Studierende der Universität Jena verbinden 100 Jahre Kommunikationstechnik

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Wer heute mit dem Smartphone die 001 wählt, ist in kürzester Zeit mit den USA verbunden. Vor 100 Jahren war das komplizierter. Um die Verbindung zu ermöglichen, wurde damals – neben den noch unzuverlässigen Seekabeln – ein Netz von 17 Längstwellen-Funksendestationen  geplant. Neun wurden wirklich gebaut, doch sie haben längst den Betrieb eingestellt: bis auf eine, die schwedische Station Grimeton.

Diese Station nahm 1925 offiziell ihren Betrieb in Richtung Long Island, USA auf und beherbergt heute den einzigen noch funktionsfähigen Maschinensender der Welt, der 2004 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. An nur drei Tagen im Jahr wird die Maschine aufwendig in Drehung versetzt und sendet eine kurze Morsebotschaft mit ihrem Rufzeiche SAQ (··· ·− −−·−) über ihre 2,2 Kilometer lange und 127 Meter hohe Antenne in die Welt. Einer dieser drei Tage ist der erste Sonntag im Juli – der nach dem Erfinder der Sendemaschine Ernst Fredrik Werner Alexanderson (1878-1975) benannte Alexanderson-Tag.  Am 3. Juli 2016 war es wieder soweit – und in Jena empfing man das Signal. Eine Arbeitsgruppe von Physikern und Physikstudenten der Friedrich-Schiller-Universität wollte beweisen, dass man heute auch mit moderner Smartphone-Technologie die altbekannten Morsezeichen empfangen kann.

 

Längstwellen-Ohr fürs Smartphone

Zwischen Smartphones und der Längstwellen-Telegraphie liegt nicht nur viel Zeit, sondern vor allem sind die benutzten Funk-Frequenzen völlig verschieden: Die modernen Mobilfunk-Frequenzen sind mehr als 50.000 Mal größer. Würde Grimeton keine Funkwelle sondern Schallwellen senden, wären diese mit  17,2 Kilohertz für das menschliche Ohr fast noch hörbar. Hier setzen die Studenten an und schufen ein Längstwellen-Ohr fürs Smartphone. Mit einigen Holzleisten und 100 Meter Kupferdraht vom Baumarkt, einem Headset-Stecker, einer App-Software machten sie die Signale „aus vergangenen Zeiten“ hörbar. Im Rahmen des Messtechnik-Praktikums der Physikalisch-Astronomischen Fakultät testeten die Studierenden unter Anleitung von Dr. Ronny Nawrodt und Dr.-Ing. Volker Tympel den Smartphone-Längstwellenempfänger in der vergangenen Woche.

Am Sonntag (3. Juli) war es dann soweit, die Antenne wurde in einem Garten aufgebaut, um möglichst viel Abstand von physikalischen Laboren und häuslichen Induktionsherden zu gewinnen. Genau um 14.00 Uhr MESZ wurde in Grimeton zur Morsetaste gegriffen und gesendet. 700 Kilometer entfernt im Jenaer Gembdenbachtal konnte die Botschaft klar und deutlich empfangen werden: dank Längstwellen-Ohr am Smartphone. Die Empfangsbestätigung nahm allerdings den modernen Weg: Per Smartphone wurde eine E-Mail mit Foto nach Grimeton gesandt.

Auch im nächsten Jahr soll der Messtechnik-Kurs wieder auf besondere Weise abgeschlossen werden: mit einem sogenannten „MacGyver-Tag“ – dann geht es erneut um das Lösen interessanter physikalischer Messprobleme unter Nutzung alltäglicher Gegenstände.

 

 

 

(Beitragsbild: Die Jenaer Physiker (v.l.n.r.: Volker Tympel, Jan Reislöhner, Klara Knupfer und Matthias Pilz) beim Aufbau der Rahmenantenne – dem Längstwellen-Ohr. Rechts oben: Smartphone empfängt die  Morsezeichen, darunter zweimal das Rufzeichens SAQ – kurz kurz kurz (S), kurz lang (A), lang lang kurz lang (Q). Collage: Tympel/FSU; Fotos: Nawrodt/FSU)