Soziologen hinterfragen die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen

0
1127

Kommt sie oder kommt sie nicht? Und welche Folgen hätte sie? Die „Frauenquote“ in deutschen Unternehmen ist umstritten: Während die einen mit Verweis auf erfolgreiche Modelle in Skandinavien oder anderen europäischen Ländern eine feste Quote von Frauen in den Aufsichtsräten und Vorständen von Unternehmen fordern, lehnen andere – darunter viele Frauen, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel – vorgegebene Quoten ab. Sie setzen stattdessen auf das freiwillige Engagement von Unternehmen, mehr Frauen Chancen in Führungspositionen einzuräumen.

Wie gesamtgesellschaftliche Ziele, etwa die Erhöhung des Frauenanteils in den Führungsetagen oder die Eindämmung des globalen Klimawandels, ihren Weg in Unternehmen finden und dort verarbeitet werden, das wollen Soziologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena jetzt genauer untersuchen. Das Team um Juniorprofessorin Dr. Stefanie Hiß hat gerade ein neues Forschungsprojekt zur „Institutionalisierung von Gemeinwohlinteressen in Unternehmen“ gestartet. Das Projekt wird von der Universität Jena im Rahmen des Programms „ProChance 2010“ mit einer halben Wissenschaftlerstelle und Sachmitteln gefördert und hat eine Laufzeit von zwei Jahren. „Uns interessiert die Frage, welchen Beitrag Unternehmen zum Gemeinwohl leisten und wie sie Gemeinwohlinteressen institutionalisieren“, erläutert Projektleiterin Stefanie Hiß.

„Welchen Effekt Unternehmen für das Gemeinwohl haben, das fragen die Wirtschaftswissenschaften und die Soziologie schon seit langem“, weiß die Juniorprofessorin für Wirtschaftssoziologie und Soziologie der Finanzmärkte. Bereits im 18. Jahrhundert habe der schottische Moralphilosoph Adam Smith in seiner Abhandlung über den „Wohlstand der Nationen“ eine Antwort auf diese Frage gegeben: Smith sagt, dass die individuelle Nutzenverfolgung über die „unsichtbare Hand das Marktes“ zu einer Mehrung des kollektiven Wohlstands und damit automatisch zu mehr Gemeinwohl führe. „Eigennutz und Egoismus, wie sie Unternehmen verkörpern, kommen damit allen zugute“, so Prof. Hiß. Unter dem Eindruck der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise gerate diese Einsicht jedoch zunehmend in die Kritik. „Unternehmen produzieren nicht nur Wohlstand, sondern auch hohe Kosten, die sie beispielsweise in Form von Bankenrettungspaketen den Steuerzahlern aufbürden.“ Profite verbleiben im Unternehmen oder werden an die Anteilseigner ausgeschüttet, während die Kosten die Allgemeinheit trägt – so die Kritik.

In ihrem neuen Projekt wollen die Jenaer Soziologen am Beispiel des Klimawandels und der Frage der Geschlechtergerechtigkeit danach fragen, wie Gemeinwohlinteressen von profitorientiert wirtschaftenden Unternehmen aufgegriffen und in der Organisation und Unternehmenspraxis umgesetzt werden. Dazu führen sie Intensivfallstudien durch, bei denen sie Unternehmen unterschiedlicher Größe aus Deutschland und den USA miteinander vergleichen. Bisher gehen die Jenaer Soziologen davon aus, dass die Institutionalisierung von Gemeinwohlinteressen sowohl von der Verfasstheit und Größe des Unternehmens abhängig ist sowie davon, in welches Kapitalismusmodell das Unternehmen eingebettet ist.