Der "GOTHA" ist wieder da

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Die thüringische Stadt Gotha ist weltweit als „Hauptstadt der Genealogie“ bekannt. Diesen Titel verdanken die Gothaer einem Buch, das von 1763 bis 1942 in Gotha verlegt worden ist und alle Adelshäuser der Welt in ihren Stammbäumen und genealogischen Tabellen veröffentlichte. Egal, wie lang die verschiedenen Buchtitel waren, der Leser nannte das Buch nur kurz „Der Gotha“ und machte damit auch die Stadt sehr bekannt.

Durch die deutsche Teilung kam es nach dem II. Weltkrieg zu keiner Fortsetzung der Produktion des Buches, die Verlegerfamilie Perthes wurde enteignet und der Starke Verlag in Limburg an der Lahn begann mit dem Neudruck eines genealogischen Buches, was nicht den Namen „GOTHA“ verwenden durfte.  2013 kam es zu einer Einigung der Stiftung Deutsches Adelsarchiv und dem Namenseigentümer, so dass nun nach 73 Jahren wieder das

„Gothaische genealogische Handbuch“

erscheinen kann und in einer Präsentation am Samstag, dem 27. Juni 2015 durch den Vorsitzenden des Stiftungsrates der Stiftung Deutsches Adelsarchiv, Prinz Alfred von Schönburg-Hartenstein, im Ekhoftheater des Schlosses Friedenstein vorgestellt werden kann. An der geschlossenen Präsentation werden 80 Mitglieder des deutschen Hochadels teilnehmen u. a. S.H. Prinz Andreas von Sachsen-Coburg und Gotha. Einlass nur mit Akkreditierung.

Zur Geschichte:

Gotha im 18. Jahrhundert ein Geflecht wirtschaftlicher und sozialer Bindungen im Zeichen der Aufklärung unter Gothas großer Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg (1710-1767). Hier fand 1749 der junge Verleger Johann Christian Dieterich (1722-1800) durch die Heirat mit der Tochter des Gothaer Verlegers Christian Mevius seine Aufnahme.

Bereits seit 1740 gab es in der Stadt ein Buch, das den Namen trug „Neuverbesserter Gothaischer Genealogischer Schreibkalender“. Dieser Kalender bildete wohl die Grundlage für Dieterichs „Gothaischen Kalender“, der 1763 erstmals erschienen ist. Kalender waren im 17. und 18. Jahrhundert begehrte Nachschlagewerke, enthielten sie doch vielfältige Informationen für die Nutzer über Wirtschaft, Politik und Natur. Sie trugen insbesondere in der einfachen Bevölkerung sehr stark zur Volksaufklärung bei. Ganz anders bei den genealogischen Kalendern, sie hatten nur einen Zweck, den Nachweis der Ebenbürtigkeit und der genealogischen Stammfolge innerhalb der adeligen Familien zu dokumentieren.

In diesem Netzwerk der Kalenderproduktion in Deutschland gelang es dem 1763 von Johann Christian Dieterich und ab 1785 von dem berühmten Verleger Carl Wilhelm Ettinger (1741-1804) weitergeführten genealogischen Kalendern eine Sonderstellung einzunehmen. Sie erschienen im Laufe von zwei Jahrhunderten unter verschiedenen Namen, ob als „Gothaischer Hofkalender“, „Gothaischer Genealogischer Kalender“, „Gothaischer Genealogischer Hofkalender“, dann sogar mit dem Zusatz „…..nebst diplomatischen statistischem Jahrbuch“ oder als „Gothaisches Genalogisches Taschenbuch der Fürstlichen Häuser“. Im Sprachgebrauch unter Verlegern, Herausgebern, Autoren und in der Bevölkerung trug das Buch jedoch nur einen Namen „Der Gotha“. Als sogar eine französische Ausgabe unter dem Namen „Almanach de Gotha“ erschien, war der Durchbruch geschafft. Jeder, der von der Abstammung her in den Kreis des Adels gehörte legte größten Wert darauf, dass seine Ahnenfolge tadellos im „Gotha“ wiedergegeben worden ist.

„Der Gotha“ wurde europaweit das Pseudonym für Herkunft, Mitgliedschaft im Kreis der Regierenden und der genealogisch Forschenden.

Im Sprachgebrauch wandelte sich das Wort zu einem Begriff, in dem man Eigenschaften interpretierte, die Menschen besitzen sollten, die im „Gotha“ stehen. So ist es erklärlich, dass „il gotha“ und „le gotha“ aus dem Italienischen und dem Französischen übersetzt folgende Bedeutung besitzen: unerreichbar gut, auserwählt, erlesen oder spitzenmäßig.

Im Jahre 1942 erschien in Justus Perthes‘ Geografisch Kartografischen Anstalten die letzte Ausgabe des „Gotha“. Der berühmte kartografische Verlag, der fast die gesamte Entdeckungsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts auf dieser Welt dokumentierte und als größtes geografisches Erbe Europas eingestuft worden ist, konnte nach dem II. Weltkrieg die Produktion des „Gotha“ nicht fortsetzen. Die Enteignung der Familie Perthes und die Vertreibung aus Gotha führten zur Verstaatlichung des Unternehmens, das bis 1990 unter dem Namen „Volkseigener Betrieb Hermann Haack Gotha“ die Landkartenproduktion des sozialistischen Weltsystems und die Herausgabe der ältesten geografischen Zeitschrift Europas „Petermanns geografische Mitteilungen“ sicherte.

Nun wird mit der Neuherausgabe ein weiteres Kapitel der genealogischen Forschungen und der Würdigung der Residenzstadt Gotha als „Hauptstadt oder Keimzelle der Genealogie“, wenige Monate vor dem 67. Deutschen Genealogentag vom 2. – 4. Oktober 2015 aufgeschlagen.