Theologen von den Universitäten Jena und Stellenbosch in Südafrika kooperieren

0
1276

Als „absolut bewegend und emotional“ beschreibt Prof. Dr. Martin Leiner das, was er kürzlich in Südafrika erlebt hat. Der Theologe von der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat an einer ganz besonderen Tagung teilgenommen: einer Neuauflage der Versöhnungs- und Wahrheitskommission (TRC) – dem in den 1990er Jahren von Nelson Mandela eingesetzten Gremium zur Aufarbeitung der Verbrechen während der Apartheid-Ära. „Erstmals seit Ende der 1990er Jahre saßen Vertreter verschiedenster Glaubensgemeinschaften Südafrikas, Schwarze und Weiße, Christen, Hindus, Juden und Muslime wieder an einem Tisch und haben gemeinsam über den Wandel in den vergangenen Jahren, aber auch über die Zukunft Südafrikas diskutiert“, sagt Martin Leiner. „Viele ehemalige TRC-Mitglieder waren auch diesmal mit dabei. Und genau wie damals hat Desmond Tutu die Sitzung geleitet. Ihn zu erleben, war wirklich etwas Besonderes“, berichtet der Jenaer Wissenschaftler.

Martin Leiner war vom Beyers Naudé Centre for Public Theology der Universität Stellenbosch nach Südafrika eingeladen worden. Das Beyers Naudé Centre hat die TRC-Neuauflage gemeinsam mit der Desmond & Leah Tutu Foundation organisiert.

Doch der Jenaer Theologe ist nicht nur mit vielen Eindrücken im Gepäck aus Südafrika zurückgekehrt, sondern auch mit einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Beyers Naudé Centre und dem Jenaer Zentrum für Versöhnungsforschung der Universität Jena (JCRS). Einen entsprechenden Vertrag haben JCRS-Leiter Martin Leiner und der Leiter des Beyers Naudé Centre, Prof. Dr. Nico Koopman, am Rande der Tagung unterzeichnet. „Wir haben schon seit einigen Jahren engen Kontakt, doch nun möchten wir unsere Zusammenarbeit intensivieren“, sagt Leiner. Die Vereinbarung ist für eine Dauer von zunächst fünf Jahren mit der Option auf Verlängerung angelegt. Unter anderem sind gemeinsame Forschungsprojekte sowie der Austausch von Studierenden und Doktoranden geplant.
Das Beyers Naudé Centre ist nach dem weißen südafrikanischen Theologen und Apartheid-Gegner Christiaan Frederick Beyers Naudé (1915-2004) benannt und engagiert sich für die Aussöhnung der südafrikanischen Bevölkerungsgruppen. „Durch die Kooperationsvereinbarung sitzen wir nun direkt an der Quelle zur südafrikanischen Versöhnungspolitik und ihren bedeutenden Persönlichkeiten, wie etwa dem Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu“, betont Martin Leiner. Desmond Tutu, geboren 1931 in Südafrika, ist ein ehemaliger anglikanischer Erzbischof und erhielt 1984 den Friedensnobelpreis. Tutu spielte bei der Überwindung der Apartheid sowie später als Vorsitzender der TRC bei der Vergangenheitsbewältigung eine tragende Rolle.
Südafrika hat sich seit dem Ende der Apartheid vor 20 Jahren stark gewandelt. Doch noch immer gibt es offene Wunden, noch immer sind Schwarze und Weiße nicht vollständig miteinander versöhnt, wie auch bei der jüngsten TRC-Konsultation deutlich wurde, sagt Prof. Leiner: „Die Kirche ‚Nederduitsch Hervormde Kerk van Afrika‘, die die Apartheid maßgeblich mitgetragen hat, nimmt beispielsweise noch immer keine Schwarzen in ihre Gemeinde auf und ist nicht bereit, ihre Rolle während der Zeit der Apartheid aufzuarbeiten.“ Genau deshalb seien Veranstaltungen wie die Neuauflage der TRC-Konsultationen wichtig, um die südafrikanische Öffentlichkeit wieder verstärkt für das Thema Versöhnung zu sensibilisieren: „Nur so kann das Land wirklich zusammenwachsen“, sagt Leiner. Das Konzept der Wahrheits- und Versöhnungskommission habe dabei weltweit Vorbildcharakter und stoße zunehmend auf Interesse: „Wir können von den südafrikanischen Erfahrungen vieles lernen und sie helfen uns auch bei der Lösung von Konflikten in anderen Ländern und Regionen, wie etwa in der Ukraine oder im Nahen Osten“, ist der Jenaer Theologe überzeugt.

(Foto: Prof. Dr. Martin Leiner von der Uni Jena, Friedensnovelpreisträger Desmond Tutu und Christo Thesnaar, Professor an der Theologischen Fakultät in Stellenbosch (Südafrika), am Rande der Neuauflage der Versöhnungs- und Wahrheitskommission (TRC) 2014.)