Des Gewerbevereins Mathematik: zwölf, drei und eins sind acht

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Foto: Dr. Bernd Seydel

Nach zwölf Jahren Pause drei Löffler-Preise vergeben, den 2019er Dirk-Kollmar-Preisträger gekürt und dabei den Sternen so nahe gewesen wie nie zuvor, weil erstmals in der „Alten Sternwarte“ auf dem Seeberg veranstaltet: Der achte Jahresempfang des Gewerbevereins Gotha war das, was man einen vollen Erfolg nennt. Im wahrsten Wortsinn, denn mit mehr als 170 Gästen wurde auch ein neuer Teilnehmerrekord aufgestellt – und man kam sich deshalb wirklich nahe.

Den Löfflerpreis gab es schon einmal von 2001 bis 2007. Er war vom Verein „Von Gotha für Gotha e. V.“ ausgelobt worden, dem Vorgänger des Gewerbevereins. Der Preis ging an Auszubildende, die sich in ihrem Ausbildungsbetrieb durch herausragende Leistungen auszeichneten. Dabei standen die rein schulischen Leistungen nicht im Vordergrund, sondern vielmehr das Engagement, mit dem die Azubis ans Werk gingen.

Dajana Krüger aus Finsterbergen war 2007 die 10. und vorerst letzte Trägerin des Löfflerpreises. Die angehende Floristin lernte bei Blumen-Heyn. Der ist übrigens bis zum heutigen Tag großzügiger Sponsor des floralen Schmucks aller acht Jahresempfänge des Gewerbevereins.

Einem großen Vorbild gehuldigt
Der Löfflerpreis orientierte sich von Beginn an den Bildungsidealen von Josias Friedrich Christian Löffler (1752 – 1816), dessen Leben und Werk OB Kreuch vorstellte. Löffler, Pfarrer in Gotha, Generalsuperintendent und Mitbegründer des Gothaer Schulwesens, eröffnete 1800 eine Freischule für mittellose und verwaiste Kinder – ein Musterprojekt, das letztendlich die seit 1640 in Gotha geltende Schulpflicht durchsetzte. Die einstige Freischule war unter Ägide des Vereins „Von Gotha für Gotha“ in den 1990er-Jahren wiederaufgebaut worden und gehört heute als Löfflerhaus zum Stadtbild.

Die 2019er Neuauflage des Löfflerpreises nun war in den Kategorien „Handel und Dienstleistung“, „Handwerk und Industrie“ sowie „Gastronomie und Hotellerie“ ausgeschrieben. Für das Projekt konnte der Gewerbeverein Landrat Onno Eckert (SPD) begeistern, der als Schirmherr fungierte und der die Urkunden überreichte.

Landrat Onno Eckert, Dustin Hunger, Chris Roland Viecenz, Theresa Graul und Gothas OB Knut Kreuch.
Foto: Dr. Bernd Seydel

Die erste bekam Theresa Graul. Sie lernt im „Kaufhaus Moses“, das 2014 den zweiten Innovations- und heutigen Dirk-Kollmar-Preis des Gewerbevereins bekam. Robert Luhn, der stellvertretende Geschäftsleiter des „Moses“, über Theresa Graul: „Sie hat sich ganz toll entwickelt, kommt bei Kunden unheimlich gut an. Sicher auch, weil man merkt, dass sie alles aus Passion tut.“ Dann erinnerte Luhn an seinen einstigen Chef: Der habe vor Azubis Angst gehabt, weil er meinte, die würden an seinem Stuhl sägen. An Theresa gewandt, fügte er an: „…wenn ich in Rente gehe, dann dürfen Sie das machen.“

Chris Roland Viecenz ist der zweite Preisträger. Er lernt „Fachpraktiker Küche“. Das ist ein Ausbildungsberuf für Menschen mit Behinderung und Handicap und wird im FöBi-Bildungszentrum Gotha angeboten. Dessen Verwaltungsleiterin Sabine Frischbier lobte Chris‘ Engagement weit über die übliche Ausbildungs- und Arbeitszeit hinaus „und er hat in den drei Jahren nicht einen Tag gefehlt“. Bleibe er so am Ball, dann stehe nichts entgegen, dass er auch eine Koch-Lehre erfolgreich angehen könne.

Das Preisträgertrio komplettierte Dustin Hunger. Er lernt beim Bestattungsinstitut Gotha GmbH. Dessen Geschäftsführer Ronald Häring dankte dem Gewerbeverein für das Ausloben des Preises und den ansprechenden Rahmen, „unsere Besten würdig ehren zu können“. Man bilde seit 2008 mit hohem Niveau aus, „aber bisher kamen die 25 Interessenten bundesweit. Mit Dustin Hunger haben wird endlich mal einen Gothaer.“

Die vier schönsten Worte für Thüringer
Das große Finale folgte nach fast zwei Stunden – mit der Verleihung des Dirk-Kollmar-Preises an Christian Schneider (Thüros Georgenthal).

Die Laudatio auf den 2019er Preisträger hielt Olaf Seibicke. Der Hotelier und Chef im „Lindenhof“ hatte 2017 den Preis erhalten.

Seibicke bewies aufs Neue, dass er nicht nur ein hervorragender Gastgeber, sondern auch als Moderator und Laudator erfrischend anders ist.

So kennen nun Eingeborene wie Zugereiste (oder „Biegeschwemmde“, wie der gebildete Gothsche sagen würde), des Thüringers vier liebste Worte: „Der Grill ist an.“ Dass das einen direkten Bezug zum Preis und zu Gotha hat, wurde spätestens klar, als Seibicke vom Sauerländer Peter Schneider sprach. Der war mit Frau und Sohn nach der Wende nach Thüringen gekommen. Sie suchten und fanden eine Metallfabrik, aber erst nach einem privaten Grillerlebnis ihre wahre Berufung: „Vater und Sohn waren von der Improvisationsgabe der Thüringer begeistert, die sich eigene Grills bauten. Selbst Trommeln ausgedienter Waschmaschinen mussten dafür herhalten…“ Grille bauen – die Marktlücke schlechthin! Damit begann eine Erfolgsgeschichte, wurde „Thüros“ zur Marke, die heute weit über die deutschen Grenzen hin bekannt ist.

Auch deshalb, weil „Grillen eine Kultur ist, eine Wissenschaft und zugleich Menschen verbindet.“ Dies wäre ein Privileg in Zeiten, da man sich immer mehr entfremde, in denen menschliche Kontakte Mangelware seien und Freundschaften nur noch über soziale Medien geschlossen würden. „Da ist ein Grill auch ein Lagerfeuer, ein Feuer, an dem sich Menschen wärmen.“ Und – nicht zuletzt! –  dürfe der Mann am Grill noch ein Mann sein.

Längst sei ein Grill auch ein Statussymbol: „Mein Haus, mein Boot, mein Thüros-Grill.“ Der in seinem Hotel sei 23 Jahre alt, „sieht aber immer noch wie neu aus“, beteuerte Seibicke. DIE Thüringer Freizeitbeschäftigung sei für viele undenkbar ohne die Produkte der 30 Beschäftigten des Georgenthaler Familienunternehmens. An dessen Spitze stehe nun Christian Schneider, der sich in der Region engagiere, ohne Aufhebens davon zu machen. „Dafür reden andere gut über ihn wie die Grundschule im Ort oder die Freiwillige Feuerwehr.“

Schneider bekam den Preis aus den Händen von Dennis und Astrid Kollmar. Sie erinnerte sich an jene Zeit, als der Preis gestiftet wurde: „Vor 5 Jahren musste Maik Schulz (damals Vorsitzender des Gewerbevereins – ra) mich und meine Söhne überzeugen, in einer für uns schweren Zeit dem Preis den Namen meines Mannes und Vaters unserer Söhne zu geben. Aber es hat sich gezeigt – alle fünf Gewinner sind tolle und würdige Preisträger.“ Dann wandte sie sich direkt an Schneider: „…und in Ihrem Falle gibt es so viele Parallelen. 1992 kamen mein Mann und sein Vater nach Thüringen, auf der Suche nach einer Brauerei…“ Fast zeitgleich waren damals Schneiders in Thüringen zunächst in einem Friedrichrodaer Café gestrandet, dann gelandet.

v. r.: Astrid Kollmar, Christian Schneider und Dennis Kollmar.
Foto: Dr. Bernd Seydel

Christian Schneider dankte sichtlich gerührt für die „tolle Auszeichnung“. Er fühle sich geehrt und trotz Sauerländer Wurzeln gehöre er jetzt zu den „verrückten Thüringern, die nicht nur Bratwurst“ grillten. Seine intime Kenntnis dieser Volksgruppe, gepaart mit dem besonderen sauerländischen Humor, machte er deutlich, als er dann verkündete, im Durchschnitt würde jeder und jede hier im Freistaat alle 33,17 Stunden eine Bratwurst essen. Das wären 264 Stück pro Kopf und Jahr…

Und zum guten Schluss gab er dem Auditorium zwei Dinge mit auf den Weg: „Haben Sie Mut, nehmen Sie Ihre Ideen und entwickeln Sie sie! Und denken Sie immer daran – nicht nur in der Familie, sondern auch in der Wirtschaft spielt Partnerschaft die entscheidende Rolle, denn nur in partnerschaftlicher Verbundenheit kommt man voran.“

Empfang selten so politisch
Der enorme Andrang zum Jahresempfang hatte zunächst den Start verzögert. Deshalb fiel die Begrüßung durch Vereinsschef Andreas Dötsch denkbar kurz und markant aus. Er verzichtete auf die namentliche Nennung der Gäste aus der Politik und endete dafür mit dem Appell, am Sonntag wählen zu gehen.

Auch Matthias Goldfuß, der Vize-Vereinsvorsitzende und Moderator des Abends, machte dann mit einem Satz klar, dass es zwar ein amüsanter, zugleich aber auch lehrreicher wie politischer Abend werden würde. Mit Blick aufs umfangreiche Programm begrüßte er das Auditorium mit einem Lächeln auf den Lippen, deklamierend: „Wir schaffen das!“ Legte eine Kunstpause ein, um fortzufahren, dass zwar Bundeskanzlerin Merkel 2015 diese drei Worte sagte, „…aber der Satz stammt eigentlich von Bob, dem Baumeister. Und der würde sich bestimmt sehr wohl in Gotha derzeit fühlen.

Das wurde mit Beifall aufgenommen und erzeugte allgemein zustimmende Heiterkeit – nur nicht bei Gothas Oberbürgermeister Knut Kreuch. Der, ganz Politprofi, machte jedoch alsbald auch gute Miene zu Goldfuß‘ Wortspiel.

Brandaktuell blieb es auch, als der Gastgeber des Abends zu Wort kam. Ekhard Klomfass – Vereinsmitglied und Geschäftsführer der Schmitz Cargobull Gotha GmbH, der das Hotel und Restaurant „Alte Sternwarte“ gehört – bat eindringlich, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Es dürfe nicht eintreten, was jüngste Umfragen andeuteten: „Bitte gehen Sie wählen, damit wir eine Mehrheit hinbekommen.“ Alles andere würde Thüringen und seiner Wirtschaft schaden.

Karnevalesker Ausblick
Damit es nicht zu bierernst zuging, versicherte sich der Gewerbeverein der Dienste von Eckhard Hunoldt. Der Ortsteilbürgermeister-Vize Sieblebens und Vorsitzende des Siebleber Karnevalsvereins KaCuBaGoSie offerierte (s)eine zuweilen höchst groteske Vision von Gotha im Jahr 2050:

Dann würde eine Tochter von OB Kreuch, der von 2006 bis 2041 amtiert haben werde, im Rathaus einer Stadt mit 65 Seniorenresidenzen regieren. Deshalb hingen dann an jedem zweiten Laternenpfahl „Sauerstofftankstellen und Defibrillatoren“. Gotha wäre dann „deutschlandweit eine der letzten Bastionen der Sozialdemokratie“, weil man sich „den anbrandenden Wogen der Populisten entgegengestellt“ habe. Deshalb gäbe es im Stadtrat nur zwei Fraktionen: die der „grünen-christ-sozialdemokratisch-links-liberal-freien Wählerpartei“ und ein Quartett von AfDlern.

Hier würden dann „führerlose Taxen, Pferdedroschken und Straßenbahnen aus Schweizer Uraltbeständen – angeschafft 2018“ verkehren. Und es gäbe außer italienischen Restaurants nur noch ein paar deutsche Gaststätten – „mit vegetarischer Küche oder Insektenfood.“

Nun, da kann man nur noch hoffend sagen: Die Zukunft ist ein unentdecktes Land.

Rainer ASCHENBRENNER

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