Zurück ins Leben!

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Schamgefühle, verächtliche Blicke, fehlende soziale Kontakte, Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes – für viele übergewichtige Menschen ist das leider normal. Aktuell ist jeder zweite Erwachsene in Deutschland übergewichtig; jeder fünfte Deutsche ist bereits adipös, das heißt, der BMI liegt höher als 30.

Auch Christina Cyliax wog vor einem Jahr noch
140 kg – und das bei einer Körpergröße von
1,62 Meter. Zum Übergewicht kamen neben psychischen Problemen auch Bluthochdruck und eine Typ-II-Diabetes. Unzählige Diäten hatte Christina Cyliax bereits ausprobiert; durch den Jojo-Effekt hatte sie danach immer mehr Kilos auf den Rippen. Irgendwann konnte die 53-Jährige das Haus nur noch mittels Rollator verlassen – und sah sich dann oft mit verächtlichen Blicken anderer konfrontiert. Aus Frust aß sie wieder. Ein Teufelskreis. Dass sie dringend an Gewicht verlieren musste, war Christina Cyliax natürlich bewusst.

Vor vier Jahren sollte sie an der Bandscheibe operiert werden. „Mein behandelnder Arzt sagte, dass ich zuvor abnehmen müsse“, erinnert sich die ehemalige Reiseleiterin. „Das war die Initialzündung! Ich informierte mich umgehend über die Adipositas-Chirurgie, fragte in verschiedenen Krankenhäusern nach, ob eine Magen-OP möglich sei und stellte den Antrag bei der Krankenkasse“, erinnert sich die sympathische Frau. Bei einem BMI von über 50 kamen Diäten nicht mehr in Frage.

Glücklicherweise kam Christina Cyliax mit Dr. Hermann Kißler, dem Leiter der Sprechstunde Adipositaschirurgie am Jenaer Uniklinikum, in Kontakt. „Bei ihm fühlte ich mich gleich gut aufgehoben und vor allem auch verstanden. Das war vorher leider nicht immer der Fall“, erklärt Christina Cyliax. Als nach einer ersten Ablehnung endlich das OK der Krankenkasse für eine Operation kam, war sie überglücklich. Als erster Patientin am Jenaer Uniklinikum sollte ihr Magen um 85 Prozent zu einem so genannten Schlauchmagen verkleinert werden. Ein interdisziplinäres Team aus mehreren Ärzten und Psychologen bereitete die 53-Jährige monatelang auf die OP und die Zeit danach vor. „Dass sich mein Leben nach der Operation verändern würde und ich auch meine Ernährungsgewohnheiten umstellen musste, war mir klar.“

Heute, anderthalb Jahre später und 55 Kilogramm leichter, hat sie ihre Lebensqualität zurück. Christina Cyliax kann kilometerweit laufen, ohne gleich außer Atem zu sein, sie kann entspannt einkaufen gehen, versagt sich nichts mehr, auch nicht beim Essen. „Alles, aber in Maßen. Mir geht es richtig gut. Das verdanke ich zum großen Teil den Mitarbeitern des Uniklinikums, allen voran Dr. Kißler.“

Diese Erfahrungen möchte Christina Cyliax gern an andere Übergewichtige weitergeben: Im April konnte eine Adipositas-Selbsthilfegruppe am Klinikum gegründet werden. Mittlerweile besuchten zirka 35 übergewichtige Männer und Frauen die alle 14 Tage stattfindenden Treffen. „Wir befinden uns dort in einem geschützten Raum, keiner ist anders hier als die anderen, alle haben die gleichen Probleme und Ängste oder kommen alleine nicht weiter. Wir freuen uns über jeden Neuen. Bei uns muss sich niemand erklären, verteidigen oder gar schämen – hier gehen alle den gleichen Weg, und zwar gemeinsam“, so Christina Cyliax. Weitere Mitstreiter werden gesucht. Auch Christina Cyliax fühlt sich dort, mitten unter den anderen Dicken, immer noch am wohlsten. „Ich fühle mich dort einfach verstanden.“

Treffen: Jeden ersten und dritten Montag im Monat im Uniklinikum Jena-Lobeda, Erlanger Allee 101. (Nächste Treffen am 19. Dezember 2011,
2. und 16. Januar 2012, 17.30 Uhr; Raum bitte an der Rezeption erfragen.)
Kontakt: Christina Cyliax, Tel.: 0178-3727402
E-Mail: Christinacyliax@aol.com,

Katja Vollenberg

Der Beitrag erschien in der aktuellen Jenaer Ausgabe des Lokalmagazins Oscar am Freitag.