Tanzende, gefährliche Fressmaschinen aus TD

0
1153

Edwin Anton Johannes Wawra – der Mann ist wie sein Name: ein Original. Und wer nach Tambach-Dietharz fährt, „muss“ an ihm vorbei. Zwischen Georgenthal und Tambach-Dietharz stehen neugierige tierische Zeitgenossen am Zaun.

Sie glotzen mit Kulleraugen, die größer sind als ihr Hirn über den Zaun, haben beeindruckend große Federn und können doch nicht fliegen. Sogar ihr 69-jähriger Straußenvater gibt wortwörtlich zu, dass seine Schützlinge doof sind. 39 Straußenbeine stehen nach Wawras Angaben auf der großen Wiese vorm Haus. Die genaue Anzahl der Laufvögelbeine zu nennen, verbietet der Aberglaube, der Tierzüchtern anhaftet. Mit seinem Humor nimmt er auch gerne mal neugierige Zaungäste aufs Korn und bietet an, beim Säugen der Jungen dabei sein zu dürfen. Neben den Straußen tummeln sich 7 Schwäne, 90 Hühner und 1 Hund auf dem Grundstück des ehemaligen Agraringenieurs. Im Interview mit Livia Zimmermann gibt er spannende und überraschende Antworten:

Wie sind Sie auf den Strauß gekommen?

Ich war mal ziemlich dick und mein Arzt meinte, Straußenfleisch enthalte kein Fett und Cholesterin. Also schaffte ich mir 1997 drei Tiere für den Eigenbedarf an. Ziege, Pony und Schaf hat doch jeder als Haustier.

Und sie bringen die Tiere selber um die Ecke?

Ja, geschlachtet wird nach den gesetzlichen Vorgaben mit Betäubung durch Bolzenschuss und Kehlschnitt. Gemeinsam mit meiner Frau erledige ich das. Gerupft werden muss das Tier, solange es warm ist, damit das Leder erhalten bleibt. Ein Fleischer kümmert sich dann mit mir zusammen um Fleisch und Leder.

Und was dann vom Strauße übrig bleibt …

Das Fleisch ist ausschließlich für den Eigenbedarf bestimmt. Das deutsche Lebensmittelrecht verbietet mir das Verkaufen und sogar das Verschenken. Straußenleder gehört zum teuersten Leder der Welt. Holländer und Koreaner kaufen das auf und bieten mir im Gegenzug Lederwaren oder einen finanziellen Ausgleich.

Wie schmeckt überhaupt Strauß, sind Sie nicht mal straußsatt?

Sehr gut, man wird lustig und nicht dick. Es ist vergleichbar mit rotem zarten Geflügelfleisch, wie Reh oder Fasan, mit leichtem Wildgeschmack. Ich schlachte die Tiere ja nicht in Massen, hab es also nicht über. Wir frieren für das ganze Jahr ein. In diesem und dem kommenden Jahr lasse ich meine alten Tiere in Ruhe Eier legen. Immerhin können die Vögel 60 Jahre alt werden.

Was raten Sie Verbrauchern beim Fleischkauf?

Das Fleisch wird sehr hochpreisig gehandelt, bis zu 40 Euro pro Kilogramm. Besonders das Filet der einjährigen Jungtiere ist begehrt und sehr lecker. Gutes, zartes Fleisch gibt auf Daumendruck nach.

Mal ehrlich, so ein Strauß ist schon ein bisschen doof?

Strauße sind doof! Ihr Gehirn ist kleiner als ihr Auge. Er säuft aus dem Trog, sieht was spannendes und tritt sein eigenes Wasser um. Mich erkennen die Tiere nur, wenn ich in dreckigen Klamotten vor ihnen stehe.

Sind Sie schon mal auf einem Strauß geritten?

Das ist Mumpiz! Man reitet nicht auf Straußen, man kann sie nicht zügeln, sie würden unkontrolliert rennen. In einem engen Gang und mit einem Leichtgewicht als Reiter mag das gehen, aber es ist Tierquälerei. Strauße zählen in Thüringen übrigens ernsthaft zu den gefährlichen, wilden Tieren!

Was mögen Sie an diesen Tieren?

Die kurzen Momente, in denen mir der Strauß zeigt, dass er sich wohlfühlt, sein Sicherheitslid herunterklappt und den Hals streicheln lässt. Meine Tiere sind Fressmaschinen: Löwenzahn ist die Praline des Straußes! Übrigens verfügt ein Strauß über zwei Mägen – im ersten zermahlen verschluckte Steine das Futter grob und im zweiten Magen wird es verdaut.

Züchten Sie auch?

Die Straußenzucht ist sehr anspruchsvoll. Ich überlasse die befruchteten Eier den Profis und erhalte dafür Jungvögel, die ich aufziehe. Die ersten vier Wochen sind kritisch, die Tiere lieben die Wärme und sind auf Spezialfutter angewiesen. Nach und nach lernen sie Gras zupfen und sie wachsen sehr schnell. Seit der Vogelgrippe hatte ich keine Jungtiere mehr.

Warum?

Ihr Bewegungsdrang verbietet Stallhaltung, man kann solche Tiere nicht einsperren. Die Tiere tanzen sogar zum Frühsport. Strauße außer Rand und Band treten alles kurz und klein, sie haben eine unglaubliche Kraft. Im Sommer brauchen sie ihre große Wiese und solange es nicht zu feucht ist, sind sie bei jedem Wetter draußen, sogar der Frost kann ihnen nichts anhaben.

Herzlichen Dank, Herr Wawra, für das Gespräch!

Ach ja, wem im ersten Absatz noch kein Licht aufging – Strauße sind eierlegende Vögel und säugen ihre Jungen nicht, im Gegenteil, sie sind nicht mal besonders mütterlich oder väterlich! Also schauen Sie mal in Tambach über den Zaun und bewundern diese merkwürdigen Geschöpfe!

(Text und Bild: Livia Zimmermann)