinengang den ersten größeren Vorsprung herauswerfen konnte. Innerhalb von zwei Minuten nutzten die Gäste eine offensive Jenaer Durststrecke, um sich nach einem Dreier von Sullivan Phillips mitten hinein in die Halbzeitsirene auf 35:43 abzusetzen.

Nachdem der Ex-Erstligist auch mit Wiederanpfiff in der Offensive die besseren Entscheidungen traf, sich durch einen Distanzwurf von Bobby Davis zum 37:48 in der 21. Minute den größte Vorsprung der Partie erspielen konnte, gab sich Science City noch lang nicht geschlagen. Spätestens nach einem Korbleger von Garrett Sim zum 54:55 (27.) befand sich das Eichler-Team erneut in Schlagdistanz.

Auch in der Folge gelang es den Niedersachsen nicht ihren zum Teil zwischen sechs bis acht Punkte pendelnden Vorsprung zu behaupten. Immer wieder gelang es den Gastgebern sich zurückzukämpfen, den Abstand zu verkürzen. Ergebnistechnisch bis in die Schlussphase hinterherlaufend schien das Roijakkers-Team nach einem Korbleger von David zum 78:85 einem ungefährdeten Auswärtssieg entgegenzugehen.

Doch nun zeigten die Thüringer ihr großes Kämpferherz. Ein Dreier von Kenny Barker zum 81:85, der sich anschließende Steal an der Göttinger Baseline durch Christoph Roquette, welcher im Anschluss gefoult wurde um beide Freiwürfe zu verwandeln, ließen die Jenaer Jungs wieder in ein längst verlorengeglaubtes Spiel zurück.

Die emotionale Druckwelle nach Garrett Sims Dreier zur 86:85-Führung 7,3 Sekunden vor Ende bildete dann das optische Sahnehäubchen einer Vorstellungen, deren Augenzeugen wohl noch lang über das Miterlebte in Erinnerung schwelgen werden. Nachdem der an der Mittellinie eingeworfene Ball der Gäste im finalen Angriff den Jenaer Korb verfehlte, bildete die Schlusssirene eine Art Startsignal einer Arie der Freude einerseits, während auf der Seite der Veilchen genügend Tränen flossen.

Auch Trainer Georg Eichler, vom Erlebten noch sichtlich mitgenommen, rang kurz nach dem Ende um Luft, konnte die Last-Minute-Halbfinal-Buchung seines Teams kaum in Worte fassen. „Vor den Playoffs hatten uns viele Experten nicht auf der Rechnung, sind davon ausgegangen, dass wir mit einer 0:3-Packung lediglich ein kurzes Gastspiel geben werden. Jetzt sitzen wir hier, haben mit zum Teil unglaublich leidenschaftlichen Vorstellungen die 3:1-Sensation geschafft. Stolzer kann ein Coach kaum sein als ich es heute bin. Mein Team hat in der Schlussphase clever gespielt, auf dem Parkett viel Herz investiert und nie aufgegeben. Sie haben es gewollt, sie haben es geschafft, sie haben sich selbst belohnt“, so Jenas Trainer.

Während die gestern Abend mit 1390 Zuschauern vollgestopfte Werner-Seelenbinder-Halle schon viele unvergessliche Schlachten erlebt hat, fügten Jenas Basketballer mit der Schlussphase beim Sieg in Spiel 4 ein weiteres denkwürdiges Kapitel hinzu. Auch Gäste-Coach Johan Roijakkers blieb am Ende nur die Gratulation an das Team von Science City Jena, welches mit hoher Intensität ein verlorengeglaubtes Duell tatsächlich noch umbiegen konnte.

SCJ: Barker 20, Jeka 13, Sim 14, Roquette 12, Schwartz 7, Adomaitis 7, Watts 6, Reyes-Napoles 4, Wysocki 3, Krumbeck, Strauß, Mayr