Sind Werke aus Gothaer Kunstraub von 1979 wieder aufgetaucht? Stiftung Schloss Friedenstein nimmt Stellung

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Schloss Friedenstein Gotha, Südseite. Foto: Stiftung Schloss Friedenstein Gotha, Lutz Ebhardt

In der Nacht zum 14. Dezember 1979 wurden fünf bedeutende Gemälde aus den Sammlungen des Gothaer Schlosses Friedenstein gestohlen. Dazu nahm die Stiftung Schloss Friedenstein in einer Pressemitteilung Stellung:

Die hochkarätigen Werke sind aufgeführt im gedruckten Verlustkatalog der Stiftung Schloss Friedenstein, der Datenbank Lost Art, der Interpol Datenbank gestohlener Kunstwerke und im ArtLoss-Register, der Datenbank des Kunsthandels. Trotz hoher internationaler Aufmerksamkeit und umfangreicher Untersuchungen konnte dieser „größte Kunstraub in der Geschichte der DDR“ bis heute nicht aufgeklärt werden. Möglicherweise sind diese Gemälde wieder aufgetaucht.

Wie nun bekannt wurde, fanden am gestrigen Donnerstag, dem 5. Dezember 2019, bundesweite Hausdurchsuchungen statt, die im Zusammenhang mit dem Gothaer Kunstraub von 1979 stehen. Diese wurden vom Landeskriminalamt Berlin in Kooperation mit den kriminalpolizeilichen Ermittlungsstellen der betroffenen Bundesländer durchgeführt. Zu Anlass und Ergebnissen informiert das LKA Berlin.

Die neueren kriminalpolizeilichen Untersuchungen zum Gothaer Kunstraubs fanden vollkommen eigenständig und unabhängig von den Bemühungen statt, die die Stiftung Schloss Friedenstein unter größter Diskretion in den letzten anderthalb Jahren zur Rückführung der Gemälde unternommen hat.

Im Juli 2018 traten über einen Anwalt anonyme Personen an die Stiftung Schloss Friedenstein heran, die behaupteten, die Besitzer dieser Gemälde zu sein, und eine abenteuerliche, weder belegbare noch plausible Erwerbsgeschichte lieferten. Der damalige Stiftungsratsvorsitzende der Stiftung Schloss Friedenstein und Oberbürgermeister der Residenzstadt Gotha, Knut Kreuch, nahm mit finanzieller und fachlicher Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung Verhandlungen auf. Am 30.09.2019 kam es in Berlin zur Übergabe der Gemälde an die Stiftung Schloss Friedenstein zum Zweck der Begutachtung. Ziel war, die Authentizität der Gemälde zu prüfen und deren Rückkehr nach Gotha zu ermöglichen. Diese auf drei Monate angesetzten Prüfungen, in die wissenschaftliche Fachgutachter und das Berliner Rathgen-Forschungslabor eingebunden sind, laufen noch. Die Gemälde befinden sich seitdem in sicherer Verwahrung.

Die Rechtsposition der Stiftung Schloss Friedenstein, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Friederike von Brühl, Berlin, unterscheidet sich fundamental von der Position der Verhandlungspartner: Die Stiftung Schloss Friedenstein hat durch den Diebstahl von 1979 nie ihr Eigentum verloren, gleichgültig wie dieser Diebstahl genannt oder erklärt wird.

Durch die Übergabe der Bilder befinden sich jene aber, falls es sich um die Originale – die 1979 gestohlenen Bilder – handelt, wieder in Besitz und Eigentum der rechtmäßigen Eigentümer.

Die Ernst von Siemens Kunststiftung hat Fördermittel in Aussicht gestellt, um den zwischenzeitlichen Besitzern im Vergleichswege eine moderate Aufwandsentschädigung bzw. einen „Finderlohn“ zu zahlen, falls es sich um die Originale handeln sollte. Dies ist eine gängige Praxis, die zuletzt bei der Rückführung eines Blumenstillebens von Balthasar van der Ast (1628) Erfolg hatte, das dem Suermondt Ludwig Museum in Aachen in den Nachkriegswirren abhanden kam.

Dazu der Verhandlungsführer, Oberbürgermeister der Residenzstadt Gotha und Stiftungsratsmitglied des Stiftung Schloss Friedenstein, Knut Kreuch: „Ich war im Dezember 1979 gerade 13 Jahre alt geworden. Meine Mutti schaute am Freitagabend auf ZDF immer die Sendung ‚Aktenzeichen XY ungelöst‘ und ich fand es furchtbar, wie viel Raub und Mord es im Westen gab. Irgendwie fühlte ich mich sicher hinter Mauer und Stacheldraht, war als Kind überzeugt, so etwas kann in der DDR nicht passieren. Diese Empfindung wurde im Dezember 1979 arg enttäuscht, denn lange bevor es eine kleine Mitteilung in der Zeitung ‚Das Volk‘ gab, tuschelte schon der Buschfunk von Gotha über den großen Kunstraub im Schloss Friedenstein. Seit vierzig Jahre liegt diese Tat wie ein ungeklärtes Trauma über der Stadt. Die Hoffnung, die wertvollen Gemälde eines Tages wieder zu bekommen, hatten viele Menschen schon aufgegeben.
Wenn man sich heute vor Augen führt, wie die weltweit bedeutenden Kunstsammlungen von Gotha durch Wirren, wechselnde Eigentumsverhältnisse, Entnahmen und Diebstähle im 20. Jahrhundert geschädigt wurden, kann man zu Recht sagen, dass keine Stadt in unserer Größenordnung solche Verluste hinnehmen musste. Umso glücklicher bin ich, wenn es gemeinsam mit Freunden und Förderern immer wieder gelingt, einzelne Stücke zurückzuholen. Die Aufklärung des ‚Kunstraubs von Gotha‘ ist ein Lebenstraum, der hoffentlich bald in Erfüllung geht. Ich appelliere an alle Beteiligten, sich einer angemessenen und fairen Lösung nicht zu verweigern, und freue mich auf die Fortführung der laufenden Gespräche.“

Statement Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung: „Eine 1979 in die Sammlung des Gothaer Schlosses gerissene Wunde könnte geschlossen werden, wenn sich die aufgetauchten Bilder als echt erweisen und es zu einem angemessenen Ausgleich kommt. Nach dem Willen ihres Gründers fördert die Ernst von Siemens Kunststiftung als ein verlässlicher Partner der deutschen Museen nicht nur Erwerbungen (aktuell die Statuette des „Mars“ von Giambologna für Dresden), Restaurierungen und Ausstellungen, sondern unterstützt diese auch unkompliziert bei der Rückführung von entzogenen Kunstwerken. Wichtig ist es, verloren geglaubte Kunst und Kulturgüter wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zu den jüngsten Projekten zählen Rückführungen von in der Nachkriegszeit entwendeten Kunstwerken wie des wertvollen Kupferstichbandes ‚Fürstliche Baulust‘ von 1698 an die Anhaltinische Landesbücherei Dessau, eines Schiffspokals des 17. Jahrhunderts aus dem Dresdner Ratsschatz oder anteilig des barocken Elfenbeinhumpens, der 2018 nach Gotha zurückkehren konnte. Wir hoffen, dass wir auch in diesem spektakulären Fall helfen können.“

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