Gothaer Bus-Streit im Kreistag: Zwei Stunden heiße Debatte, ein Beschluss

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Der Kreistag beschloss am gestrigen Mittwoch (26. April), dass sich der Kreisausschuss mit möglichen Folgen der Insolvenz der RVG befassen solle. Dem gingen zwei Stunden wort- und emotionsreiche Beratung voraus. Die Sondersitzung war auf Antrag der Fraktionen der CDU/FDP und von SPD – Bündnis 90/Die GRÜNEN einberufen worden.

Wenige Stunden zuvor gab im gleichen Gebäude Rolf Rombach, der Insolvenzverwalter der RVG, eine Pressekonferenz. Er teilte mit, dass er mit sofortiger Wirkung der Fa. Steinbrück untersagt habe, weiter Leistungen im ÖPNV im Landkreis anzubieten.

Dem ging ein Güteangebot Rombachs an Steinbrück voraus, der demnach ein Großteil seiner bisherigen Leistungen hätte zugesprochen bekommen und sich auch die Linien aussuchen können. Da dieses Angebot ohne Resonanz blieb, habe Rombach von seinem Wahlrecht als Insolvenzverwalter (§ 103 Inso) Gebrauch gemacht. (Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag HIER).

Diese aktuelle Entwicklung überraschte etliche Kreistagsmitglieder, manche hatten sie sogar noch gar nicht zur Kenntnis genommen.

Nicht zu übersehen war hingegen eine große Anzahl von Mitarbeitern der Fa. Steinbrück. Die protestierten hör- und sichtbar für ihren Arbeitgeber und forderten Rechenschaft von Verantwortlichen.

Auf der Tagesordnung des Kreistages standen ein 18 Punkte umfassender Fragenkatalog der Fraktion SPD – Bündnis 90/Die Grünen und jener mit 8 Fragen der Fraktion CDU/FDP.

Stefan Schambach, der der Fraktion SPD – Bündnis 90/Die Grünen vorsitzt, begründete die Fragen seiner Fraktion u. a. mit mangelnder Unterrichtung des Kreistages zum „Gothaer Busstreit“. Man befürchte finanzielle Folgen durch die RVG-Insolvenz. Zudem fände seine Fraktion den Doppelverkehr weder lustig noch geeignet, „Faschingslieder darauf zu dichten“. Diese Spitze richtete sich direkt gegen Landrat Konrad Gießmann, blieb nicht die letzte persönliche Attacke des Abends.

Dann beantwortete Landrat Gießmann die Fragenkataloge, die sich inhaltlich teilweise überschnitten. Nannte u. a. Gutachten als Gründe für die Kündigungen des Ex-RVG-Geschäftsführers Markus Würtz, bezifferte die Kosten des Rechtsstreits auf rund 19.000 Euro. Ob weiterer Schadensersatz gefordert werde, liege nun am Insolvenzverwalter.

Im Weiteren ging es um Forderungen der Fa. Steinbrück gegenüber der RVG: Da stünden u. a. 1,8 Mio. Euro zur Debatte, über die im Hauptsacheverfahren entschieden werde. Dieses wie andere offenen zivilrechtliche Verfahren sei aber unterbrochen. Grund: die am Montag eröffnete Insolvenz gegen die RVG. Die habe zur Folge, dass solche Sachverhalte nach Insolvenzrecht behandelt werden.

Gefragt war nach generellen Folgekosten für den Landkreis: Gießmann erklärte, dass der RVG-Gesellschaftervertrag keine Nachschusspflicht für den Landkreis beinhalte – unabhängig von allen weiteren Entscheidungen.

Ob der ÖPNV im Landkreis trotz der Insolvenz gesichert sei? Der Landrat berief sich auf Insolvenzverwalter Rombach, der dies schriftlich zugesichert habe.

Man wollte wissen, warum der Kreistag nicht über die Kündigung der Fa. Steinbrück informiert wurde, wann welche Ausschreibungen erfolgten und warum auch hier der Kreistag nicht gefragt worden sei; ob und wie viele Arbeitsplätze durch die Insolvenz gefährdet seien. Gießmann verwies auch hier auf Insolvenzverwalter Rombach.
(Die vollständigen Fragenkataloge der Fraktionen und die Antworten des Landrats darauf dokumentieren wir hier in Kürze. – Die Redaktion)

In der Aussprache dankte Stefan Schambach dem Landrat für die umfangreiche Information, mahnte aber, dass die schriftlichen Antworten nicht erst mit dem üblichen Protokoll zur Verfügung gestellt werden sollten. Er bekräftigte, dass der Doppelverkehr „nicht hinnehmbar“, Abhilfe daher zu schaffen sei. Einen Vorschlag, wie das geschehen solle, hatte er indes nicht. Schambach weiter: „Aus Sicht der Fraktion darf nichts unter den Tisch gekehrt werden. Wir verlangen restlose Aufklärung, wobei die staatanwaltlichen Ermittlungen nicht beeinträchtigt werden sollten.“

Da schon 2014 Unregelmäßigkeiten erkannt wurden, verstünde er nicht, wieso damals „alles unter der Decke gehalten“ worden sei. Ob es da einen „Partei- oder Beigeordnetenbonus“ gab, sei nur zu vermuten. Schließlich wäre damals just Wolfgang Steinbück als dritter und ehrenamtlicher Beigeordneter des Kreises gewählt worden. Der habe sich zudem sichtlich erfolgreich seither durch „pointierte Öffentlichkeitsarbeit als Guter“ darstellen können, während die RVG und der Kreis erst seit Kurzem ihre Positionen darlegten.

Gothas OB Knut Kreuch sprang Schambach bei: Der Streit kenne nur Verlierer. Der größte sei dabei die Stadt Gotha, die einen Imageschaden erleide. „Nicht mit unseren großen Leistungen kommen wir ins Stern TV sondern mit den doppelten Bussen.“ Man bespreche zudem im Kreistag alles Mögliche „nur nicht die wirklich wichtigen Dinge“.

„Was ist das für ein Geschäftsführer?“, fragte Jörg Kellner (CDU) und meinte Uwe Szpöt. Der habe sieben Kündigungen gegen Steinbrück ausgesprochen „und keine hat gehalten“. Tatsächlich sind es vier Kündigungen, die bisher kein Gericht für nichtig erklärte. Obendrein bestätigte das Oberverwaltungsgericht gestern, dass Steinbrück 400.000 Euro zurückzahlen muss, die er vom Freistaat für die Anschaffung von vier Bussen bekommen und nicht regelkonform verwendet hatte. Das entsprechende Urteil in erster Instanz hatte eine Kündigung „aus wichtigem Grund“ zur Folge.

Jörg Kellner (CDU) beantragte abschließend, dass das Rechnungsprüfungsamt einzuschalten wäre und die Auswirkungen der RVG-Insolvenz untersuchen solle. Dem Antrag widerprach Bärbel Schreyer (Freie Wähler), erinnerte an den entsprechenden Paragrafen des Kommunalordnung: „Seit 2013 kann der Kreistag dies nicht mehr beauftragen und Sie müssten das eigentlich wissen“, wandte sie sich an den Antragsteller, der Vorsitzender des Rechnungsprüfungsauschusses des Kreistages ist.

CDU/FDP-Fraktionsvorsitzender Michael Brychcy schlug daher vor, den Kreisausschuss damit zu betrauen. Dieser Antrag fand mehrheitlich Zustimmung.

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